Als der SPIEGEL online ging

Geschrieben am 18.10.2024 von

1994 erschien der SPIEGEL am Wochenbeginn; die Ausgabe von Montag, dem 25. Oktober, teilte mit, dass die Zeitschrift von nun an „über Internet“ Informationsseiten zu aktuellen Themen anbieten würde. So startete die Website SPIEGEL ONLINE oder SPON, die erste eines Nachrichtenmagazins. Seit dem 30. April 1994 konnte man die Zeitschrift schon auf CompuServe erreichen.

Vor dreißig Jahren hatte die Welt andere Sorgen als heute. Der SPIEGEL Nr. 43 – er war am 25. Oktober 1994 am Kiosk erhältlich – zeigte auf dem Cover ein Portrait von Prinz Charles. Für seine berufliche Zukunft befürchtete die Redaktion das Schlimmste, und sie fragte ängstlich: „Naht das Ende der Windsors?“

Im Heft ging es aber auch um neue Technik. Die Leser erfuhren von der Digitalisierung der amerikanischen Kongressbibliothek und vom Computerspiel Donkey Kong Country der Firma Nintendo. Gleich zu Anfang verkündigte eine Hausmitteilung, dass der SPIEGEL im Internet zu finden wäre; die Botschaft steht oben im Eingangsbild. Gemeint war ein Zugang zum World Wide Web über die Adressen http://hamburg.bda.de:800/bda/nat/spiegel/ und http://muenchen.bda.de/bda/nat/spiegel/. In der Fachliteratur findet man außerdem http://www.uni-stuttgart.de/bda/int/spiegel/.

Die Seiten folgten auf ein CompuServe-Forum, das das Magazin schon am 14. März 1994 beschrieb; die Idee hatte Verlagsleiter Fried von Bismarck. Eröffnet wurde das Forum am 30. April mit der CompuServe-Nummer 100064,3164. Die neuen SPIEGEL-Internetseiten brachten ab Oktober 1994 nur Artikel aus dem Heft, allerdings zwei Tage vor der Druckausgabe; 1995 erschienen eigene Beiträge. Der älteste Screenshot stammt aus dem gleichen Jahr; aus dem Juni 1996 ist diese Ausgabe überliefert. Inzwischen hieß die Anschrift www.spiegel.de. SPIEGEL ONLINE führte dann oft zum Kürzel SPON. Dieser Link leitet in den Dezember 1996.

Das Produkt der Redakteure Uly Foerster und Gerd Meißner gilt als die erste Website eines Nachrichtenmagazins. Das US-Blatt TIME ging erst am 26. Oktober 1994 ins Netz. Nach dem Start lasen 52.000 User pro Monat den Online-SPIEGEL; im Januar 1996 waren es 237.643, die 800.000 Druckseiten anschauten. Im Juli 2004 zählte SPIEGEL ONLINE 39 Millionen Besuche und 200 Millionen Seitenaufrufe. Im Herbst 2014 gab es mehr als zehn Millionen feste Nutzer. An den Schreibtischen und Monitoren im Hamburger SPIEGEL-Haus widmeten sich zweihundert Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dem Online-Geschäft.

Die berühmte Internet-Kaffeemaschine aus Cambridge

Schon im Jahr 2000 erfolgte die Gründung der SPIEGELnet AG, die die Internet-Aktivitäten der SPIEGEL-Gruppe bündelte. 2003 wurde aus der AG eine GmbH. Eine echte Innovation war 2007 das zeitgeschichtliche Portal einestages. 2010 konnten Besitzer von Smartphones ein SPIEGEL-Heft als App lesen. 2019 fusionierten die Redaktionen von SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE, 2020 erfolgte die Umbenennung in DER SPIEGEL. Die Betreiberin der Seite ist die DER SPIEGEL GmbH & Co. KG, eine Tochterfirma des Spiegel-Verlags.

Für unseren Blog ist natürlich die Funktion wichtig, mit der man in älteren SPIEGEL-Ausgaben mit Suchworten recherchieren kann. Sie wurde 2008 installiert und später eingeschränkt. Wer etwa den Artikel über Konrad Zuse von 1949 lesen will, muss in das Internet Archive wechseln, sofern er die gelöschte Adresse weiß. Dankbar sind wir aber für die Leihgabe, die die Internet-Wand des HNF schmückt. Die Kaffeemaschine der Universität Cambridge stand im Fokus der ersten Webcam der Welt. SPIEGEL ONLINE erwarb das Gerät 2001 auf Ebay.

Einen Überblick über die frühen Jahre von SPIEGEL ONLINE liefert ein Text von 2004 mit dem Titel Surfen wie 1996. Genau in diesem Jahr erschien auch ein langer SPIEGEL-Artikel über das junge World Wide Web und seine Folgen für Mensch und Gesellschaft. Schließen wollen wir aber mit einem amüsanten Roman von Hellmuth Karasek, der von 1974 bis 1996 bei der Zeitschrift arbeitete. Das Magazin wurde 1998 veröffentlicht; dreimal darf man raten, welche Publikation Karasek aufs Korn nahm. Leider schrieb er nichts zu ihrer Internet-Abteilung.

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