25 Jahre Linux
Geschrieben am 25.08.2016 von HNF
Am Abend des 25. August 1991 setzte der finnische Student Linus Torvalds eine Nachricht in die Internet-Newsgroup comp.os.minix. Darin bat er um Vorschläge für ein neues Betriebssystem nach dem Vorbild des Systems Minix. Die Nachricht startete ein globales Kooperationsprojekt und führte zum Betriebssystem Linux. Es ist die erfolgreichste freie oder quelloffene Software in der Informatik.
Das Betriebssystem eines Computers ist eine ganz spezielle Software. Es sorgt dafür, dass die Daten zwischen den Komponenten ohne Fehler hin und her fließen, dass die richtigen Daten hereingelassen und angezeigt werden und alle Anwendungsprogramme korrekt ablaufen. Die IT-Historie ist auch eine Geschichte der Betriebssysteme. Eine der schönsten Geschichten ist die von Linux.
Sie beginnt in den frühen 1970er-Jahren in den Bell-Laboratories, dem Forschungsinstitut der US-Telefongesellschaft AT&T. Hier schuf ein Team um die Informatiker Ken Thompson und Dennis Ritchie das Betriebssystem Unix. Es war vielseitig, ausbaufähig und zunächst gemeinfrei. In kürzester Zeit wurde die Software in vielen Universitäten und wissenschaftlichen Zentren installiert. Die Industrie zeigte ebenfalls Interesse. So setzte die Firma Nixdorf Unix auf ihren Targon-Rechnern ein.
1987 erstellte der amerikanische Informatikprofessor Andrew Tanenbaum eine reduzierte Version von Unix, die er Minix nannte. Er lehrte an der Freien Universität Amsterdam und benutzte Minix als Begleitprogramm zu seinem Lehrbuch über Betriebssysteme. Die Urfassung war für den IBM-PC gedacht, spätere Versionen liefen auf Atari-, Amiga-, Apple- und Sun-Rechnern. Inzwischen mauserte sich Minix zu einem voll ausgebauten Betriebssystem. Im September 2014 kam Version 3.3.0 heraus.
Am 7. Mai 1990 beendete ein finnischer Student seinen elfmonatigen Militärdienst und setzte sein Studium an der Universität von Helsinki fort. Linus Torvalds wurde am 28. Dezember 1969 in der Landeshauptstadt geboren. Vater und Mutter Torvalds arbeiteten als Journalisten und neigten politisch weit nach links. Ein Großvater war Professor für Statistik und besaß einen Heimcomputer vom Typ Commodore VC-20. Beim Programmieren half ihm sein elfjähriger Enkel.
Vom VC-20 stieg der junge Linus auf den Sinclair QL um, weil ihn Design und Technik ansprachen. Der QL bot bereits Multitasking und konnte mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen. 1990 verkaufte Torvalds aber den Sinclair und vertiefte sich in das Betriebssystem-Buch von Andrew Tanenbaum. Im Januar 1991 erwarb er einen IBM-PC-kompatiblen Rechner mit Intel-80386-Prozessor. Dabei zahlte er ein Drittel des Preises von umgerechnet 6.500 DM an, den Rest musste er abstottern.
Einen Monat später trafen die 16 Minix-Disketten ein, die Torvalds zum Computer bestellt hatte. Er brauchte einen Monat, um sich mit dem System vertraut zu machen und die Stärken und Schwächen zu finden. Unzufrieden war er mit der Terminal-Emulation, dem Teil des Betriebssystems, mit dem man über eine Datenleitung einen fremden Computer bedienen kann. Er schrieb deshalb ein neues Emulationsprogramm. Es folgten ein Diskettentreiber und weitere Betriebssystem-Elemente.
