Ariolasoft – Computerspiele aus Ostwestfalen
Geschrieben am 30.09.2022 von HNF
Am Sonntag, dem 2. Oktober, findet im HNF wieder das Retro Computer Festival statt. Deshalb befassen wir uns heute mit der Firma Ariolasoft, deren Produkte einst viele User erfreuten. Sie startete 1982 oder 1983 als Teil eines Münchner Plattenlabels. Ab 1986 saß sie in Gütersloh; sie war der wohl größte deutsche Distributor von digitalen Spielen.
Es begann am 12. Mai 1958. An diesem Tag erhielt die Bertelsmann-Firmengruppe einen Neuzugang, das Schallplattenlabel Ariola. Es hatte einen guten Start. 1959 klingelten die Kassen dank des Liedes Am Tag als der Regen kam der Sängerin Dalida; Ältere kennen den Banjo Boy des dänischen Duos Jan & Kjeld. In den 1960er-Jahren verpflichtete das Label populäre Künstler wie Peter Alexander, Rex Gildo, Udo Jürgens oder Mireille Mathieu. 1969 zog es von Gütersloh nach München. In den Siebzigern setzte sich der Aufwärtstrend fort.
1982 oder 1983 – die Quellen widersprechen sich – wurde in der Firma eine Abteilung für Computerspiele geschaffen. Sie trug den Namen ariolasoft; wir möchten sie Ariolasoft mit großem A schreiben. Der Produktmanager hieß Wolfram von Eichborn, bekannt ist zudem, dass der Engländer Stephen Molyneux ab 1985 „Head of Software“ war. Er hatte zuvor bei der deutschen Atari-Filiale in Hamburg gearbeitet. Die ersten Erzeugnisse von Ariolasoft waren Module für die Spielkonsole Atari 2600. Die Originalprogramme kamen vom kalifornischen Entwicklungsstudio Activision.
Das Angebot von Ariolasoft wurde größer. Zu Activision gesellten sich die amerikanischen Spiele-Lieferanten Broderbund, Creative Software, Electronic Arts, HesWare und Synapse; neben den Atari-Modulen gab es solche für den Commodore VC-20 sowie Disketten und Kassetten für andere Acht-Bit-Computer. Ariolasoft verkaufte nicht nur Games, sondern auch Lernprogramme; das Einstiegsalter lag bei sechs Jahren. Einen guten Überblick liefert ein Katalog, der 1984 oder 1985 erschien (und dem vermutlich eine Seite fehlt).
An Klassikern entdeckten wir das Fliegerspiel Blue Max, den Weltraumshooter Zaxxon mit isometrischen Perspektive und den im Zeppelin getätigten Murder on the Zinderneuf. Wer genau hinschaut, findet noch drei deutsche Programme, die Wirtschaftssimulation Kaiser, das Geschichtsquiz „Die Zeitmaschine“ alias Masters of Time und den Ski-Weltcup. Die Rückseite des Katalogs schmückt „Das Geheimnis der Azteken-Maske“, im amerikanischen Original The Mask of the Sun. Die angepriesene faszinierende Spielidee bestand darin, dass die Maske ein Textabenteuer mit Standbildern und einigen Animationen war.
Am 5. März 1986 startete eine neue Etappe in der Firmengeschichte. In Gütersloh erfolgte die Gründung der Ariolosoft GmbH, in eigener Schreibweise Ariola Soft. Geschäftführer wurde Hans-Joachim Krusche. 1988 zog das Unternehmen in das südlich von Gütersloh gelegene Rietberg um. Zu diesem Zeitpunkt war es mit einem Anteil von 45 Prozent der Marktführer in der Spielesoftware. Ein Katalog von 1987 zeigt die Produktpalette, die sich durch weitere Zulieferer vergrößert hatte. Bitte die Preisangaben beachten!
Das Verzeichnis umfasst die typischen unterhaltsamen Computerspiele, Software zum Malen, zur Bildbearbeitung, für Musik und für Filme, Büroprogramme aller Art, Flug- und Hubschraubersimulatoren, zwei Schachprogramme und zwei zur Online-Kommunikation. Der Kaiser ist noch verfügbar, außerdem ein ähnliches Spiel über die Hanse. Gegen Ende führt der Katalog 36 Spielkassetten für 9,95 DM auf; er schließt mit drei Seiten zum Sega Master System. Ariolasoft bezeichnete die Konsole als programmierten Wahnsinn.
1990 erhoffte die Firma einen Marktanteil von siebzig Prozent in der nächsten Zukunft. In jenem Jahr gab jedoch Bertelsmann den Bereich Software auf und verkaufte Ariolasoft an Hans-Joachim Krusche. Der Verlag wurde in United Software umbenannt. 1993 fand die Übernahme durch den deutschen Zweig des australischen Unternehmens MicroProse statt, das wiederum von der amerikanischen Spectrum HoloByte Inc. geschluckt wurde. So endete ein Jahrzehnt, in dem Ostwestfalen Software-Geschichte schrieb.
Wir möchten noch einen Aspekt der Spielkultur betrachten, den Kampf der Verlage gegen sogenannte Raubkopierer. Sie knackten die Kopiersperre der Disketten und gaben die Inhalte gratis oder zu einem kleinen Preis weiter. 1984 und 1985 berichtete der SPIEGEL; hier geht es zum Artikel eines Computermagazins. Ariolasoft kämpfte damals mit und sicherte sich den Beistand des Münchner Advokaten Günter Freiherr von Gravenreuth. Er wurde später als „Abmahn-Anwalt“ bekannt, kam aber selbst mit dem Gesetz in Konflikt und starb 2010.
Zum Schluss laden wir die Leserinnen und Leser zum Retro Computer Festival ins HNF ein. Es läuft am Sonntag von 10 bis 18 Uhr; in dieser Zeit ist der Eintritt ins gesamte Hause frei. Beteiligt ist das Dortmunder Retro Computer Treffen DoReCo. Wir bitten darum, die im HNF gültigen Besuchsregeln zu beachten. Das Foto unten zeigt die Computerspiel-Abteilung.