Die Dampfmenschen kommen

Geschrieben am 25.07.2023 von

Am 8. Januar 1868 beschrieb eine Zeitung im amerikanischen Newark einen Steam Man. Er maß mehr als zwei Meter und zog eine kleine Kutsche. Der Dampfmensch war der erste von mehreren, die man als Vorformen des Roboters ansehen kann. 1880 baute ein deutscher Einwanderer einen dampfgetriebenen Mann in Australien, der dann auch in Europa auftrat.

Im Grunde war er nur ein Teil eines selbst fahrenden Wagens. Statt der Vorderachse besaß die Steam-Carriage, die am 24. März 1868 in den USA patentiert wurde, ein Gestänge mit zwei Beinen. Die Kraft einer Dampfmaschine ließ sie Schritte ausführen, die das gesamte Gefährt in Gang setzten. Der auf dem Dampfkessel befindliche Kopf mit Hut und Pfeife erweckte den Eindruck einer menschlichen Gestalt.

Die Tageszeitung „Newark Advertiser“ verlieh ihrem Artikel vom 8. Januar 1868 folglich die Überschrift Deddrick Steam Man. Er schilderte alle Details des Dampfmenschen, nannte die Kosten – 2.000 Dollar – und stellte die Konstrukteure Zadoc Dederick und Isaac Grass vor. Über Dederick wissen wir, dass er am 8. August 1849 im US-Bundesstaat New York geboren wurde; seine Vorfahren kamen aus Deutschland. 1868 war er Maschinist in Newark, der westlichen Nachbarstadt von New York. Er starb am 22. Februar 1923 in Texas.

Zeichnung aus dem Dampfmensch-Patent von Zadoc Dederick und Isaac Grass

Sein 2,35 Meter hoher Dampfmann wurde 1868 und 1869 in New York, Chicago und anderen Städten vorgeführt, das spätere Schicksal ist unbekannt. Er inspirierte aber einen ähnlich gebauten Steam King und einen weiteren Steam Man im kanadischen Hamilton. Bei ihm saß der Kessel auf dem Wagen hinter ihm. Sein Erfinder Cyrenius Roe schuf 1878 ebenso einen eigenständigen Kunstmenschen. Er lief im Kreis, da er mit einem stationären Dampfkessel verbunden war. Sein Inhalt strömte über den Arm in zwei Zylinder in seinem Körper, die die Mechanik der Beine bewegten.

1893 las die Öffentlichkeit erneut von einem Dampfmenschen aus Kanada. Er stammte von Professor George Moore und enthielt einen Benzin-Brenner und das nötige Benzin. Der erhitzte Dampf trieb eine Dampfmaschine und die Beine an. Sie leistete ein halbes PS und brachte die sechs Fuß hohe Figur auf vier bis fünf Meilen pro Stunde. Moore baute außerdem Hercules, den Eisenmenschen; er zog wieder einen Wagen hinter sich her. Beide Roboter – so dürfen wir sie wohl nennen – sind oben in unserem Eingangsbild zu sehen.

Der Dampfmensch von 1868 – man beachte die Schuhe.

Schon der erste Steam Man erschien in der hiesigen Presse. So druckten die „Dresdner Nachrichten“ am 14. Februar 1868 eine Übersetzung des zu Beginn erwähnten Artikels der Newarker Zeitung. 1882 und 1883 trat ein echter Dampfmensch in Österreich-Ungarn und in Deutschland auf. Gebaut hatte ihn der im australischen Sydney tätige Ingenieur Frederick Hornburg; er könnte ein gebürtiger Berliner gewesen sein. Wie es scheint, fertigte er drei künstliche Menschen an, zwei mit Dampf- und einen mit Federantrieb.

Der erste erlebte die Premiere 1880 in Melbourne; in jenem Jahr lockte eine internationale Ausstellung viele Besucher in die Stadt. Die Presse nannte ihn Graf von Frankenstein oder Frankenstein, der Mann mit der eisernen Lunge. Er umkreiste einen ruhenden Dampfkessel, wie es zuvor schon der Dampfmensch von Cyrenius Roe tat. Frankensteins Nachfolger hieß Parnell; er trug vermutlich einen Vollbart wie der damals sehr bekannte irische Politiker. Auf welche Weise er mit Dampf versorgt wurde, wissen wir leider nicht.

„Graf von Frankenstein“ oder „Parnell“? Ein Plakat für den australischen Dampfmenschen (Foto Double-M CC BY 2.0 seitlich beschnitten).

Einer der beiden Dampfmenschen startete 1882 eine Europa-Tournee. Im Juni des Jahres war er in Wien zu sehen; überliefert sind zu ihm Kleinanzeigen sowie ein buntes Plakat, siehe oben. Ob das darin erkennbare Getriebe der Realität entsprach, sei einmal dahingestellt. Im Dezember finden wir den mechanischen Menschen in Hannover, im Mai 1883 in Prag. Dann kehrte er in die österreichische Hauptstadt zurück; ein Zeitungsreporter entdeckte ihn im September im Prater. Danach verliert sich seine Spur.

Die Dampfmenschen lebten weiter in der Science-Fiction. Schon 1868 war in den USA der Roman The Steam Man of the Prairies erhältlich, verfasst vom Vielschreiber Edward Ellis. Andere Autoren lieferten zahlreiche Geschichten um die Dampf-Helden Frank Reade und Frank Reade junior. Die Steam Men des 19. Jahrhunderts brachten den Schriftsteller Frank Baum 1907 auf den per Uhrwerk laufenden Tik-Tok, der auch denken konnte. So entstand eine spezifisch amerikanische Robotertradition, die bis heute nachwirkt.

Volldampf voraus! Ein Science-Fiction-Dampfmensch aus dem Jahr 1868

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