Im Sommer hatte Linus Torvalds eine Shell installiert, die die Kommunikation zwischen dem Benutzer des Computers und dem Kern des Betriebssystems erledigt. Damit lag bereits die Basis einer solchen Software vor. Schließlich schickte er am 25. August 1991 eine Botschaft an die Internet-Newsgroup comp.os.minix mit der Betreffzeile „Was würdet Ihr am liebsten in Minix sehen?“. Sie richtete sich an „alle da draußen, die Minix einsetzen“. Wir zitieren aus der deutschen Wikipedia:
„Ich arbeite an einem (freien) Betriebssystem (nur ein Hobby, wird nicht groß und professionell sein wie GNU) für 386(486)AT-kompatible Rechner. Das Projekt entwickelt sich seit April und beginnt fertig zu werden. Ich hätte gern Rückmeldungen über Eigenschaften, die die Leute an Minix mögen/nicht mögen, da mein Betriebssystem diesem in einigen Merkmalen ähnelt (gleiches physikalisches Layout des Dateisystems (aus Praktikabilitätsgründen) und einige andere Dinge).“
„Ich habe im Moment bereits die bash (1.08) und gcc (1.40) portiert, und es scheint zu funktionieren. Das bedeutet, dass ich in einigen Monaten etwas haben werde, womit man arbeiten kann, und mich interessiert, welche Eigenschaften die meisten Leute gerne sehen würden. Alle Vorschläge sind willkommen, aber ich kann nicht versprechen, dass ich sie auch einbaue :- ) Linus (torvalds@kruuna.helsinki.fi)“ In der ersten Zeile 1 ist bash die erwähnte Shell und gcc ein Compiler, der eingetippte Programme zur Weiterverarbeitung durch den Prozessor übersetzt.
Das Posting setzte ein unbezahltes Kooperationsprojekt der globalen Hackergemeinde in Gang. Am Ende stand das freie Betriebssystem Linux. Torvalds war Erster unter Gleichen, was auch bewirkte, dass noch ausstehende Raten seines Computers von den anderen Nerds bezahlt wurden. Aufregende Ereignisse jener Zeit waren die Torvalds-Tanenbaum-Debatte von Januar/Februar 1992 und im Herbst 1993 die schicksalhafte Begegnung von Linus und seiner zukünftigen Frau Tove.
Im März 1994 lag Version 1.0 von Linux vor. Sie umfasste 176,450 Programmzeilen. Das Video zeigt die Präsentation in der Universität Helsinki am 30. März 1994; Linus Torvalds ist gut zu erkennen. Die aktuelle Version Linux 4.7 zählt deutlich über 20 Millionen Zeilen. Wichtige Einsatzgebiete der Software sind Server, Smartphones – das Betriebssystem Android ist mit Linux verwandt – und Supercomputer. Hier etablierten sich die Linux-Cluster von miteinander vernetzten Rechnern.
Linus Torvalds beendete 1996 sein Informatik-Studium mit einem Master.1997 zog er mit Frau und Kind ins Silicon Valley, wo er einige Jahre in der Mikroprozessor-Firma Transmeta tätig war. Von 2003 an befasste er sich mit der Verbreitung und Weiterentwicklung von Linux und anderer freier Software. Seit 2007 arbeitet er für die Linux Foundation in San Francisco. 2012 wurde er in die Internet-Ruhmeshalle aufgenommen; 2014 erhielt er den Computer Pioneer Award der IEEE. Unser Video zeigt ihn auf der TED2016-Konferenz im kanadischen Vancouver.
Bekannt ist das Maskottchen von Linux, der Pinguin Tux. Weniger bekannt ist, dass das HNF einmal Linux-Geschichte schrieb. In der ersten WDR-Computernacht am 5./6. Dezember 1998 wurden mehr als 500 Computer zum größten Linux-Cluster zusammengeschlossen, den die Welt bis dahin erlebt hatte, siehe Bild unten (Foto: Jan Braun, HNF). Wer noch Lust auf Geburtstagsfeiern hat, kann im Oktober zu den „Linux-Festspielen“ nach Berlin fahren, wo gleich vier Konferenzen zum Betriebssystem stattfinden.
Eingangbild: Ben Tubby, CC BY-NC 2.0