Roboter und Untermieter
Geschrieben am 26.11.2024 von HNF
Seit über hundert Jahren agieren Roboter auf der Leinwand. Im März 1957 lief in deutschen Kinos „Der ideale Untermieter“ an, in dem ein künstlicher Mensch eine wichtige Rolle spielt. Die kuriose Mischung aus Familien- und Technikfilm schuf der hessische Autor, Regisseur und Schauspieler Wolf Schmidt. Die englische Fassung des Streifens lässt sich im Internet anschauen.
Die Stadt Friedberg liegt auf halbem Wege zwischen Frankfurt am Main und Gießen; sie ist vor allem dadurch bekannt, dass Elvis Presley dort seinen Wehrdienst leistete. In Friedberg kam am 19. Februar 1913 auch Johann Sebastian Ferdinand Wolfgang Schmidt zur Welt. Sein Vater war Gymnasiallehrer und Dozent für Musikgeschichte.
Wolf Schmidt, wie er sich bald nannte, arbeitete nach Abitur und kurzem Jurastudium als Journalist und später als Kriegsberichterstatter. Nach 1945 gründete er ein Kabarett und fand den Weg zum Radio. Für den Hessischen Rundfunk schuf er die Hörspiel-Familie Hesselbach; von 1954 bis 1956 entstanden vier Filme über sie. 1956 drehte Schmidt auf eigene Kosten einen weiteren Film ohne die Hesselbachs und mit dem Titel „Der ideale Untermieter“. Er kam am 8. März 1957 in die westdeutschen Kinos.
Der zitierte Untermieter ist kein Mensch, sondern ein menschenähnlicher Roboter. Robsy entstammt dem Labor von Dr. Scholz; ihn spielte Holger Hagen. Wolf Schmidt verkörperte seinen Kollegen, den Psychologen Professor Martin. Daneben gibt es Martins Tochter, die vierzehnjährige Hekuba mit dem Spitznamen Hexchen. Sie wurde von Sibylle Schindler dargestellt. Hexchen begeistert sich für den Roboter, was zu vielerlei Verwicklungen führt. Am Ende geht natürlich alles gut aus.
Neben der deutschen produzierte Schmidt eine englische Fassung des Films. Sie erhielt die Titel „The Ideal Lodger“ und „Too Young for Men “– das dürfte sich auf die junge Hekuba beziehen. Mit „Too Young for Men“ und dem Untertitel „Ein modernes Märchen, gefilmt in Europa“ ist auch die Kopie überschrieben, die das Bundesarchiv verwahrt. Die Urversion ging anscheinend verloren. Das Archiv digitalisierte die englische Kopie; deshalb können wir uns den ersten deutschen Roboterfilm der Nachkriegszeit online anschauen.
„Zu jung für Männer“ spielt in den USA. Professor Martin wanderte aus – er erwähnt „the old country“ – und lehrt an einem College. Dr. Scholz wurde zu einem Amerikaner namens Bannister und sein Roboter zu einer „Impulse Reaction Device“. Professor Martins Tochter Hexie nennt ihn aber nur Robie. Er ist dialogfähig und etwa so schlau wie ChatGPT, dazu kann er Gehirnströme empfangen und Gedanken lesen. Die Kameraführung deutet hin und wieder an, dass Robie ein Innenleben besitzt.
Die Story des Films ist schnell erzählt. Roboter-Fan Hexie schleicht sich ins Labor von Dr. Bannister und erfährt, dass ihr Liebling zerlegt werden soll. Sie nimmt ihn deshalb zu sich nach Hause mit. Ihr Vater verschafft ihm ein Quartier. So wird er zum idealen Untermieter. Im College entbrennen heiße Diskussionen, ob Robie eine Persönlichkeit und entsprechende Freiheitsrechte besitzt. Einige Fieslinge entführen nun den Roboter, doch der weiß sich zu wehren. Er schaltet die Bande aus und kehrt zu Professor Martin und seiner Tochter zurück.
Wolf Schmidts Roboterfilm war wohl der erste, der Fragen aus der Künstlichen Intelligenz aufgriff. Bei der Hardware orientierte sich Schmidt vielleicht am Postroboter Roberto und an einem ferngelenkten Maschinenmenschen, der 1950 auf der Frankfurter Frühjahrsmesse auftrat. Er erscheint bei Minute 0:27 einer holländischen Wochenschau; sein Gang erinnert stark an unseren Untermieter. Auf der gleichen Messe präsentierte die Firma NSU einen Roboter, der sich auf das Fahren eines Motorrads verstand.
„Der ideale Untermieter“ war Wolf Schmidts letzter Kinofilm. In den 1960er-Jahren machte ihn die Firma Hesselbach zum Fernsehstar; er starb am 17. Januar 1977 in Gelsenkirchen. Im Nachlass fand man einen „Dramaturgischen Rechenschieber“ und den Witz-Generator. Sibylle Schindler wirkte ebenfalls in der Hesselbach-Fernsehserie mit. Ihr weiteres Schicksal ist uns leider unbekannt. Das Bild unten zeigt sie noch einmal als Hexchen-Hexie mit Robsy-Robie, Professor Martin und seiner Haushälterin, letztere spielte Lia Wöhr.