Holborn – geboren in Holland

Geschrieben am 21.07.2023 von

Die Computergeschichte kennt einige Systeme, die scheinbar aus der Zukunft kamen, man denke an das Spiel Computer Space von 1971 oder an die Connection Machines aus den 1980er-Jahren. Ab 1981 bot die niederlädische Firma Holborn Acht-Bit-Rechner mit einem hinreißend futuristisches Design an. Sie verkaufte aber nur 200 Stück und musste im April 1983 Konkurs anmelden.

Rund achtzig Kilomoter westlich von Duisburg liegt die Stadt Helmond. Sie beherbergt das HomeComputerMuseum, ein Mekka des Retro-Computing mit Hunderten lauffähiger Geräte von Acorn bis ZX80. Ins Auge fallen aber einige Rechner, die außerhalb der Niederlande wenig bekannt sind. Sie wirken so, als seien sie aus dem Raumschiff Enterprise zur Erde gebeamt worden. Einer ist oben in unserem Eingangsbild zu sehen.

Sein Hersteller, die Firma Holborn Computers, wurde im September 1979 in Holten oder Hengelo – die Quellen widersprechen sich – gegründet; der Name entstand aus dem englischen Ausdruck „born in Holland“. Die  Gründer waren der 23-jährige Elektroingenieur Hans Polak und der 39 Jahre alte Organisationsexperte Dick Gerdzen; sie strebten einen bezahlbaren und attraktiven Kleinrechner an. Gerdzen besorgte Geld von Investoren und vom Staat, und die beiden richteten eine Fertigungsstätte in Enschede ein. Für das Design gewannen sie den renommierten Formgestalter Henk Vos.

1981 lag das erste Produkt der Firma vor, der Holborn 9100. Der Computer war ein System mit einem Elektronikschrank und mehreren Terminals, die auf einem schon vorhandenen Modell der US-Firma Beehive basierten. Henk Vos verlieh ihnen aber eine umwerfende Verkleidung. In der Elektronikbox saßen ein Z80-Prozessor von Zilog sowie die Diskettenlaufwerke. Der Arbeitsspeicher fasste 72 Kilobyte, die sich auf 220 Kilobyte erweitern ließen. Der Rechner besaß ein von Holborn entwickeltes Betriebssystem, das Eingaben auf dem Monitor mit einem Lichtgriffel erlaubte.

Nach dem Holborn 9100 kam das Modell 7100, das mit zwei Terminals operierte. 1982 erschien der Holborn 6100 mit nur einem. Der Elektronik- und Diskettenkasten schrumpfte, das Betriebssystem hieß nun CP/M – Retro-Fans kennen es. Am 30. März 1982 traten Hans Polak und Dick Gerdzen im Fernsehen auf und präsentierten auch den neuen Computer. Für 1983 planten sie den Start des Holborn 6500, des ersten echten Desktops der Firma. Die Chips und die Diskettenlaufwerke befanden sich jetzt unter dem Monitor, und die Tastatur war abgetrennt, wie im Video gezeigt.

Das Gerät gelangte jedoch nicht mehr in den Handel, denn am 27. April 1983 war Holborn Computers pleite. Insgesamt soll das Unternehmen 200 Rechner verkauft haben. So endete die Geschichte des wohl originellsten Acht-Bit-Computers. Über das spätere Schicksal der Holborn-Väter wissen wir nur wenig; Dick Gerdzen gründete offenbar eine internationale Business-Schule.

Es folgt zum Abschluss eine kleine Fotostrecke.

Eingang des HomeComputerMuseums in Helmond

Rechts das Terminal 9120 zum Holborn 9100, links ein amerikanisches Beehive-Terminal

Terminals 9120 und 6110 im Computermuseum Arnheim mit ihren Elektronikkästen (Foto Dennis van Zuijlekom CC BY-SA 2.0 seitlich beschnitten)

Zoom auf das Terminal 6120 und die Chip- und Disketten-Box im HomeComputerMuseum

Prototyp des Holborn 6500 mit separater Tastatur und den Aufschriften „6100“ und „6110“

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