Märchenland im Computer

Geschrieben am 11.07.2017 von

Im Jahr 1982 liefen in den USA schon viele kleine Computer wie der Apple II oder der seit 1981 verkaufte IBM PC. Eindruck machten aber große Rechner mit Dutzenden Schränken. Was in ihnen tatsächlich vorging, enthüllte ein Werk von Steven Lisberger: „Tron“ Dieses wurde am 9. Juli 1982 uraufgeführt und gilt als erster langer Computerfilm.

Kevin Flynn hat einiges hinter sich. Als junger Programmierer der Firma ENCOM erfand er das Computerspiel „Space Paranoids“. Sein Kollege Ed Dillinger – der Name erinnert an den berühmten Gangster John Dillinger – klaute es und gab es als seine eigene Schöpfung aus. Es wurde ein Mega-Erfolg und machte Dillinger zum Firmenchef, während Flynn herausflog. Nun betreibt er eine Videospielhalle. Daneben versuchte er, per Hacking in die Computer von ENCOM einzudringen und die Machenschaften von Ed Dillinger aufzudecken.

So beginnt der Spielfilm „Tron“, der am 9. Juli 1982 in den amerikanischen Kinos anlief. Die deutsche Premiere war am 9. Dezember. „Tron“ wurde von der Walt Disney Productions (heute Walt Disney Pictures) erstellt, ging allerdings auf den Regisseur Steven Lisberger zurück. Er war 31 Jahre alt und hatte schon einen langen Zeichentrickfilm herausgebracht, „Die Dschungelolympiade“. Das damit verdiente Geld gab ihm die Möglichkeit, mit der Arbeit an „Tron“ zu beginnen. Weitere Dollars spendierte dann Disney.

Tron ist eine Mischung aus Action-, Science-Fiction- und Märchenfilm und basiert auf einer fantastischen Annahme: Computerprogramme sind keine Befehlsketten, sondern lebende Wesen. Sie sehen aus wie Menschen und benehmen sich so. Sie bevölkern ein digitales Universum, benutzen digitale Fahrzeuge und treten in gefahrvollen Spielen an. Es ist sogar möglich, dass ein User aus der Außenwelt zu Besuch kommt und als Programm agiert.

Genau das macht Kevin Flynn. Er gelangt noch als normaler Mensch in das Untergrundlabor von ENCOM, wo ein großer Laser steht. Er wird vom Master Control Program MCP gesteuert. Zu Beginn seiner Laufbahn war das MCP ein simples Schachprogramm, doch gefördert von Ed Dillinger wurde es zu einer bösen Künstlichen Intelligenz. Es dirigiert das geschilderte digitale Universum und seine Einwohner. Jetzt will es auch die reale Welt beherrschen.

Kevin Flynn ist dem MCP auf der Spur. Als er zufällig im MCP-Labor vor dem Laser sitzt, schaltet ihn das teuflische Programm ein. Der Strahl scannt Flynn von Kopf bis Fuß und verwandelt ihn in den Software-Mann Clu. Er erwacht im Inneren des Computers und trifft hier auf die digitalen Ausgaben der alten ENCOM-Kollegen. Der Programmierer Alan Bradley ist Tron, die liebliche Lora Baines heißt Yori, der väterliche Walter Gibbs wurde zu Dumont. Den fiesen Ed Dillinger finden wir als Sark, Freund und Helfer des MCP.

Es entwickelt sich eine rasante Handlung, in der die guten gegen die bösen Programme kämpfen und letztere besiegen. Das Master Control Program löst sich auf. Nach der Rückkehr in die Realität wird Flynn Direktor. Am Schluss landet er freudestrahlend mit dem Hubschrauber auf dem ENCOM-Hochhaus. Weniger freuten sich die Disney-Bosse. Bei 17 Millionen Dollar Kosten spielte „Tron“ in den USA nur 33 Millionen ein. Das bedeutete Platz 22 der Erfolgsfilme von 1982. Spitzenreiter E.T. brachte es auf 360 Millionen Dollar.

Inzwischen wird „Tron“ hoch geschätzt. Er zählt zu den Klassikern des Computerkinos; darüber hinaus enthält er 20 Minuten digitale Animationen. Die meisten Trickaufnahmen entstanden allerdings im Handbetrieb. Bei der künstlerischen Gestaltung wirkten der amerikanische Designer-Star Syd Mead und der französische Comic-Zeichner Jean Giraud mit, besser bekannt als Moebius. Die Musik steuerte Wendy Carlos bei. Sie kam einst als Walter Carlos auf die Welt und schuf beeindruckende Soundtracks am Synthesizer.

Nicht im Film erscheint eine Szene, in der zwei digitale Figuren die Liebe entdecken. Sie ist aber auf der „Tron“-DVD und auf YouTube erhalten. Wir sehen dabei die Schauspielerin Cindy Morgan als Yori und ihren Partner Bruce Boxleitner in der Rolle des Tron. Dank „Tron“ wissen wir auch, wie ein Bit aussieht. In diesem Clip schwebt eines neben Jeff Bridges, der Kevin Flynn alias Clu spielt. Erwähnen müssen wir noch die Lichtrenner, auf denen Tron, Clu und eine dritte Figur namens Ram über das geometrische Spielfeld sausen.

Beim Merchandising konnte „Tron“ nicht groß abräumen, aber es folgten Computerspiele einschließlich der Paranoiden aus dem All. Hinzu kam die Romanversion. 2010 lief die Fortsetzung Tron: Legacy in den Kinos; Steven Lisberger war einer der Produzenten. Ab Mai 2012 zeigte der US-Fernsehkanal Disney XD die Zeichentrickserie Tron: Uprising. Sie endete Anfang 2013. Vom alten „Tron“ steht in Burbank bei Los Angeles das Haus, das als Flynns Spielhalle diente. Es ist unser Eingangsbild (Foto Ricky Brigante, CC BY-NC-ND 2.0).

Weitere Informationen liefert das Tron-Wiki. Noch zwei Anmerkungen zum Schluss: „Tron“ war ein Märchenfilm, aber zugleich das erste große Werk des Cyberpunk. Darunter fasst man Science-Fiction-Filme und –Romane, die das Durchdringen von realen und digitalen Welten schildern. Und zweitens war er in einem Punkt schon Jahre in der Zukunft und in unserer Gegenwart. Denn welcher Politiker hätte nicht gern ein Master Control Program, um rund um die Uhr zu sehen, was die nicht immer braven Bürger alles anstellen?

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