Aeneas Tacticus – der erste Kryptologe

Geschrieben am 12.09.2023 von

Geheime Nachrichten wurden schon in der Antike verschickt, man denke etwa an die Caesar-Verschlüsselung. Der erste Autor, der das Thema behandelte, hieß Aeneas; er lebte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhundert vor Christus in Griechenland. Man kennt ihn auch als Aeneas Tacticus. In seiner Schrift über Belagerungen finden wir einen längeren Abschnitt zur Kryptologie. 

Er trug einen großen Namen – ein Aeneas kommt im griechischen und im römischen Mythos vor – doch viel mehr wissen wir nicht über ihn. Vielleicht war er identisch mit Aeneas von Stympalos, einem Heerführer, der 362 vor Christus an der Schlacht von Mantineia teilnahm. Der Ort lag auf der Halbinsel Peloponnes; dort rangen verschiedene Stadtstaaten um die Vorherrschaft in Griechenland. Aeneas kämpfte auf Seiten der Arkader.

Spätere Autoren nannten ihn Aeneas Tacticus, was man hier mit Militärwissenschaftler übersetzen kann. Der Ausdruck „Taktik“ im Sinne der Truppenführung in einem Gefecht ist erst seit der frühen Neuzeit belegt. Aeneas war der erste Europäer, der Texte zur Kriegskunst verfasste, erhalten blieb eine Schrift über die Verteidigung von belagerten Städten. Sie entstand um das Jahr 360 vor Christus. Das 31. Kapitel widmet sich geheimen Botschaften, das ist eine englische und das eine deutsche Fassung.

Aeneas begann mit dem Verstecken von Mitteilungen. Das geschieht etwa durch Markieren von Buchstaben mit winzigen Punkten in einem Buch oder einem Brief. Er wird zugestellt, und die markierten Buchstaben liefern den Geheimtext, wenn man sie hintereinander liest. Heute nennt man die Technik Steganografie. Bei dem Historiker Herodot fand Aeneas die Geschichte des Sklaven, dem eine Nachricht auf den kahlen Kopf tätowiert wurde. Als genug Haar nachgewachsen war, ging der Sklave zum Adressaten, der dann den Kopf rasierte.

Ein antiker Würfel und zwei Astragale: das größere weist Löcher auf wie von Aeneas beschrieben. (Foto Diana Ringo CC BY-SA 3.0 AT seitlich beschnitten)

Auf das Verbergen von Nachrichten folgte das Chiffrieren. Dazu gab Aeneas mehrere Wege an; der erste basierte auf Astragalen. Das waren Knöchelchen aus den Sprunggelenken von Schafen, Ziegen oder Rindern; in der Antike dienten sie auch als Spielwürfel. Der Text macht aber nur Sinn, wenn man größere Knochen oder Röhrenknochen von Vögeln zulässt. In ein solches Astragal werden vier Reihen mit je sechs Löchern gebohrt; die Löcher stehen für die 24 Buchstaben des griechischen Alphabets.

Wenn man ein Wort, zum Beispiel TROIA, chiffrieren will, dann nimmt man einen Faden und zieht ihn nacheinander durch die Löcher für T, R, O, I und A. Das Astragal wird anschließend samt Faden an den Adressaten geschickt. Wir nehmen dabei an, dass er auf andere Weise die Position des A-Lochs erfuhr. Er ermittelt nun anhand des Fadens das chiffrierte Wort. Die Verschlüsselung ist aber nicht besonders sicher; ein Gegner, der in den Besitz der Botschaft kommt, kann durch Probieren leicht das Startloch herauskriegen.

Die geschilderte Chiffrierung funktioniert ebenso mit hölzernen Leisten und mit kleinen Holzscheiben, die mit 24 oder mehr Löchern versehen werden. Ein derartiges Scheibchen liegt in der Kryptologie-Abteilung des Deutschen Museums in München, es ist in unserem Eingangsbild zu sehen. Im praktischen Einsatz verzichtete man auf die explizite Angabe der Buchstaben. Der Absender und der Empfänger mussten vorher natürlich festlegen, wo genau am Rand der Scheibe das Alphabet begann.

Ein Polybios-Quadrat: der Sender teilt mit Rauch- oder Fackelsignalen die Nummer der Spalte und der Zeile mit, in denen der zu übertragende Buchstabe steht.

Neben stegano- und kryptographischen Verfahren erfand Aeneas noch einen Telegrafen. Er umfasst zwei gleich gebaute Wasseruhren, die Täfelchen mit Worten bewegen. Der Absender setzt die Uhr in Gang und signalisiert das mit einer Fackel dem Empfänger. Der startet seine Uhr und wartet. Wenn die Wasseruhr des Senders ein bestimmtes Täfelchen erreicht, gibt dieser ein zweites Signal. Der Empfänger stoppt daraufhin sein Gerät. Es zeigt den gleichen Text an: Er ist die Botschaft, die der Sender übermitteln wollte.

Die Arbeitsweise des Telegrafen beschreibt ganz gut dieses Video. Das Konzept überlieferte im zweiten Jahrhundert vor Christus der griechische Historiker Polybios; er stützte sich auf ein verloren gegangenes Buch von Aeneas. Der Historiker schuf dann ein verbessertes telegrafisches Verfahren, die Polybios-Chiffre. Dabei wird die Position eines Buchstabens in einem Quadrat durchgegeben. Die Chiffre lässt sich auch kryptologisch nützen. Dem Taktiker Aeneas bleibt der Ruhm, die Kryptologie in die Welt eingeführt zu haben.

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