BlackBerry – Aufstieg und Fall eines Smartphones
Geschrieben am 28.04.2023 von HNF
Bei den Berliner Filmfestspielen 2023 lief auch der kanadische Streifen „BlackBerry“. Er schildert die Geschichte der Firma Research in Motion, die die BlackBerry-Smartphones produzierte. Die Geräte mit den winzigen Tasten waren einst Kult, in den 2010er-Jahren zogen aber Apple- und Android-Smartphones an ihnen vorbei. Die Firma existiert noch, sie stellt aber keine Hardware mehr her.
„Man hält das Gerät mit beiden Händen am unteren Gehäusedrittel, und die beiden Daumennägel treffen die Tasten erstaunlich sicher und hinreichend fix. Die Tasten selbst sind aus einem harten Kunststoff und nicht aus klebrigem Moosgummi. Mit gut fühlbarem Druckpunkt ist das Verfassen kurzer Texte jedenfalls keine besondere Tortur.“
Willkommen in der Welt des BlackBerry! Die Passage stammt aus einem SPIEGEL-Online-Beitrag vom 13. August 2002. Er war einer der ersten Artikel, der das mobile Mail-Telefon hierzulande vorstellte. Angeboten wurde es von T-Mobile und der spanischen Telefónica; letztere verlangte 59 Euro pro Monat und Endgerät. Die Kosten für Hard- und Software beliefen sich laut SPIEGEL auf 10.000 Euro. Zwei Jahre später sank die Monatsgebühr auf knapp zwanzig Euro; das BlackBerry selbst war dank Subventionen so gut wie kostenlos.
Die BlackBerry-Geschichte begann am 7. März 1984 im kanadischen Waterloo – die Stadt liegt 100 Kilometer westlich von Toronto. Damals gründeten die Studenten Douglas Fregin und Mike Lazaridis die Firma Research In Motion, abgekürzt RIM. Fregin war Jahrgang 1960, Lazaridis ein Jahr jünger. Er wurde in Istanbul geboren; die Familie gehörte zur griechischen Minderheit in der Türkei. Sie wanderte aus und kam über die Zwischenstation Deutschland nach Kanada. Lazaridis wuchs in Windsor nahe Detroit auf und studierte Informatik an der Universität von Waterloo.
Die junge Firma bezog Räume über einer Bäckerei, ihr erstes Produkt war ein Fernseher, der getippte Texte anzeigte. Allerdings gab es schon 1973 in den USA den TV Typewriter; das RIM-Gerät verkaufte sich schlecht. Lazaridis, Fregin und ihre Kollegen lebten von der Hand in den Mund. Etwas besser gingen die Geschäfte, als sie das schwedische Datennetz Mobitex entdeckten und dafür Anwendungen entwickelten. 1992 stieß der 31 Jahre alte Manager Jim Balsillie zu RIM. Er betreute die finanzielle Seite des Unternehmens, während Mike Lazaridis die technische Direktion innehatte.
1996 brachte RIM den ersten Inter@ctive Pager heraus, der eine QWERTY-Tastatur besaß; man konnte mit ihm kurze Zeichenfolgen empfangen und abschicken. Im Januar 1999 stellte die Firma in München das erste Produkt mit dem Namen BlackBerry vor, auf Deutsch die Brombeere. Das BlackBerry 850 enthielt einen Chip vom Typ Intel 80386; es empfing und sendete Mails, speicherte Daten und Adressen und besaß eine Taschenrechner-Funktion. Das Display umfasste 132 mal 65 Pixel. Das nur neun Zentimeter breite Gerät kostete in den USA 399 Dollar.
1998 ging Research In Motion an die Börse, zwei Jahre später berichtete das Fernsehen. Im März 2002 erschien das BlackBerry 5810 zum Telefonieren; man benötigte allerdings noch einen Ohrhörer. Die Nachfolger 6710 und 6720 ließen sich an den Kopf halten; sie wiesen die kleinen und leicht schrägen BlackBerry-Tasten auf. Nun begannen die Brombeeren einen raketenhaften Aufstieg. Im Februar 2004 war die erste Million verkauft, im November die zweite. Sechs Monate später hatten drei Millionen Geräte einen Nutzer gefunden.
Die BlackBerries machten süchtig – die Presse erfand den Begriff „CrackBerry“ nach dem Rauschmittel – und wurden zu einem Kulturphänomen. Sie tauchten in Fernsehserien, einem Buchtitel und einem klassischen BBC-Sketch auf. Im Dezember 2006 nannte die Computerworld das BlackBerry 8100 das „smart phone of the future“. Prominentester User war US-Präsident Barack Obama. Er schätzte das Smartphone wohl auch wegen der sicheren Verschlüsselung der Mails. Research In Motion entwickelte schon 2003 in Zusammenarbeit mit Geheimdiensten ein „CryptoBerry“.
Am 9. Januar 2007 änderte sich die Smartphone-Welt, als Apple-Chef Steve Jobs das iPhone vorstellte. Das BlackBerry blieb noch ungefährdet. Im September 2010 nutzten 22 Millionen Amerikaner das RIM-Gerät; das waren über ein Drittel aller Smartphone-Besitzer. Die iPhones holten aber auf, ebenso die Android-Handys. Mike Lazaridis und Jim Balsillie erweiterten die Fähigkeiten ihrer Produkte, doch sie schafften es nicht, alte Marktanteile zurückzugewinnen. Am 22. Januar 2012 räumten sie ihre Chefsessel. Ihr Nachfolger an der Firmenspitze wurde Thorsten Heins, ein gebürtiger Niedersachse.
Heins führte für die Smartphones ein neues Betriebssystem ein, außerdem nannte er die Mutterfirma Research in Motion in BlackBerry um. Im November 2013 wurde er aber durch den aus China stammenden John Chen abgelöst. Chen tat das einzig Vernünftige: Er gab die Hardware-Produktion auf und konzentrierte sich auf Software für Cybersicherheit und Automobile. BlackBerry überlebte, doch als eine ganz andere Firma. Der Support für ältere Smartphones endete am 4. Januar 2022, für einige gibt es noch Informationen im Internet.
2015 erschien das Sachbuch Losing the Signal. Es war die Basis des Films BlackBerry, die Premiere erfolgte am 17. Februar 2023 in Berlin. Der Streifen beschreibt den Aufstieg der Firma Research In Motion und die daran beteiligten Persönlichkeiten. Er startete am 12. Mai in Kanada – das ist der Trailer. Unser Eingangsbild zeigt natürlich ein BlackBerry, das Modell 7290 aus dem Jahr 2004.