AMD – der ewige Zweite
Geschrieben am 29.04.2019 von HNF
Vor fünfzig Jahren, am 1. Mai 1969, gründeten acht Mitarbeiter der Halbleiterfirma Fairchild die Advanced Micro Devices Inc., abgekürzt AMD. Chef wurde der Vertriebsmanager Jerry Sanders. AMD fertigte zunächst Computerbausteine in Lizenz. Später entwickelte man eigene Prozessoren. Neben dem Lebensstil von Jerry Sanders gingen die Gerichtsverfahren zwischen AMD und Marktführer Intel in die IT-Geschichte ein.
Konkurrenz belebt das Geschäft. Die altdeutsche Kaufmannsweisheit gilt nirgends so sehr wie in der Mikroelektronik. 1957 verließen die Treulosen Acht den Transistor-Erfinder William Shockley und starteten im kalifornischen Palo Alto die neue Firma Fairchild Semiconductor. Elf Jahre später trennten sich Gordon Moore und Robert Noyce von Fairchild und gründeten die Chipschmiede Intel. Sie saß im Nachbarort Mountain View; später zog sie ein Stück weiter östlich nach Santa Clara.
Intel war nicht das einzige der „Fairchildren“. Schon vorher entstanden in ähnlicher Weise die Elektronik-Unternehmen Rheem, Amelco und Signetics. Nach dem Weggang von Moore und Noyce erhielt Fairchild ein neues Management. Kurz danach gab es den nächsten Exodus. Diesmal waren es sechs Ingenieure und zwei Vertriebsmanager. Am 1. Mai 1969 wurde die Advanced Micro Devices Inc. ins Handelsregister eingetragen, abgekürzt AMD. Sitz der Firma war Santa Clara; ab September 1969 residierte sie im nahen Sunnyvale.
Chef des Unternehmens wurde Walter Jeremiah Sanders, besser bekannt als Jerry Sanders. Geboren 1936 in Chicago, wuchs er bei den väterlichen Großeltern und in bescheidenen Verhältnissen auf. 1958 erwarb er dank eines Stipendiums den Bachelor in Elektrotechnik. Anschließend arbeitete er beim Flugzeughersteller Douglas und bei der Elektronik- und Kommunikationsfirma Motorola. 1961 wechselte Sanders in den Vertrieb von Fairchild Semiconductor; hier brachte er es bis zum globalen Marketingleiter. 1968 wurde er aber von heute auf morgen entlassen.
Sanders tat sich dann, wie oben erwähnt, mit sieben absprungwilligen Kollegen zusammen. Als schwierig erwies sich die Beschaffung des Startkapitals. Robert Noyce investierte schließlich einen größeren Betrag; das lockte weitere Geldgeber an. In den ersten Jahren arbeitete AMD als Second Source für andere Elektronikfirmen. Mit anderen Worten, sie fertigte Kopien von existierenden Halbleiter-Bausteinen in Lizenz. Geschäftspartner waren Fairchild Semiconductor und die Intel Corporation.
Das erste AMD-Produkt war ein Vier-Bit-Schieberegister. Ende 1970 brachte die Firma das erste selbst geschaffene Erzeugnis heraus, den Digitalzähler Am2501. 1974 hatte AMD schon 1.500 Beschäftigte, und Jerry Sanders konnte sich über 25 Millionen Dollar Umsatz freuen. 1975 erschienen die ersten von AMD entwickelten Mikroprozessoren, die Am2900-Familie. Dabei handelte es sich um ein Baukastensystem, dessen Elemente sich zu größeren Prozessoren kombinieren ließen. Der Fachausdruck dafür lautet Bit-Slice.
1976 unterzeichneten die Spitzen von AMD und Intel den ersten von mehreren Überkreuz-Verträgen: sie erlaubten jeder der beiden Firmen, bestimmte Produkte der anderen zu kopieren. Als IBM 1981 den Personal Computer auf den Markt brachte, durfte AMD den darin enthaltenen Prozessor Intel 8088 unter dem Namen Am8088 nachbauen und verkaufen. Dabei unterlief Jerry Sanders eine seiner seltenen Fehleinschätzungen. Er hielt den IBM PC zunächst für eine Modeerscheinung – „just a fad“.
Er dachte schnell um, und AMD produzierte nach dem 8088 auch den 80286-Chip. Beim Nachfolger 80386 mit 32 Bit legte sich Intel jedoch quer und untersagte die Zweitfertigung. Es begann ein epischer Rechtsstreit, den AMD 1991 gewann. Der Am386 durfte auf den Markt. Noch vor Jahresfrist wurden eine Million Stück verkauft. AMD lernte dann, in eigener Regie hochwertige Mikroprozessoren zu entwerfen. Der Athlon K7 war anno 2000 der erste „Dreisechsundachtziger“ mit einer Taktrate von einem Gigahertz.
Die Chiphersteller gerieten später noch einige Male aneinander. Im November 2009 zahlte Intel dem Erzrivalen AMD schließlich eineinviertel Milliarden Dollar, um alle laufenden Gerichtsverfahren zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt war Jerry Sanders schon nicht mehr der Chef; er ging 2002 in den Ruhestand. Danach lösten sich drei Männer, Hector Ruiz, Dirk Meyer und Rory Read, an der AMD-Spitze ab. Seit 2014 wird das Unternehmen von der in Taiwan geborenen Ingenieurin und IT-Managerin Lisa Su gelenkt.
In den letzten Jahren machte AMD tiefgreifende strukturelle Änderungen durch. 2006 übernahm die Firma den Grafikkarten-Hersteller ATI für 5,4 Milliarden Dollar. Drei Jahre später trennte sie ihre Fertigung ab; dazu gehörten auch die seit 1998 aufgebauten Produktionsstätten in Dresden. 2014 teilte sich AMD in zwei Geschäftsbereiche für Prozessoren und für Server auf. 2018 lag der Umsatz bei 6,5 Milliarden Dollar und der Nettogewinn bei 337 Millionen. Der große Konkurrent Intel setzte zur gleichen Zeit 70,8 Milliarden um und erlöste 21,1 Milliarden.
Intel ist eben Nummer Eins. Einzigartig bleibt aber AMD-Gründer Jerry Sanders. In jungen Jahren war er der bestangezogene Firmenchef weit und breit; später legte er sich einen weißen Bart und einen ebensolche Föhnwelle zu. Hier sieht man sie in einem Video von 2013. Er besaß eine soziale Ader und vermied auch in Absatzkrisen größere Entlassungen. Von den Gründervätern des Silicon Valley ist Jerry Sanders fast der Letzte, „the last man standing“, um ihn zu zitieren. Seiner Firma gratulieren wir herzlich zum 50. Geburtstag.