50 Jahre SAP
Geschrieben am 31.03.2022 von HNF
1969 beschloss die Leitung von IBM, Hardware und Software getrennt abzurechnen. Nun konnten neue Unternehmen eigenständig Programme für IBM-Computer erstellen. Eines von ihnen war die Systemanalyse und Programmentwicklung GbR. Fünf ehemalige Mitarbeiter von Big Blue gründeten sie am 1. April 1972 in Weinheim; das Bürogebäude lag in Mannheim. Daraus wurde dann der Weltkonzern SAP.
Was die Champs Élysées für Paris und der Kurfürstendamm für Berlin, das sind die Planken für Mannheim. Die Geschäftsstraße durchzieht die Stadt von Nordwest nach Südost, gegen Ende erhebt sich ein Gebäude mit der kryptischen Adresse O 7, 12 . Dort begann im Frühjahr 1972 die Karriere einer Firma namens Systemanalyse und Programmentwicklung GbR. Die drei Buchstaben stehen für Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die einfachste deutsche Unternehmensform. Der offizielle Firmensitz war Weinheim.
Die obengenannte Gesellschaft nannte sich einige Jahre später nur noch SAP; wir möchten schon ab jetzt dieses Kürzel verwenden. Die Gründung der SAP fand am 1. April 1972 statt; die fünf Gründer hatten in der Mannheimer Filiale der IBM Deutschland GmbH gearbeitet. Der Mathematiker Hans-Werner Hector wurde am 17. Januar 1940 in Kaiserslautern geboren und studierte in Saarbrücken. Dietmar Hopp kam am 26. April 1940 in Heidelberg zur Welt; in Karlsruhe erwarb er das Ingenieur-Diplom für Nachrichtentechnik.
Dasselbe Fach studierte dort der am 21. Januar 1944 in Berlin geborene Hasso Plattner; die Eltern stammten aus Siebenbürgen. Klaus Tschira schloss seine Ausbildung gleichfalls in Karlsruhe und mit einem Physik-Diplom ab. Geboren wurde er am 7. Dezember 1940 in Freiburg; er starb am 31. März 2015 in Heidelberg. Der fünfte Gründer Claus Wellenreuther war Jahrgang 1935. In seiner Heimatstadt Mannheim studierte er Betriebswirtschaft und promovierte mit einer Arbeit über Unternehmensplanung. Er verließ die SAP 1980 aus gesundheitlichen Gründen.
In den frühen 1970er-Jahren kümmerten sich Dietmar Hopp und Hasso Plattner, noch im Dienst der IBM, um einen wichtigen Kunden in der nordbadischen Provinz. Am Rand des Städtchens Östringen hatte der britische Chemiekonzern ICI 1965 ein Werk für Kunstfasern errichtet. Durch die Produktion auf dem Kontinent entfielen die Einfuhrzölle der EWG, wie man damals die heutige Europäische Union nannte. Einen Eindruck von Land und Leuten vermittelt dieser historische Film. Elektronenrechner sieht man keine, doch das ICI-Werk nutzte bald ein System von Big Blue für die Auftragsabwicklung.
Dieses operierte noch mit der Stapelverarbeitung. Dabei werden Programme nacheinander abgearbeitet; der User sieht nur die Lochkarten mit den Eingaben und die Ausgaben des Computers. Dietmar Hopp und Hasso Plattner hatten in Östringen Zugang zu einer IBM 370, und für sie gab es schon Bildschirme. Die beiden schrieben nun ein Programm, bei dem man Daten am Terminal eingab. Der EDV-Leiter des Chemiewerks war begeistert und bat darum, weitere Aufgaben im gleichen Stil zu lösen. Hopp und Plattner wollten die Software außerdem anderen IBM-Kunden anbieten.
Ihre Vorgesetzten in Mannheim lehnten solche Ideen jedoch ab. Im Winter 1971/72 setzten sich Dietmar Hopp und Hasso Plattner deshalb mit ihren IBM-Kollegen Hans-Werner Hector und Klaus Tschira zusammen, worauf alle vier bei Big Blue kündigten. Zusammen mit Claus Wellenreuther – er hatte schon 1971 die IBM-Filiale verlassen – kam es zur Gründung der SAP. Einen Computer besaß die junge Firma noch nicht; gearbeitet wurde hauptsächlich vor Ort beim Kunden. Im Haus O 7, 12 hielt derweil eine Sekretärin die Stellung.
Die SAP war damals nicht das einzige deutsche Software-Unternehmen, das an den Start ging. Ab 1969 boten immer mehr Firmen Programmierdienste an, man denke an die Software AG in Darmstadt, das EDV Studio Ploenzke in Wiesbaden oder Softlab in München. Die Gründungswelle war auch die Folge einer Entscheidung des Computerherstellers IBM. Das Management beschloss 1969 das Unbundling, die getrennte Abrechnung von Hard- und Software. Sie veranlasste viele Spezialisten im Dienst von Big Blue, den Hut zu nehmen und in eigener Regie Programme zu erstellen.
Am Ende des ersten Geschäftsjahrs 1972 hatte die SAP neun Mitarbeiter und 640.000 DM Umsatz. 1973 brachte sie die Software RF zur Finanzbuchhaltung heraus; das R stand für „Real time“, ein alter IBM-Ausdruck für Online-Programme. Über die Arbeit der SAP für das ICI-Werk Östringen berichtete die Computerwoche im Juni 1975. Die Zahl der Kunden stieg, 1976 erwirtschafteten 25 Angestellte 3,8 Millionen Mark. Ein Jahr später verlegte die Firma ihren Sitz nach Walldorf bei Heidelberg; 1978 wurde der erste Computer angeschafft. 1980 bezog die SAP das erste eigene Gebäude.
1981 erschien ihr erster großer Hit, das Programmpaket R/2. Es deckte viele Bereiche der unternehmerischen Tätigkeit ab. Am 10. Geburtstag 1982 hatte die SAP 250 Firmenkunden, 24 Millionen DM Umsatz und rund hundert Mitarbeiter. 1988 ging sie an die Börse. Fünfzig Jahre nach der Gründung belegt sie fast eine kleine Stadt und fuhr knapp 28 Milliarden Euro Umsatz ein; der Jahresgewinn betrug gut fünf Milliarden. Weltweit arbeiten rund 100.000 Menschen für die SAP und machen sie damit zum größten europäischen Softwarehaus. Herzlichen Glückwunsch! (Eingangsbild SAP AG)
IBM hat nichts aus dem Debakel mit Bill Gates und dem Betriebssystem gelernt.