Computer und Konservenknilche
Geschrieben am 16.09.2016 von HNF
Die siebenteilige Serie „Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion“ ist singulär im deutschen Fernsehen. Vor 50 Jahren, ab dem 17. September 1966, entführte sie die Zuschauer in eine Zukunftswelt, in der ein Krieg der Sterne zwischen Menschen und Außerirdischen tobte. Sie war außerdem die erste deutsche TV-Produktion, in der Roboter und ein Computer auftraten.
„Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum. Man siedelt auf fernen Sternen. Der Meeresboden ist als Wohnraum erschlossen. Mit heute noch unvorstellbaren Geschwindigkeiten durcheilen Raumschiffe unser Milchstraßensystem. Eins dieser Raumschiffe ist die Orion, winziger Teil eines gigantischen Sicherheitssystems, das die Erde vor Bedrohungen aus dem All schützt.“
Am Samstag, dem 17. September 1966, ertönten diese Worte im 1. Programm der ARD. Nach Tagesschau und Ansage – die gab es damals noch – leiteten sie die Startfolge der Raumpatrouille ein, der ersten deutschen Science-Fiction-Serie. Alle zwei Wochen folgte eine neue Folge, insgesamt waren es sechs weitere Teile zu jeweils 60 Minuten. Das Finale ging am 10. Dezember 1966 auf Sendung. Die Abenteuer des schnellen Raumkreuzers Orion schrieben TV-Geschichte und werden von den Fans noch immer heiß geliebt.
„Raumpatrouille“ war eine WDR-Produktion, gedreht wurde sie in den Studios der Bavaria Atelier GmbH in Geiselgasteig bei München. Die Dreharbeiten mit den Schauspielern liefen vom 16. März bis 10. Juli 1965. Hauptautor war Rolf Honold, die Co-Autoren wurden unter dem Namen W. G. Larsen zusammengefasst. Für den Inhalt der sieben Folgen verweisen wir auf die Episodenliste. Genauer möchten wir uns mit Teil 3 und Teil 4 befassen, denn hier agierten zum ersten Mal in einer deutschen Actionserie Roboter, auch Konservenknilche genannt, und ein Computer.
Die Roboter sind die Hüter des Gesetzes – so der Titel von Folge 3. Orion-Kommandant Cliff Allister McLane, gespielt von Dietmar Schönherr, begegnet ihnen nach der Landung auf dem Planetoiden Pallas. Dort arbeiten Menschen und Maschinen friedlich zusammen. Letztere bauen Erz ab, doch dann erleben sie mit, wie ein Mensch andere Menschen tötet. Daraufhin entwaffnen die Roboter die Bergbautechniker und übernehmen das Kommando. McLane kann sie mit etwas Glück umprogrammieren und auf den rechten Weg zurückbringen.
Die Folge ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens erwähnen die Akteure die Robotergesetze, und die Drehbuchschreiber leiteten die Story aus ihnen ab. Gemeint sind natürlich die drei Regeln, die der amerikanische Science-Fiction-Autor Isaac Asimov in seinen Werken aufstellte. Nummer 1 lautet: Ein Roboter darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit zulassen, dass es Schaden erleidet. Als die Roboter auf Pallas Blut sehen, tun sie alles, um eine Wiederholung auszuschließen.
Zweitens sind die Roboter der „Raumpatrouille“ keine Zweibeiner. Eine solche Konstruktion war im Science-Fiction-Film vor 1965 äußerst selten, der menschenähnliche Automaten bevorzugte. Ein schönes Beispiel ist Robby aus dem Film „Alarm im Weltall“, der Anfang 1957 in West-Deutschland anlief. Ein nicht-humanoider Roboter Omega fand sich aber 1960 im DDR-Film „Der schweigende Stern“, der unter dem Titel „Raumschiff Venus antwortet nicht“ in der Bundesrepublik gezeigt wurde.
Die Raumpatrouille-Roboter treffen wir in Folge 4 mit dem Titel Deserteure wieder. Dieses Mal fahren sie durch die Gänge, die den Asteroiden M 8812 durchziehen. Auf ihm installiert die Crew der Orion die Superwaffe Overkill. Zuvor muss Commander McLane aber einen Roboter ausschalten, der ihn plötzlich attackiert. Was er und seine Leute nicht wissen: Die außerirdischen Feinde der Menschheit, die Frogs, richteten eine schädliche Strahlung auf M 8812, die nicht nur die Roboter verwirrte.
Die Strahlen erfassen außerdem die Orion-Besatzung. Wer zu nahe am Bordcomputer steht, tippt die Koordinaten der Frog-Basis ein, ohne sich dessen bewusst zu sein. So wollen die bösen Frogs das Raumschiff in ihre Gewalt bekommen. Zum Glück merkt die Crew rechtzeitig, was Sache ist. Commander McLane geht auf das Spiel ein und tut so, als wolle er zu den Frogs desertieren. Als er ihre Basis erreicht hat, aktiviert er das Overkill-System der Orion. Das Resultat kann man sich denken.
Auch beim Design des Computers weicht die „Raumpatrouille“ von den Normen des Zukunftskinos ab, die damals Blinklichter und Schalttafeln verlangten. Der Orion-Rechner ist rund und glatt, und er besitzt nur eine Tastatur und einen Ausgabeschlitz für Datenkarten. Die Drehbücher der Serie bilden im Übrigen den ersten Beitrag zur deutschen Kultur, der in großer Zahl das Wort Computer verwendete. Ein paar Mal erinnerten sich Rolf Honold und W. G. Larsen aber noch ans Elektronengehirn.
Nachzutragen ist, dass Honold schon 1960 bei der Bavaria ein Drehbuch für eine Science Fiction-Serie „Terra ruft Andromeda“ einreichte. Die Terra ist eine Vorläuferin der Orion und besitzt einen Bordcomputer namens SEAC. So hieß ein realer Rechner, der Standards Eastern Automatic Computer, der an der amerikanische Ostküste arbeitete. Honold fand den Namen vermutlich in dem Buch Die Zukunft hat schon begonnen von Robert Jungk, der den SEAC in den frühen 1950er-Jahren besuchte.
Die beiden geschilderten Orion-Folgen lassen sich hier und hier anschauen – die Werbung bitten wir zu entschuldigen. Schließen möchten wir mit einem Foto zu einer anderen Raumfahrt-Serie, die 1966 elf Tage vor der „Raumpatrouille“ startete. In Deutschland kam das Raumschiff Enterprise aber erst 1972 in Fahrt, und Briefmarken gibt es hier nur mit Cliff, Hasso und Tamara.