Made in Berlin

Geschrieben am 27.04.2015 von

Die Geschichte der deutschen Datenverarbeitung begann in Berlin. Hier wurde im Jahr 1910 die Deutsche Hollerith Maschinen Gesellschaft m. b. H. alias DEHOMAG gegründet, die Lochkarten-Geräte nach dem System von Herman Hollerith importierte und baute. Was ist heute noch von den Berliner Adressen von DEHOMAG, IBM und Nixdorf erhalten, die einst Hardware fertigten und verkauften?

Es ist ein trauriges Video, das Anfang April im kalifornischen Mountain View aufgenommen wurde und im Zeitraffer auf YouTube abrollt. Ein Bagger und ein Bulldozer beseitigen die Reste eines Gebäudes, das sie bzw. ihre Fahrer zuvor abgerissen und in kleine Teile zerlegt hatten. Das Haus beherbergte früher einmal das Shockley Semiconductor Laboratory, die 1956 gegründete Firma des Transistor-Erfinders William Shockley, die man die Keimzelle des Silicon Valley nennen kann.

Berlin ist kein Silicon Valley, doch hier erfolgte 1910 die Gründung der Deutschen Hollerith Maschinen Gesellschaft m. b. H., die Lochkartenmaschinen aus den USA importierte und später auch fertigte. Das war der Eintritt Deutschlands in die technische Datenverarbeitung. Die zunächst eigenständige DEHOMAG wurde 1922 eine Tochterfirma der IBM und 1949 in IBM Deutschland umbenannt. Da die IBM erst 1911 aus einer Fusion entstand, ist die Berliner Tochter älter als die amerikanische Mutter.

Im Jahr 1934 bezog die DEHOMAG eine neue Zentrale am Berliner Bahnhof Lichterfelde-Ost, die mit viel Pomp und Nazi-Prominenz eingeweiht wurde. Nach 1945 wechselte die Firma bekanntlich ins Schwabenland; das im 2. Weltkrieg schwer beschädigte Gebäude in Lichterfelde wurde jedoch in veränderter Form wieder aufgebaut und um weitere Häuser erweitert – siehe die beiden Fotos unten. Heute wird es von der Deutschen Telekom genutzt.

Zu Beginn der 1960er Jahre kehrte die IBM nach Berlin zurück und nahm im Stadtteil Marienfelde die Fertigung von Schreibmaschinen auf. 1962 eröffnete am Ernst-Reuter-Platz in Charlottenburg ein schniekes Hauptquartier, und während die Fabrik längst verschwand, steht das weiße Haus noch. Allerdings zog Mother Blue aus, und auf der Schmalseite wurde das große Relief mit den drei Buchstaben rücksichtlos entfernt. (Die Berliner IBM-Niederlassung ist in Marienfelde.)

Auch die Firma Nixdorf ließ sich in Berlin nieder und verteilte sich in den frühen 1980ern gleich über mehrere Adressen. So befand sich die Geschäftsstelle am Kudamm, die Forschung in Moabit und die Fertigung in Kreuzberg. 1984 legten Heinz Nixdorf und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen den Grundstein für ein neues Nixdorf-Werk. Es liegt an der Gustav-Meyer-Allee im Wedding und beeindruckt noch immer durch seine Glaswände. Hinter ihnen wird aber nicht mehr Hardware gebaut, sondern Geld gezählt – im Haus sitzt die LandesBank Berlin AG.

 

Am alten DEHOMAG- und heutigen Telekom-Standort in Lichterfelde-Ost.

Das frühere IBM-Haus in Charlottenburg – nur das Blau ist geblieben.

Was fehlt hier? Das IBMIBMIBM-Relief an der Schmalseite das Hauses.

Der Grundstein für „Silicon Wedding“ wird gelegt – rechts Heinz Nixdorf.

In den Nixdorf-Fenstern spiegelt sich noch ältere Industriearchitektur.

Der Eingang führt nicht mehr zu Computern, sondern in eine Bank.

 

 

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4 Kommentare auf “Made in Berlin”

  1. Dirk Blotevogel sagt:

    Hallo,

    die DEMOHAG hat die Nazi-Prominenz nicht nur zur Eröffnung eingeladen. Unterstützt von IBM aus den USA hat sie auch die Nazi-Verbrechen mitorganisiert. Techniker reisten bis in die KZs, um die Lochkartenzähler zu warten. Siehe Edwin Black: „IBM und der Holocaust: Die Verstrickung des Weltkonzerns in die Verbrechen der Nazis“.

    1. HNF sagt:

      Hallo Dirk,
      vielen Dank für den Hinweis.

  2. Rolf Fischer sagt:

    Hallo, das Nixdorf-Werk von 1984 in Berlin-Wedding ist wahrscheinlich bald nicht mehr da. Die Investorengruppe Coros plant Abriss des Baus und Neubebauung des Geländes. Hier ein Beitrag dazu aus dem Stadtteilmagazin „Brunnen.de“ https://brunnenmagazin.wordpress.com/2022/05/05/300-000-quadratmeter-und-kein-supermarkt

  3. Rue sagt:

    Jugenderinnerungen. Auf der Baustelle des Nixdorfgebäudes hatte ich meinen ersten Ferienjob, das war in den Sommerferien von 1985, da war ich 14 Jahre alt. Wir haben damals die Kamine eingebaut und angeschlossen. Die Stadt Berlin war sehr ängstlich wegen Stromleitungen usw. und wir mussten am Standplatz des Autokrans einen halben Meter Sand aufschütten und mit Stahlplatten belegen lassen. War eine schöne Zeit, die ich in sehr guter Erinnerung behalten habe.
    Diese gold verspiegelten Fenster waren damals das Nonplusultra. Damals waren sie nur zum Teil eingebaut und sie standen hochkant in Reihen aufgestellt in den noch unfertigen Räumen herum.

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