Esther Dyson – First Lady der Computerwelt
Geschrieben am 13.07.2021 von HNF
Ihre Mutter war eine Schweizer Mathematikerin, ihr Vater ein englischer Physiker. Geboren wurde Esther Dyson am 14. Juli 1951 in Zürich, sie lebte dann in Amerika. Nach dem Studium in Harvard und den ersten Jobs erstellte sie den IT-Newsletter Release 1.0, schrieb Bücher und organisierte Tagungen. Heute fördert sie junge Firmen und unterstützt soziale Projekte.
Frauen haben es schwer in der Informatik. Als Pioniere galten lange nur Ada Lovelace und Grace Hopper; erst spät wurden die Programmiererinnen des Computers ENIAC gewürdigt. Fachleute wissen von Jean Sammet, Adele Goldberg oder Christiane Floyd, und das HNF feiert Nadia Magnenat-Thalmann. Größere Bekanntheit errangen Autorinnen wie die KI-Expertin Pamela McCorduck oder die Soziologin Sherry Turkle. In Deutschland wäre hier Constanze Kurz zu nennen.
Vor siebzig Jahren kam in Zürich Esther Dyson zur Welt, die zu einem der Medienstars der Computerbranche wurde. Die Journalisten nannten sie die First Lady des Internet, und sie hat immer noch beträchtlichen Einfluss. Sie ist die Tochter der Schweizer Mathematikerin Verena Huber-Dyson und des englischen Physikers Freeman Dyson. Er wirkte am Institute for Advanced Study im amerikanischen Princeton; dort wuchsen Esther Dyson und ihr jüngerer Bruder George auf. Er wurde später ebenfalls ein erfolgreicher Schriftsteller.
Esther Dyson beendete die Schule mit sechzehn und begann ein Studium an der Harvard-Universität. 1972 machte sie den Bachelor im Fach Volkswirtschaft. Danach erhielt sie eine Stelle beim Business-Magazin „Forbes“. Ab 1977 arbeitete sie als Wertpapier-Analystin in New York; ihr Spezialgebiet waren High-Tech-Firmen. 1982 wechselte Esther Dyson in die Firma des Investors Benjamin Rosen; hier gab sie einen technischen Newsletter heraus. 1983 erwarb sie die dazugehörige Abteilung und nannte sie in EDventure um.
Der Newsletter erhielt den Namen „RELease 1.0“. Die erste Ausgabe mit jenem Titel erschien am 8. März 1983, die erste Nummer aus der neuen Firma wurde ein Jahr später verschickt. Esther Dysons Start-up saß in einer der besten Adressen von Manhattan, dem von Ludwig Mies van der Rohe gebauten Seagram Building. Alle 234 Ausgaben des Newsletters sind inzwischen online, die letzte lag im Juni 2006 vor. Von Februar 2007 bis April 2009 brachte der Verlag O’Reilly den Nachfolger „Release 2.0“ heraus.
Neben der Newsletter-Produktion organisierte Esther Dyson ab 1984 die Tagungen des PC Forums. Auf ihrer Flickr-Seite finden sich schöne Fotos dazu, die ihre Schwägerin Ann Yow-Dyson knipste. Sie zeigen die Prominenten der Hard- und Softwarewelt und vermitteln uns ein Bild von der guten alten Zeit, ehe das Netz die IT-Industrie umwälzte. 1988 entstand das vielleicht erste Video mit Esther Dyson; sie nahm damals in Boston an einem prominent besetzten Computer-Quiz teil. In den 1990er-Jahren arbeitete sie in der kritisch-politischen Electronic Frontier Foundation mit.
Ihr Hauptwerk ist ohne Zweifel das Buch Release 2.0 von 1997; noch im selben Jahr wurde es ins Deutsche übersetzt. Es war eine Werbeschrift für das jüngst erfundene World Wide Web und spiegelte die optimistischen Erwartungen wider, mit denen viele Menschen das neue Medium betrachteten. Nach der Anmeldung im Internet Archive kann man das Werk online durchblättern. 1998 verfasste Esther Dyson das Update „Release 2.1“. Von 1998 bis 2000 bekleidete sie eine leitende Position in der Internet-Kontrollorganisation ICANN.
Im 21. Jahrhundert war und ist sie als Investorin tätig; sie förderte sowohl Firmen in Amerika als auch in Europa. So kümmerte sie sich früh um den Fotodienst Flickr. Ebenso interessierte sie die Luft- und Raumfahrt. 2008 und 2009 absolvierte sie in Russland eine Ausbildung zur Kosmonautin, denn sie fungierte als Ersatzfrau für den Weltraumtouristen Charles Simonyi. 2014 startete sie das soziale Gesundheitsprojekt Wellville; privat hält sich Esther Dyson seit langem durch Schwimmen fit. Am 14. Juli feiert sie den 70. Geburtstag. Wir wünschen der First Lady des Web und der Computerwelt schon heute alles Gute.
Das Eingangsbild nahm Christopher Michel im Juni 2018 auf (CC BY 2.0 seitlich beschnitten). Hier ist noch ein längeres Video mit ihr, ihrem Bruder und ihrem Vater aus dem Jahr 2012.
Freeman Dyson sagt, es gebe ein Theorem zweier Mathematiker, das besagt, dass analoges Rechnen im Prinzip leistungsfähiger sei als digitales Rechnen. Es gebe Zahlen, die von Analog- rechnern nicht aber von Digitalrechnern berechnet werden können.
Wer weiß mehr dazu ?
Eigentlich wäre an dieser Stelle auch auf die Arbeiten der Mutter von Esther, Verena Huber-Dyson, einzugehen. Sie zählt zu den Pionierinnen der mathematischen Logik. Ihre Monographie über die Gödel-Theoreme, ihre Beiträge zum Entscheidungsproblem, oder, allgemeiner, ihre Beiträge zur Berechenbarkeitstheorie sind heute zu Unrecht so gut wie vergessen.