Die Erfindung des Spielmoduls: Fairchild Channel F
Geschrieben am 11.08.2023 von HNF
Es war ein vertrautes Teil für die Freunde des Computer-Gaming: das Steckmodul, um ein Spiel in die Konsole einzuführen. Die erste, die so etwas ermöglichte, kam Ende 1976 in den USA heraus; Hersteller war die Firma Fairchild. Von der Konsole Channel F entstanden auch Nachbauten in Deutschland. 1979 zog sich Fairchild aber vom Spielegeschäft zurück.
Der Amerikaner Nolan Bushnell brachte Ende 1972 das digitale Tennis Pong auf den Markt und startete damit die Videospielbranche. Pong lief zunächst nur auf Münzautomaten; das erste Spiel für den heimischen Fernseher war im September 1972 Odyssey von der US-Firma Magnavox. Entwickelt hatte es der gebürtigen Deutsche Ralph Baer; die zugehörige Konsole enthielt noch analoge Elektronik.
Zur Odyssey-Konsole gehörten Steckkarten, die ihr unterschiedliche Spiele entlockten. Die Karten enthielten keine Daten, sondern schlossen Stromkreise in der Konsole; das führte zu der Präsentation eines bestimmten Spiels. Die Idee eines Moduls mit Mikrochip und Speicher hatten Mitte der 1970er-Jahre zwei andere Erfinder, Wallace Kirschner und Lawrence Haskel von der Alpex Computer Corporation. Das heute weitgehend vergessene Unternehmen saß in der Stadt Danbury im US-Bundesstaat Connecticut.
Kirschner und Haskel meldeten 1975 den Television Display Control Apparatus zum Patent an. Sie testeten ihr Konzept mit einem Intel-8008-Prozessor sowie einem Arbeits- und einem Festwertspeicher. Alpex nannte das System „Remote Access Video Entertainment“ und bot es größeren Elektronik-Herstellern an. Es kam schließlich zur Kooperation mit dem Fairchild-Konzern, der im Westen und Osten der USA angesiedelt war. Wir kennen seine kalifornische Abteilung Fairchild Semiconductor, die die moderne Mikroelektronik aus der Taufe hob.
Das Videospiel-Projekt leitete bei Fairchild der Ingenieur Gerald Lawson. Er war Sohn einer afroamerikanischen Familie und wurde 1940 in New York geboren. Im Jahr 1970 schloss er sich Fairchild Semiconductor an. Dort entwarf er unter anderem das Demolition Derby für Arkade-Automaten. Bei dem neuen Spiel musste Lawson die Hardware auf den Fairchild-Mikroprozessor F8 umstellen; außerdem schuf sein Team die eigentliche Konsole sowie die Steckmodule und die Bedieneinheiten. Dafür gab es ebenfalls ein Patent.
Das Endprodukt der Entwicklungsarbeit hieß Channel F – das F steht für „Fun“ – und lag im November 1976 vor. Einige Details brachte das Magazin Popular Electronics im Dezember-Heft. In der Game-Geschichte gilt Channel F als erste Konsole der zweiten Generation. Der Verkaufspreis mit zwei vorinstallierten Spielen betrug 169,95 Dollar; die Module mit weiteren Spielen kosteten jeweils 19,95 Dollar. Eine schnelle Einführung ins System liefert dieser Werbespot, das ist eine Übersicht über sämtliche Channel-F-Programme.
Der Verkauf der Konsole kam 1977 in Schwung, allerdings sank auch der Preis. Anfang 1978 kostete das Gerät nur noch 99,99 Dollar; bis dahin hatte Fairchild rund 250.000 Systeme verkauft. Außerdem stellte sich Konkurrenz ein. Im Januar 1977 erschien die Spielkonsole RCA Studio II, die ebenfalls Module akzeptierte. Gefährlicher war ab August 1977 das Atari Video Computer System alias Atari 2600. Es bescherte dem Hersteller zunächst Verluste, wurde dann aber ein weltweiter Erfolg, nicht zuletzt durch die Space Invaders.
In der zweiten Jahrhälfte 1978 bot Fairchild das Channel F System II an – es ist in unserem Eingangsbild zu sehen. Es kostete zwischen 125 und 150 Dollar und fiel bei der Kundschaft durch. Anfang 1979 zog sich der Konzern aus dem Spielemarkt zurück. Es veräußerte die unverkauften Konsolen und alle Rechte an die Zircon International Inc., über die wir nichts weiter wissen. Gerald Lawson gründete 1980 eine eigene Firma und erstellte Software für Atari; später arbeitete er als freier Berater. Er starb 2011 in Santa Clara im Silicon Valley.
Seine Spielkonsole präsentierte Fairchild schon im November 1976 auf der electronica-Messe in München. Im August 1977 zeigte der Rundfunktechnik-Hersteller SABA auf der Berliner Funkausstellung den Nachbau SABA videoplay. Er kostete etwa 500 DM, ein Spielmodul rund fünfzig DM. Weitere Lizenzausführungen waren 1978 der ITT Telematch Processor, der Nordmende Color TelePlay und 1979 der SABA Videoplay 2. Den Retro-Fans können wir noch den exzellenten Wikipedia-Artikel zum Fairchild Channel F empfehlen.