House of Flicks

Geschrieben am 29.08.2017 von

Das Anschauen eines Films zu einer beliebigen Zeit zählt zu den ältesten Träumen der Medientechnik. Seit den 1970er-Jahren konnte man Videokassetten kaufen oder leihen. In den Neunzigern kamen DVDs sowie Video on Demand hinzu. Ab 2006 starteten diverse Streamingdienste für das Internet, darunter der von Nexflix. Am 29. August feiert die Firma ihren 20. Gründungstag.

„Netflix knackt die 100-Millionen-Kunden-Marke“ (FAZ, 19. Juli 2017). Über solch eine Überschrift freut sich jede Pressestelle, und noch schöner ist, wenn sie kurz vor dem 20. Geburtstag der genannten Firma erscheint. Denn die im kalifornischen Los Gatos ansässige Netflix Inc. gehört zu den führenden Video-Streamingdiensten und wurde am 29. August 1997 gegründet, also vor 20 Jahren.

Der Gedanke, Filme und TV-Serien über Kabel ins Haus zu liefern, ist nicht neu. Schon der deutsche Utopist Ludwig Dexheimer schilderte 1930 eine Automatenstadt, deren Bürger sich Videos schicken lassen. In der Medienzentrale sind Millionen Filmstreifen aufgespannt, die mit beweglichen Fernsehkameras gescannt werden können. Wenn ein Automatenstädter einen Titel sehen möchte, ruft er die Zentrale an. Die zuständige Kamera schnurrt den Film entlang, und ihre Bilder gelangen per Telefonleitung auf den Monitor des Anrufers.

Reed Hastings (Foto Netflix Inc.)

Diese ingeniöse Technik wurde leider nie realisiert. Dafür konnten Schmalfilmfreunde in den 1960er-Jahren die Kopien bekannter Filme im Format 16 mm, 8 mm und Super 8 erwerben. Meist waren sie gekürzt, manchmal fehlte auch der Ton. Im folgenden Jahrzehnt brachte die Videokassette die Erfolge aus Hollywood auf den heimischen Fernseher; wir haben im Blog darüber berichtet. In den Neunzigern trat an die Stelle der Kassette die DVD; der letzte Hersteller von Videobändern schloss vor einem Jahr die Produktion.

In den 1990er-Jahren wurde auch eine andere Technik erprobt: Video on Demand. Die Nutzer bestellen dabei Filme bei einem Dienstanbieter, der sie über das Kabelnetz liefert. Im Dezember 1994 startete der US-Medienkonzern Time Warner das Full Service Network in Florida. Es sollte 4.000 Haushalte von Orlando mit einer Vielzahl von TV-Programmen und Wunschfilmen versorgen. Die Resonanz ließ zu wünschen übrig. 1997 wurde das Projekt eingestellt.

Im gleichen Jahr, am 29. August 1997, gründeten der 36-jährige Reed Hastings und der wenig ältere Marc Randolph in Kalifornien das Unternehmen NetFlix.com. Zu diesem Zeitpunkt war Hastings technischer Direktor einer Softwarefirma. Marc Randolph leitete das Marketing und wurde der erste Chef von NetFlix.com. Das Net stand natürlich für das Internet; die Flix waren die „Flickers“ oder „Flicks“. So werden im amerikanischen Slang Kinofilme genannt: „to flicker“ heißt flimmern und ist verwandt mit der deutschen Flimmerkiste.

Marc Randolph (Foto Gage Skidmore CC BY-SA 3.0)

Im April 1998 nahmen die NetFlix-Gründer und 30 Angestellte im Ort Scotts Valley den Betrieb auf. Sie verliehen und verkauften DVDs online – die Idee hatten Hastings und Randolph bei Amazon abgeguckt. Ein besonderer Anreiz war der Verzicht auf Strafgebühren. 2002 ging die Firma als Netflix an die Börse, 2003 gab sie ihre ersten Gewinne bekannt. 2005 bot Netflix 35.000 Filmtitel an und verschickte jeden Tag eine Million Silberscheiben. 2007 durchbrach man die Milliardengrenze.

2007 war auch das Jahr, in dem Reed Hastings – sein Partner hatte das Unternehmen 2004 verlassen – mit dem Videostreamen begann. Online ausgestrahlt werden Serien, Spielfilme, Kinderprogramme,  und Dokumentationen. Seit 2014 richtet sich Netflix auch an deutsche Zuschauer. Weltweit hat die Firma 104 Millionen Abonnenten. Im zweiten Quartal 2017 lag der Umsatz bei 2,8 Milliarden Dollar und der Gewinn bei 66 Millionen. Für Neuproduktionen will Hastings in diesem Jahr sechs Milliarden Dollar investieren.

Zu unserem Eingangsbild ließen wir uns durch den Netflix-Hit „House of Cards“ anregen; die Serie schildert seit 2013 das Leben und Treiben von US-Präsident Frank Underwood. Andere bekannte Serien sind „Narcos“ über Drogenbarone und „The Crown“ über die englische Königin. Netflix ist nicht der einzige Streamingdienst; im Markt tummeln sich Amazon Video, Apple iTunes, Maxdome, Pantaflix, Sky Ticket, Videoload, Videociety und mehr. Und auch das HNF streamt, nämlich die legendäre Kaffemaschine im Bereich Internetgeschichte.

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