Die doppelte Odyssee

Geschrieben am 20.04.2018 von

Zu den Stars der HNF-Sonderausstellung „Digging Deep“ zählt die Spielkonsole G7000. Der Philips-Konzern brachte sie 1978 heraus. Entwickelt wurde sie von der amerikanischen Firma Magnavox unter dem Namen Odyssey². Sie war ein Nachfolger der Odyssey-Konsole von 1972, des ersten Videospiels für zuhause. Während das alte System noch vierzig Transistoren enthielt, verwendete die G7000 einen Mikroprozessor.

Im kommenden Herbst feiert das Videospiel seinen 60. Geburtstag. Am 18. Oktober 1958 zeigte der Physiker William Higinbotham sein Tennis für Zwei in einem amerikanischen Forschungsinstitut: Es lief auf einem Oszilloskop und benötigte einen handelsüblichen Analogrechner. 1962 programmierten Studenten des MIT auf einer PDP-1-Anlage das digitale Computerspiel Spacewar!. Unter dem Namen Computer Space erschien es 1971 mit gewissen Änderungen als Münzautomat.

Die erste Odyssey-Konsole erschien 1972. (Foto: Jan Braun, HNF)

1972 begann dann die Erfolgsgeschichte des Bildschirmspiels; wir haben im Blog schon darüber berichtet. Im August des Jahres stellte Nolan Bushnell im Silicon Valley den ersten Pong-Automaten auf, einen Monat später brachte die US-Firma Magnavox die Spielkonsole Odyssey auf den Markt. Die Pong-Elektronik nutzte Siliziumchips, für Odyssey entwarf der Deutschamerikaner Ralph Baer eine Schaltung mit vierzig Transistoren. Die einzelnen Spielprogramme saßen fest verdrahtet in Einsteckmodulen.

Bis zum Jahresende verkaufte Magnavox rund 100.000 Odysseys. Technisch war das System jedoch eine Sackgasse. Die Zukunft des Videospiels lag in integrierten Schaltungen und in Mikroprozessoren, das begriff auch das Magnavox-Management. 1975 bot man Konsolen mit Mikrochips an. Anfang 1977 verkündete Firmenchef Alfred di Scipio fürs Weihnachtsgeschäft ein ganz neues System. Es bedurfte aber des persönlichen Einsatzes von Videospiel-Pionier Ralph Baer, um seine Entwicklung durchzuboxen.

Video-System von Atari, auch bekannt als Atari VCS 2600.

Die Premiere verzögerte sich noch um ein ganzes Jahr, doch im Dezember 1978 erschien in Westeuropa die Spielkonsole Videopac G7000. Anbieter war der Technikkonzern Philips, dem Magnavox seit 1974 gehörte. In den USA wurde das System im Januar 1979 vorgestellt, dort hieß es Odyssey². Ins Auge sprang – siehe Eingangsbild – die Folientastatur, die Lern- und Intelligenzspiele ermöglichte. Für die meisten Anwendungen genügten aber Joysticks und Drucktasten. Unverzichtbar war ein Fernsehgerät zum Anzeigen der Spiele.

Im Inneren der G7000 operierte ein Intel-Prozessor des Typs 8048H. Die Chips für die Spiele saßen in den schon länger bekannten Steckmodulen. In der Bundesrepublik kostete das Basismodell rund 350 DM; die Spiele musste man mit knapp 90 DM extra bezahlen. Im Laden trafen die Videopacs auf das Video Computer System von Pong-Hersteller Atari; ab 1980 mischte der Spielzeugriese Mattel mit der Konsole Intellivision mit. Außerdem gab es das westdeutsche System Interton VC4000.

Videopac G7200 mit Monitor (Foto liftarn CC BY-SA 2.0)

Der Wettkampf der Anbieter lief hauptsächlich über die Software ab. Im Eingangsbild steckt in der G7000-Konsole gerade Spiel Nummer 38, besser bekannt als „Supermampfer“; es ist ebenso im Video überliefert. Wie man leicht erkennt, handelt es sich um einen Verwandten des gefräßigen Pac-Man. 1982 wurde Philips vom Konkurrenten Atari erfolgreich verklagt, und die Europäer zogen die Software zurück. Sie revanchierten sich mit Spiel Nummer 44, „Supermampfers Rache“, gegen das die Atari-Anwälte nichts ausrichten konnten.

Bis 1983 wurden in den USA rund eine Million Odyssey²-Systeme verkauft. Im gleichen Jahr brachte Philips in Europa den Nachfolger G7400 heraus. Mit Hilfe eines Basic-Moduls ließen sich damit richtige Computerprogramme schreiben. Erhältlich war auch das Modell G7200 mit integriertem Schwarzweiß-Monitor. 1984 gerieten die Videopacs in den Strudel der großen Konsolenkrise, und die Fertigung endete. Im Netz leben sie wie so oft weiter, etwa auf dieser und jener Seite. Und vergessen wir nicht das Exemplar tief im Depot des HNF, das auf dem Eingangsbild zu sehen ist.

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