Mr. Watson – Come here – I want to see you
Geschrieben am 10.03.2016 von HNF
Am 10. März 1876 gelang dem Dozenten und Erfinder Alexander Graham Bell in der amerikanischen Stadt Boston der erste verständliche Telefonanruf. Die Worte „Mr. Watson – Bitte kommen Sie – Ich brauche Sie hier“ an seinen Assistenten waren nicht die erste Sprachübertragung der Welt, doch mit ihnen begann die Geschichte des Telefons, so wie wir es kennen.
Wer erfand das Telefon? Darauf gibt es viele Antworten, aber Kandidat Nr. 1 ist sicher der 1834 im hessischen Gelnhausen geborenen Lehrer Philipp Reis. Er führte seine mit Gleichstrom arbeitende Apparatur 1861 in Frankfurt/Main vor und entwickelte sie danach ständig weiter. Auch der österreichische Kaiser Franz Joseph lauschte den melodischen Tönen, die aus dem Reis-Telefon kamen, und dieses wurde nicht nur in deutschen Landen, sondern ebenso nach Russland, England und in die USA verkauft.
Leider schaffte es Philipp Reis nur selten, gut verständliche Sprache zu übertragen. Sein System war von der Konstruktion her einfach zu unempfindlich. Bis zu seinem frühen Tod gelang es ihm nicht, die Tonqualität entscheidend zu verbessern. Ein Bericht aus dem Jahre 1863 belegt aber, dass das Telefon im Prinzip für Sprache geeignet war: „Selbst Worte konnten sich die Experimentatoren mittheilen, freilich allerdings nur solche, die schon oft von denselben gehört worden waren.“
Den entscheidenden Schritt zur modernen Telefontechnik unternahm in den 1870-er Jahren Alexander Graham Bell. Geboren 1847 im schottischen Edinburgh, wanderte Bell als junger Mann nach Kanada aus. 1871 zog er nach Boston, wo er als Taubstummenlehrer arbeitete. Von 1874 bis 1879 lehrte er im Rhetorik-Institut der Bostoner Universität. Daneben beschäftigte er sich intensiv mit akustischer Telegraphie und der Übertragung der menschlichen Stimme.
Mit akustischer oder harmonischer Telegraphie bezeichnete man das gleichzeitige Versenden mehrerer Morsezeichen über eine einzige Leitung. Dabei wurden die Zeichen mit unterschiedlichen Frequenzen verschickt und auf der Empfängerseite mit einer Metallzunge, die in einer Spule steckte, in Töne umgesetzt. Bei einem Versuch am 2. Juni 1875 bemerkten Bell und sein Assistent Thomas Watson einen physikalischen Effekt: Zupft man eine magnetisierte Zunge, so wird in der Spule ein Strom induziert, der eine ähnliche Zunge am anderen Ende der Leitung zum Klingen bringt.
Diesen Effekt baute Bell nun zu einem Telefon aus, bei dem im Mikrofonteil der Schall zu elektrischen Signalen führt, die im Lautsprecher wiederum Schallwellen erzeugen. In einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem in Chicago ansässigen Elisha Gray, der ein ganz ähnliches System erfunden hatte, konnte Bell seinen Entwurf am 14. Februar 1876 im Patentamt in Washington anmelden. Am 7. März erhielt er das rechtsgültige Patent Nr. 174.465 für eine Verbesserung der Telegraphie, während Gray seinen vorläufigen Patentantrag zurückzog.
Zum Funktionieren brachten Bell und Watson ihre Apparatur erst drei Tage später, am 10. März 1876. Das entscheidende Experiment beschrieb der Erfinder im Laborbuch, das wir oben sehen. Unten links stehen die Worte, die er ins Mikrofon sprach: „Mr. Watson – Come here – I want so see you“ Die Skizze links oben zeigt, dass Bell abweichend von den Patentgrafiken ein Flüssigkeitsmikrofon benutzte. Dabei läuft der Stromkreis durch ein kleines Becken mit Wasser, das durch Zugabe von Säure elektrisch leitfähig gemacht wurde.
Ein solches Mikrofon hatte Elisha Gray in seinem Patentantrag beschrieben, was zu Diskussionen über die Frage führte, ob Bell vorab von der Idee erfuhr. Andere Konkurrenten fochten mit dem Hinweis auf frühere Telefonerfinder wie Philipp Reis das Patent von Bell an, doch in langen Gerichtsverfahren blieb dieser siegreich. Er führte seine Apparatur im Lande vor und beeindruckte Kaiser Pedro II. von Brasilien, den er auf der Weltausstellung in Philadelphia traf. Unser Eingangsbild zeigt eine Demonstration im März 1877 nahe Boston.
1877 gründete Bells Schwiegervater Gardiner Greene Hubbard die Bell Telephone Company. 1885 entstand daraus die American Telephone and Telegraph Company, kurz AT&T, die im 20. Jahrhundert zeitweise die größte Telefongesellschaft der Welt war. Alexander Graham Bell widmete sich in seinen späteren Jahren wieder verstärkt dem Basteln und Erfinden, wobei ihn auch die neue Technik des Fliegens schwerer als Luft interessierte. Er starb 1922 in seinem Sommerhaus in Kanada. Bei seinem Begräbnis wurden die Telefone in Nordamerika eine Minute lang stillgelegt.
Im Jahr 2013 konnten Forscher in Washington aus einer alten Schallplatte die Originalstimme von Bell herauslesen, die um 1885 aufgenommen wurde. Und jüngere Auswirkungen von Bells Erfindertat zeigt täglich außer montags die Telefonabteilung – siehe das Bild unten unten – des Heinz Nixdorf MuseumsForums.