COBOL – Computersprache fürs Geschäft
Geschrieben am 07.01.2020 von HNF
Die „Common Business Oriented Language“ ist auf Deutsch die allgemein einsetzbare Sprache für geschäftliche Zwecke. Die Abkürzung des englischen Ausdrucks lautet COBOL; sie bezeichnet eine Programmiersprache, die in vielen Ländern benutzt wurde und wird. Die Entwicklung von COBOL startete 1959. Vor sechzig Jahren, am 7. und 8. Januar 1960, wurde die Urversion der Sprache freigegeben.
In den 1950er-Jahren entstand in den USA der Spruch, ein Kamel wäre ein Rennpferd, das ein Komitee geschaffen hätte. Er verrät Skepsis gegenüber Wüstentieren, Arbeitsgruppen und ihren Resultaten; Tatsache ist aber, dass eine höchst erfolgreiche Software aus der Tätigkeit von Komitees hervorging. Vielleicht waren die endlosen Meetings von Ausschüssen und Unterausschüssen genau das Richtige für COBOL, die Programmiersprache fürs Büro.
Den Anstoß zu COBOL gab kein Komitee, sondern eine Frau. Mary Hawes erstellte Software für die Addierer- und Computerfirma Burroughs; sie saß in Kalifornien. Im März 1959 rief sie den Chef des Rechenzentrums von Burroughs in Philadelphia an; zuvor schickte sie einen Brief an Grace Hopper. Die Computerpionierin arbeitete gleichfalls in Philadelphia; sie war Chefin der Software-Entwicklung des Remington-Rand-Konzerns. Er baute Großrechner der bekannten Marke Univac.
Mary Hawes schlug den Kollegen vor, eine neue Programmiersprache auf den Weg zu bringen. Das Zentrum der Computerwelt lag damals nicht am Pazifik, sondern im Osten der USA; dort sollten Hardware-Hersteller und -Nutzer angesprochen werden. Die Burroughs-Entwicklerin dachte an eine Software für betriebswirtschaftliche Zwecke, die auf allen möglichen Plattformen laufen sollte. Bislang war als variabel einsetzbare Sprache Fortran verfügbar; es diente in Wissenschaft und Technik. In der Entwicklung befand sich ALGOL.
Die Anregung von Mary Hawes führte Ende März zum ersten Meeting der COBOL-Geschichte. Einige Experten, meist von IT-Firmen, trafen sich in Philadelphia im Büro des Mathematikers Saul Gorn; ihm unterstand das Rechenzentrum der örtlichen Universität. Die wichtigste Entscheidung war, sich zwei Wochen später erneut zu treffen. Diesmal nahm auch Grace Hopper teil. Sie gab den entscheidenden Hinweis auf Charles Phillips, einen Beamten des US-Verteidigungsministeriums. Er leitete eine Forschungsgruppe für Computersysteme.
Für den 28. und 29. Mai 1959 lud Phillips rund vierzig Fachleute ins Pentagon ein. Je fünfzehn kamen von Regierungsämtern und Computerherstellern, zehn von Firmen, die Computer nutzten. So begann die eigentliche Arbeit an der Programmiersprache. Man legte Merkmale fest, etwa Benutzerfreundlichkeit; außerdem wurden ein Lenkungsausschuss, ein kurz- und ein mittelfristiges Komitee gegründet. Ersteres sollte bis zum 1. September 1959 bereits vorhandene Sprachen analysieren und auf dieser Basis eine neue formulieren.
Das kurzfristige Komitee blieb dann länger zusammen. Erst am 7. November 1959 lag der Entwurf eines Abschlussberichts vor. Er ging auf ein sechsköpfiges Team zurück, dem zwei Frauen angehörten, Jean Sammet aus der Firma Sylvania und Gertrude Tierney von der IBM. Das neue COBOL – der Name war im Lenkungsausschuss gefunden worden – übernahm manches von der älteren Sprache FLOW-MATIC. Diese hatte Grace Hopper für Univac-Computer entwickelt. Ein typisches Merkmal war die Verwendung englischer Worte.
Im November und Dezember 1959 beriet das kurzfristige Komitee den Schlussbericht; die finale Version übergab es dem Exekutivkomitee des Lenkungsausschusses. Dieser hieß mittlerweile CODASYL – Conference on Data Systems Languages. Das Exekutivkomitee traf sich am 7. und 8. Januar 1960 in Washington und segnete den COBOL-Report ab. Am Tisch saßen sieben Männer, doch wurde Grace Hopper als Beraterin gehört. Unser Eingangsbild (Foto Computer History Museum) zeigt sie mit der Druckfassung des Berichts vom April.
So endete eine der wichtigsten bürokratischen Prozeduren des Computer-Zeitalters. Im Dezember 1960 folgte der entscheidende Test: das gleiche COBOL-Programm lief auf zwei unterschiedlichen Rechnern, einer RCA 501 und einer UNIVAC II. Möglich machten es die Compiler, die für die Systeme geschrieben wurden; solche Übersetzungsprogramme sind für höhere Programmiersprachen unverzichtbar. In der Folgezeit verbreitete sich COBOL über die fünf Kontinente; selbst die ESER-Computer des Ostblocks verstanden die Sprache.
Was einst über den VW-Käfer gesagt wurde, gilt auch für COBOL: es läuft und läuft und läuft. Schlagzeilen machte die Sprache im Rahmen des Jahr-2000-Problems, doch das Ende der Welt blieb aus. Wer noch COBOL-Akten studieren möchte, findet hier und hier Berichte von Charles Phillips von 1960, bitte bis PDF-Seite 8 bzw. 6 vorblättern. Schöne Dokumente zur COBOL-Geburt besitzt das National Museum of American History, und das ist die wahre Geschichte des COBOL-Grabsteins. Sie beginnt auf PDF-Seite 10 – Achtung, dicke Datei!