
Staatsgeheimnisse: die Ausstellung zum MI5
Geschrieben am 14.04.2025 von HNF
Seit dem 5. April und bis zum 28. September 2025 zeigt das englische Nationalarchiv im Westen von London eine Ausstellung zum Inlandsgeheimdienst MI5. Die Abkürzung steht für „Military Intelligence, Section 5“. Die Ausstellung ist die erste über die im Jahr 1909 gegründete Organisation. Im Laufe ihrer Geschichte hatte sie auch mit deutschen Spionen zu tun.
Die moderne englische Geheimdienstgeschichte begann am 7. Oktober 1909 mit der Gründung des Secret Service Bureau in London. Es richtete sich vor allem gegen deutsche Spione. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs wurde der Bereich für die Spionageabwehr zum „Directorate of Military Intelligence, Section 5“, kurz MI5. Aus der Abteilung für die aktive Spionage entwickelte sich der Auslandsgeheimdienst MI6.
Der MI5 sitzt im Thames House, einem knapp hundert Jahre alten Gebäude am Nordufer der Themse etwas unterhalb des Parlaments. Er beschäftigt über 5.000 Menschen, sein Chef ist der 1974 geborene schottische Mathematiker Ken McCallum. Dem MI5 fehlt der Glanz des Spionagedienstes MI6, der weiter südlich am anderen Themse-Ufer residiert, dafür steht er im Zentrum einer Ausstellung, die am 5. April im englischen Nationalarchiv im Londoner Stadtteil Kew eröffnete. Sein Gebäude ist oben im Eingangsbild zu sehen.

Das Thames House (links) ist der Sitz des MI5; der Turm gehört zum Parlamentsgebäude. (Foto Security Service OGL v1.0)
Die Schau trägt den Titel Official Secrets, was man mit Staatsgeheimnissen übersetzen kann; sie zählt fast hundert Exponate. Einige haben mit deutschen Kundschaftern zu tun, die der MI5 in den beiden Weltkriegen ergriff. So sehen die Besucher die Überreste der Chiffrierscheibe von Josef Jakobs. Er sprang am 31. Januar 1941 mit dem Fallschirm in der Grafschaft Huntingdonshire ab und brach sich dabei ein Bein. Jakobs ergab sich sofort; im nachfolgenden Prozess erhielt er das Todesurteil. Am 15. August 1941 wurde er im Londoner Tower erschossen.
Andere gefasste Spione entgingen der Exekution, indem sie sich im Double-Cross-System als Doppelagenten zur Verfügung stellten. Der MI5 arbeitete natürlich auch im Frieden. Ab 1925 beobachtete er den linken englischen Journalisten William Ewer, der für die junge Sowjetunion ein Agentennetz aufbaute. Der Dienst verzichtete auf die Festnahme, Ewer wandte sich später vom Kommunismus ab. Erst 1951 bemerkte der MI5 die Cambridge Five, fünf für die UdSSR tätige Spione, die in den 1930er-Jahren zusammenfanden.
In alphabetischer Reihenfolge waren das Anthony Blunt, Guy Burgess, John Cairncross, Donald Maclean und Harold „Kim“ Philby, der wohl gefährlichste Sowjetagent. „Official Secrets“ bringt Unterlagen aus den frühen 1950er-Jahren, die eine Überwachung durch den MI5 dokumentieren. Philby konnte 1963 in die Sowjetunion fliehen, wo er 1988 verstarb. 1981 besuchte er die Stasi-Zentrale in Ost-Berlin und hielt einen Vortrag; hier geht es zu einer zweiteiligen Video-Aufzeichnung. Leider ist die Tonspur etwas chaotisch.
Ein Star der Ausstellung ist Klaus Fuchs. Geboren 1911 in Rüsselsheim, studierte er Physik in Leipzig, Kiel und Berlin. Als Mitglied der KPD emigrierte er 1933 und setzte das Studium in Großbritannien fort; 1939 promovierte er in Edinburgh. 1942 wurde Klaus Fuchs englischer Staatsbürger, von 1944 bis 1946 arbeitete er im Atombombenprojekt der USA in Los Alamos mit. Hier befasste er sich mit der Plutoniumbombe, die 1945 über Nagasaki explodierte, und der Theorie der Wasserstoffbombe. Was er erfuhr, gab er an sowjetische Stellen weiter.
Ab 1946 war Klaus Fuchs im englischen Atomforschungszentrum Harwell tätig. In den späten 1940er-Jahren wurde er durch das geheime Venona-Projekt des FBI als Spion identifiziert; dem MI5 blieb die Aufgabe, ihn zu einem Geständnis zu bringen, ohne Venona zu erwähnen. Er ließ sich überlisten, gab den Verrat zu und erhielt 1950 eine Gefängnisstrafe von vierzehn Jahren. Er konnte schon 1959 ausreisen und machte dann Karriere in der DDR; der Filmclip zeigt ihn in den 1960er-Jahren. Klaus Fuchs starb 1988 in Ost-Berlin.
Die Ausstellung präsentiert auch Hardware wie die erste Kamera des MI5, eine Ensignette von 1910, einen Aktenkoffer von Guy Burgess oder ein Funkgerät des Ehepaars Lona und Morris Cohen. Die beiden kamen aus den USA und betrieben ein Antiquariat im Nordwesten Londons; sie nannten sich Peter und Helen Kroger und arbeiteten ebenfalls für die UdSSR. Der MI5 entdeckte sie 1961; im nachfolgenden Prozess erhielten sie eine Gefängnisstrafe von zehn Jahren. 1969 wurden sie im Rahmen eines Agentenaustauschs freigelassen.
„Official Secrets“ erwähnt natürlich die Operation Foot, die Ausweisung von gut hundert Sowjet-Geheimdienstlern im September 1971. Andere Exponate widmen sich Bedrohungen aus jüngerer Zeit. So sieht man eine Mörser-Granate, die die Irisch-Republikanische Armee 1991 auf den Amtssitz von Premierminister John Major in der Downing Street abfeuerte, oder den Nachbau einer Bombe für Selbstmord-Attentäter der Al-Qaida. Über seine aktuelle Tätigkeit informiert der Geheimdienst im Internet.
Wer sich im Internet Archive anmeldet, kann dort die 2009 erschienene offizielle Geschichte des MI5 studieren, die der Historiker Christopher Andrew verfasste. Sie zählt über tausend Seiten; weniger Anstrengungen verlangen die Memoiren des MI5-Veteranen Peter Wright von 1987. Sie lösten nach ihrem Erscheinen einen Skandal aus und wurden auch ins Deutsche übersetzt. Die Ausstellung „Official Secrets“ endet am 28. September 2025.