Der erste Desktop: Olivetti Programma 101
Geschrieben am 24.10.2025 von HNF
Sie erschien vor sechzig Jahren und gilt als der erste Kleincomputer in der Geschichte der Technik: die Olivetti Programma 101. Sie besaß einen Drucker und einen Laufzeit-Speicher; Programme konnte man auf Magnetkarten ablegen. Der Chefkonstrukteur war Pier Giorgio Perotto, das Design entwarf Mario Bellini. Die Programma kostete 3.200 Dollar; insgesamt setzte Olivetti 44.000 Stück ab.
Die Premiere erlebte die Olivetti Programma 101 am 14. Oktober 1965 in New York, drei Tage vor dem Ende der damaligen Weltausstellung. Ob das eine zeitliche Koinzidenz war oder ob die Maschine auf dem Expo-Areal vorgeführt wurde, wissen wir nicht. Sicher ist, dass man sie vom 25. bis 29. Oktober im New Yorker Tagungs- und Ausstellungszentrum Coliseum besichtigen konnte, auf einer Messe des Bürotechnikverbands BEMA.
Die Programma 101 war der erste frei programmierbare kleine Transistorrechner mit einem Speicher und einem Drucker; er kam zu einer Zeit, als der Hersteller keine eigenen Computer fertigte. Olivetti baute ab 1959 Digitalrechner der Serie Elea, verkaufte allerdings 1964 einen Großteil der Elektronikabteilung an die amerikanische General Electric Company. In einem Olivetti-Werk nahe Mailand verblieb aber das Team, das die „Perottina“ konstruierte. Es nannte das Gerät eine Rechenmaschine und entging so der Übernahme durch die GEC.

Das Programma-Team: Pier Giorgio Perroto (links vorn), rechts von ihm sein Assistent Giovanni de Sandre, oben stehen Gastone Garziera und Giancarlo Toppi.
Der Teamleiter und Namensgeber der Perottina hieß Pier Giorgio Perotto. Er wurde 1930 in Turin geboren und studierte an der dortigen Technischen Hochschule Elektrotechnik. Nach dem Abschluss arbeitete er für FIAT; 1957 wechselte er ins Elektroniklabor von Olivetti in Pisa. 1962 bezog er mit seinen Leuten die Mailänder Adresse und startete die Entwicklung eines Computers. Im November 1964 lag der Prototyp der Perottina vor; daraus entstand die Programma 101, die in New York vorgestellt wurde. Das Design steuerte Mario Bellini bei.
Die Programma war 46,5 Zentimeter breit, 61 Zentimeter lang, 27,5 Zentimeter breit und wog 35,5 Kilo. Die Elektronik verteilte sich auf 900 Mikro-Module, in denen Transistoren steckten. Als Speicher diente eine Verzögerungsleitung, die 240 Byte fasste. Programme wurden auf Magnetkarten mit maximal 120 Befehlen festgehalten. Der Benutzer griff auf fünfzehn Anweisungen zurück und adressierte zehn Register. Jedes nahm eine 22-stellige Zahl oder bis zu 24 Anweisungen auf. Die Ausgabe erfolgte auf einem Papierstreifen.
Das Gerät wurde 1966 für 3.200 Dollar in Amerika verkauft; ab 1967 war es in Europa erhältlich. In der Schweiz galt es als „elektronischer, schreibender Tisch-Computer mit Programm-Steuerung“. Natürlich erschienen zu ihm kürzere und längere Werbefilme. 1969 benutzte die NASA den Rechner beim Apollo-11-Flug; er ermittelte Daten für Neil Armstrong und Edwin Aldrin, mit denen sie die Antenne ihrer Landefähre ausrichteten. Im selben Jahr setzte die US Air Force die Programma bei Bombenflügen im Vietnamkrieg ein.
Friedlicher verlief der Gebrauch in deutschen Schulen, den Olivetti aktiv förderte. Welche Konkurrenz gab es zur Programma? In unserem Blog schilderten wir den etwa gleich teuren Mathatron von 1964; er verstand mathematische Formeln, besaß aber nicht die raffinierte Programmierung. 1968 stellte Hewlett-Packard den revolutionären Tischrechner HP 9100A vor; er kostete bei uns 21.000 DM – dagegen war die Programma mit 16.428 DM direkt billig. Bis zum Produktionsende 1971 wurden 44.000 Stück der ersten Generation gefertigt. Schon 1967 brachte Olivetti eine Art Luxusausführung heraus, die Programma 203.

Auf der Oberseite zog der Rechner die Magnetkarten ein; sie kamen ganz vorn in der Mitte wieder heraus. (Foto Piergiovanna Grossi CC BY-SA 4.0 seitlich beschnitten)
Zur gleichen Zeit avancierte Pier Giorgio Perotto zum Forschungsdirektor der Firma. In den 1970er-Jahren beaufsichtigte er die Entwicklung der Olivetti-Kleinrechner P6060 und P6040; letzterer enthielt einen Intel-8080-Chip. Hier sehen und hören wir Perotto im Jahr 1974. Ab 1979 leitete er die mit Olivetti verbundene Unternehmensberatung ELEA. 1993 wurde er Präsident einer Managementschule und später der Chef einer weiteren Beratungsfirma. Daneben schrieb er mehrere Bücher über Betriebswirtschaft. Er starb 2002 in Genua.
Seine bekannteste Schöpfung, die Programma 101, hat noch viele Fans. Das ist eine kurze und das eine längere Einführung; hier geht es zu einer umfassenden Website. Ein Video aus Australien zeigt auch das Innenleben des Rechners. Ein deutscher Olivetti-Sammler richtete diese Seite ein; er knipste unter anderem die Olivetti-Türme in Frankfurt-Niederrad. Wir schließen aber mit einem Video des Olivetti-Museums in Ivrea, in dessen Mittelpunkt die Programma 101 steht. Nähere Informationen zum Museum gibt es hier.
