Eine Rechenmaschine für den Papst
Geschrieben am 30.12.2025 von HNF
Auch die Protestanten wissen es: Der morgige Silvestertag ist nach einem Papst benannt, Silvester I. aus dem 4. Jahrhundert. 1852 saß Pius IX. auf dem Stuhl Petri. Damals schenkte ihm Rechenmaschinen-Pionier Charles Xavier Thomas eines seiner Arithmometer. Es steht inzwischen im Bonner Arithmeum, das zu ihm ein Video produzierte. Ein baugleiches Gerät besitzt das HNF.
Am Bonner Hofgarten sitzt, wie die Leser des Blogs wissen, das Arithmeum, ein Museum für Rechenmaschinen, Rechenbücher und damit verbundener Kunst. Es wurde im September 1999 eröffnet; hinter den Kulissen verwahrt das Haus noch viele Rechenschieber und eine ganze Anzahl Computer.
2021 erwarb das Arithmeum in Italien eine Rechenmaschine des französischen Fabrikanten Charles Xavier Thomas, auch bekannt als Thomas de Colmar. Er gab sie 1852 an Papst Pius IX. oder Pio Nono, wie die Italiener sagen. Im Juli 2022 stellte das Arithmeum die Maschine der Öffentlichkeit vor; das geschah im Rahmen der Ausstellung „200 Jahre Arithmomètres von Thomas de Colmar – Prototypen, Prunkexemplare und Serienfertigung“. Nach dem Ende der Schau im Juni 2023 wanderte das päpstliche Rechengerät in die Dauerausstellung.
Kürzlich schuf das Museum ein fünfzehnminütiges Video zu dem Papst-Arithmomètre; wir verwenden im Folgenden die deutsche Bezeichnung Arithmometer. Wir empfehlen es allen Freunden mechanischer Rechentechnik. Zuvor produzierte es Filme zur allerersten Thomas-Maschine, zu seinem Piano-Arithmometer und zu zwei Addierern, bitte die Nummern 7, 42, 41 und 32 der Liste anwählen. Eine Animation zu einer späteren Version des Arithmometers – sie besitzt ein Umdrehungszählwerk – fertigte Michael L. Hilton an.
Die Arithmometer waren die ersten in Serie gebauten Rechenmaschinen. Sie erinnern an das Rechengerät von Gottfried Wilhelm Leibniz aus dem frühen 18. Jahrhundert. Während der deutsche Gelehrte aber ein bewegliches Eingabewerk erfand, das auch die Staffelwalzen zum Speichern des ersten Faktors aufnahm, fixierte der Franzose die Input-Einheit. Bei ihm verschiebt sich das Resultatwerk, das bei Leibniz den Hauptteil bildet. Im Video sehen wir das ab Minute 13:00, wenn eine Division mit mehreren Subtraktionen geschildert wird.
In den 1850er-Jahren schickte Thomas Luxusausführungen des Arithmometers an wichtige Persönlichkeiten. Die päpstliche Rechenmaschine ging wahrscheinlich 1852 nach Italien ab. Der Empfänger Pius IX. war ein etwas umstrittener Kirchenfürst. Er wurde 1792 als Spross einer Adelsfamilie in Senigallia an der Adria geboren; damals hieß er Giovanni Feretti. Im Vatikan residierte er von 1846 bis 1878 oder fast 32 Jahre lang, was bis heute ein Rekord ist. Bekannt machte ihn vor allem das Dogma der amtlichen Unfehlbarkeit, das er auf einem Konzil im Jahr 1870 verkündete.
„Cosa devo farci?“ – was soll ich damit? Das mag Pio Nono gedacht haben, als die Post das Geschenk aus Paris brachte. 1852 arbeitete der Heilige Vater fernab aller Mathematik. Er entwarf ein anderes Dogma, das der unbefleckten Empfängnis der Gottesmutter Maria, das er 1854 veröffentlichte. Die Rechenmaschine gab er sicherlich weiter. Sinnvoll wäre eine Nutzung in der Päpstlichen Universität Gregoriana oder in der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften gewesen; ihre Neugründung im Jahr 1847 wurde von Pius IX. veranlasst. An Charles Xavier Thomas sandte er einen Orden.
Für das HNF ist das Video von hohem Interesse, denn es hat ein Schwestermodell des Papst-Arithmometers. Wir meinen die Rechenmaschine, die Thomas für Ferdinand II. anfertigte, den deutschstämmigen König von Portugal. Unser Eingangsbild oben zeigt die Verzierung, die ebenso die Maschine des Vatikan trägt – der Name lautet natürlich anders. Beide Arithmometer weisen fünf Eingabeziffern und ein zehnstelliges Resultatwerk auf. Der Film des Arithmeums erklärt also auch das Exponat in Paderborn, und wir senden ein herzliches Dankeschön an den Hofgarten.
Das HNF besitzt außerdem eine Rechenmaschine vom Typ Millionär ähnlich der aus der Vatikanischen Sternwarte in Castel Gandolfo: wir sehen sie hier. Als der oder die Millionär angeschafft wurde, saß die Sternwarte noch in Rom. Das letzte mechanische Rechengerät, das ein Oberhaupt der katholischen Kirche erhielt, dürfte die zur Zarenzeit in St. Petersburg produzierte Odhner gewesen sein; wir kennen sie in Form der Brunsviga. Der Unternehmer Jewgeni Kasperski schenkte sie 2016 dem 2025 verstorbenen Papst Franziskus.
Den Lesern und Leserinnen unseres Blogs wünschen wir einen guten Rutsch ins Jahr 2026.


