Boom für Zoom
Geschrieben am 20.04.2021 von HNF
Am 21. April 2011 gründete der gebürtige Chinese Eric Yuan in Kalifornien die Firma Saasbee. Ein Jahr später wurde sie in Zoom umbenannt. Im August 2012 erschien ihr wichtigstes Produkt, ein System für Videokonferenzen im Internet. Die einfache Bedienung, die geringen Kosten und die Corona-Pandemie machten es zum beliebtesten Programm seiner Art in der Welt.
Ein alter Techniktraum ist der vom Bildtelefon. 1878 stellte die Humorzeitschrift „Punch“ das Telephonoskop vor; im 20. Jahrhundert wurden immer neue Versuchsmodelle entwickelt. Durchgesetzt hat sich keines, doch ab 2003 verbreitete sich die Software Skype für das Internet. Eine Verwandte des Bildtelefons ist die Videokonferenz. 1971 stellte die britische Post das erste System vor. Es hieß Confravision und ist hier in der Wochenschau zu sehen.
Ein Jahr zuvor, am 20. Februar 1970, wurde in der Millionenstadt Tai’an im Osten Chinas Yuán Zhēng geboren; der Familienname steht am Anfang. Der Vater war Bergbauingenieur. Nach Abschluss der Schule studierte Yuán Zhēng Mathematik, Informatik und Geologie. 1994 verbrachte er vier Monate in Japan; dort hörte er einen Vortrag von Bill Gates, der das Land besuchte. Besonders beeindruckten ihn die Hinweise auf das Internet. Damit sah er vermutlich klarer als Bill Gates selbst, der damals Netzwerke noch skeptisch betrachtete.
Der junge Chinese setzte dann alles daran, in die USA zu kommen; nach neun Anträgen erhielt er 1997 ein Visum. Er schloss sich der Firma ActiveTouch an, die im Silicon Valley Konferenzprogramme für das Internet anbot. Ihre wichtigste Software hieß WebEx, später nannte sich das Unternehmen so. Auch Yuán Zhēng schrieb sich bald anders, nämlich Eric Yuan. 2007 wurde WebEx vom Netzwerk-Riesen Cisco übernommen; Yuan erhielt den Posten des technischen Direktors. Im gleichen Jahr wurde er US-Bürger.
Nach einigen Jahren fühlte er sich unter der neuen Oberleitung nicht mehr wohl. Seine Ideen für bessere Produkte wurden vom Cisco-Management abgewiesen, es blieb ihm nur noch ein Weg: Am 21. April 2011 gründete er eine eigene Firma. Sie saß im Silicon-Valley-Ort Santa Clara und trug zunächst den Namen Saasbee; im Mai 2012 änderte sich der Name zu Zoom. Mit vierzig Helfern und drei Millionen Dollar von Investoren ging Eric Yuan an die Entwicklung einer neuen Software für Videokonferenzen.
Ehe wir darauf eingehen, möchten wir einen Ausflug in die Geschichte der Videokonferenz unternehmen. Elf Jahre nach dem britischen Confravision-System boten die amerikanische Compression Labs eine Anlage an: sie kostete 250.000 Dollar, dazu kamen 1.000 Dollar pro Stunde für die Leitungen. Auf der Berliner Funkausstellung von 1983 zeigte die Deutsche Bundespost gleich zwei Systeme. Eines übertrug über Glasfaser-Kabel die Sitzungen in Farbe, das andere sendete sie schwarzweiß über einen Nachrichtensatelliten der ESA.
Im November 1985 zählte der SPIEGEL zwölf Videokonferenz-Studios der Post, die jedoch nicht billig waren. Die Autobauer Ford und Daimler-Benz besaßen eigene Anlagen. 1987 richtete die Firma Nixdorf zwei Studios in Paderborn und München ein; außerdem lieferte sie einen Computer an den Reservierungsplatz der Bundespost in Köln. Es entstanden weitere Studios; die hohen Gebühren und das komplizierte Anmeldeverfahren schreckten aber potenzielle Nutzer ab. Ab 1990 waren Videokonferenzen über ISDN möglich.
Einen Auftrieb erhielt die Technik durch das Internet. Seit 1996 gibt es für Online-Meetings den internationalen Standard H.323, es bildete sich ein Markt für die nötige Software heraus. Das System von Eric Yuan wagte sich am 22. August 2012 in Gestalt einer Beta-Version hinein; sie trug den Namen Zoom.us. Er hat nichts mit dem optischen Zoomen zu tun, sondern geht auf das lautmalerische Wort zurück, das in Amerika die Geräusche von Autos beschreibt. Die deutsche Entsprechung wäre also Wrumm oder Wromm.
Mit einem begeisterten Artikel kündigte das „Wall Street Journal“ Zoom.us an; Autor Walter Mossberg lobte das System auch im Video. Besonders gefiel ihm, dass Zoom auf jeder Hardware-Plattform lief und für maximal 15 Teilnehmer kostenlos war. Im November 2012 akquirierte Eric Yuan mit der Stanford-Universität einen zahlenden Großkunden. Am 28. Januar 2013 lag die erste reguläre Version Zoom 1.0 vor. Sie ermöglichte Videokonferenzen mit 25 Teilnehmen; nach 40 Minuten musste eine geringe Gebühr entrichtet werden.
Damals hatte Zoom tausend Kunden und verzeichnete 130.000 Konferenzen mit 400.000 Teilnehmen. Im Mai 2013 erhöhten sich die Zahlen auf 400.000 Meetings mit einer Million Personen. Der Rest ist Statistik. Im Februar 2015 meldete die Firma 65.000 registrierte Nutzer und 40 Millionen Konferenzteilnehmer. Am 18. April 2019 ging Eric Yuan an die Börse; am Abend des Tages war das Unternehmen 16 Milliarden Dollar wert. Im Januar 2020 arbeiteten 2.500 Menschen für Zoom, davon 1.400 in den USA und Hunderte in China.
Im Geschäftsjahr 2020/21 nahm Zoom 2,65 Milliarden Dollar ein. Im Vorjahr betrug der Umsatz erst 623 Millionen. Ein Grund für den Höhenflug war sicher die Covid-Pandemie. Wie jede Firma ihrer Größe steckte Zoom auch Kritik ein. So erlaubte die zunächst mangelhafte Verschlüsselung das böswillige Stören von Videokonferenzen, das Zoombombing – das Wort stammt vom FBI. Eric Yuan gelobte schon im April 2020 Besserung; im Dezember erschien ein Transparenzbericht. Wir empfehlen jedenfalls allen Zoom-Nutzern ein genaues Studium der Datenschutz-Informationen, die das Unternehmen inzwischen anbietet.
Zoom hat durchaus Konkurrenten, zum Beispiel die Open-Source-Software Jitsi Meet. Das Unternehmen bleibt aber Marktführer bei Videokonferenzen. Es bereicherte überdies die Internet-Kultur um eine Fülle von Patzern und Pannen. Man findet sie auf YouTube mit den Suchworten Zoom Fails. Der berühmteste Zwischenfall ist der mit dem Anwalt, der sich in eine sprechende Katze verwandelte. Sein Ausruf „I’m not a cat“ schrieb Rechtsgeschichte. Er gewann dennoch seinen Prozess; hier ist er als Mensch zu sehen.