Gustav Tauschek – ein Erfinderschicksal

Geschrieben am 14.02.2020 von

Gustav Tauschek war wohl der kreativste Entwickler in der Geschichte der Lochkarten-Technik. 1899 in Wien geboren, arbeitete er von 1925 bis 1930 für die Firma Rheinmetall in Sömmerda. Danach war er einige Zeit für die IBM tätig. Vor 75 Jahren starb er in Zürich. Keine seiner Maschinen erreichte je den Markt; einige stehen im Museum.

Unsere Leserinnen und Leser wissen es natürlich: Vor den Computern gab es die Datenverarbeitung mit Lochkarten. Die meisten Maschinen bauten die IBM und ihre Töchter. Mit einigem Abstand kamen die Geräte von Powers, ab 1927 trugen sie die Schildchen von Remington Rand. In Frankreich entstand in den 1930er-Jahren die Lochkartenfirma Bull. Sonst gab es nur noch Gustav Tauschek und seine Erfindungen.

Eine Variante von Tauscheks lesender Maschine. Man erkennt das Rad mit den Buchstaben-Mustern. Das österreichische Patent hat Nr. 116.799, die Grafik ist aus dem US-Patent.

Tauschek wurde am 29. April 1899 in Wien geboren, im westlichen Stadtteil Fünfhaus. Die Eltern betrieben ein kleines Wäschegeschäft. Gustav war ein kluges Kind; er konnte das Realgymnasium besuchen. 1917 beendete er es vorzeitig und wurde im Ersten Weltkrieg Frontsoldat. Er kämpfte in Serbien und Tirol und geriet in Kriegsgefangenschaft. Im August 1919 kehrte er in seine Geburtsstadt zurück. Ein Studium war ausgeschlossen; Gustav Tauschek arbeitete stattdessen als Botengänger in der Nationalbank.

Hier sah er Lochkartengeräte sowie eine Druckmaschine für Guillochen, die feinen Muster auf Banknoten und Wertpapieren. Sie dienten als Verzierung und sollten Fälschungen erschweren. Gustav Tauschek fielen eine ganze Reihe von Verbesserungen ein; mit Teilen eines Stabilbaukastens baute er eine neue Guillochiermaschine. Am 21. September 1922 meldete er dafür ein Patent an und erhielt es im Juli 1923. Die Nationalbank erwarb das Patent, und er bekam etwas Geld. Es war die erste seiner vielen Erfindungen.

Die nächsten beiden Schöpfungen reichte er im April 1924 im Wiener Patentamt ein: einen Kartenlocher (Nr. 107.981) und einen Sortierer (Nr. 108.252). Im Mai folgte eine Anmeldung für eine Maschine, die Lochkarten zur Lohnabrechnung auswertete (Nr. 106.339). Gustav Tauschek hatte die Datenverarbeitung entdeckt. Am 18. Mai 1925 unterschrieb er einen Vertrag mit der deutschen Firma Rheinmetall, die im thüringischen Sömmerda eine Fabrik für Büromaschinen betrieb. Rheinmetall richtete dort eine Abteilung ein, in der Tauschek ein neues Lochkarten-System entwickelte.

Die Lochkarten-Buchungsmaschine des „Systems Tauschek“. Sie wurde mit eingesteckten Kabeln programmiert. Der Prototyp befindet sich im Technischen Museum Wien.

In der Folgezeit entstand eine Reihe von Prototypen. Am 30. Juni 1930 schloss Rheinmetall aber die Abteilung wieder. Die Weltwirtschaftskrise war ausgebrochen. Das größtenteils staatlich finanzierte Unternehmen sah mehr Chancen in der Waffenproduktion. Tauschek blieben nur die bereits gebauten Versuchsmodelle. Er wurde nun externer Entwickler für die amerikanische IBM. Seine Ideen wurden niemals realisiert, doch er verdiente nicht schlecht. Der Vertrag mit IBM lief bis Ende 1935.

Tauschek richtete sich dann eine private Werkstatt nahe Wien ein. Er hielt noch Kontakt zur IBM. So steht er als Erfinder auf einem Patent der Firma vom 24. Juni 1936. Es betraf eine elektrische Rechenmaschine und wurde mit Nummer 2.224.774 gewährt  Es umfasste fünfzig Seiten, die deutsche Fassung zählte siebzig. Im Zweiten Weltkrieg soll er in der Slowakei gelebt haben, seine letzten Patentanmeldungen vom Oktober 1943 geben den Wohnsitz Zürich an. Hier starb Gustav Tauschek am 14. Februar 1945 an einer Lungenembolie.

Vermutlich war er der ideenreichste Kopf in der elektromechanischen Datenverarbeitung. Neben seinem Lochkartensystem sowie Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen erfand er den Trommelspeicher, einen Geldautomaten mit Münzausgabe und einen Vorläufer des Tintenstrahldruckers. Er entwickelte Maschinen zum Erkennen von Zeichen, Vorlesen von Daten, Imitieren von Handschriften und Anzeigen von Leuchtbuchstaben. Dazu kommen noch eine Mähmaschine, ein Motorschlitten und eine neuartige Schusswaffe.

Das Rheinmetall-Werk in Sömmerda brachte in den 1930er-Jahren die Fakturiermaschine FMR II mit Multiplizierwerk heraus.

Die schlechte Nachricht ist, dass es keines seiner Konzepte auf den Markt schaffte. Das Technische Museum Wien verwahrt seinen Nachlass und die Prototypen aus Sömmerda; ein Foto der zentralen Buchungsmaschine ist hier zu sehen. Unser Eingangsbild oben zeigt Tauschek mit dem Physiker Josef Nagler (rechts) und dem Ingenieur Engelbert Reingruber (links) 1932 in Wien. Sie führen die lesende Maschine vor. Das Foto stammt aus dem Bildarchiv Austria der Österreichischen Nationalbibliothek.

Eine Biographie von Gustav Tauschek gibt es nicht. Er lebt weiter als Namensgeber der Gustav-Tauschek-Straße in Erfurt. Von 1963 bis 2001 hatte er auch eine Gasse im 21. Bezirk von Wien. Dann wurde der Name wieder gelöscht; sie heißt heute Dragoungasse.

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2 Kommentare auf “Gustav Tauschek – ein Erfinderschicksal”

  1. Ulrich Klotz sagt:

    Es ist sehr verdienstvoll, solche Erfinderschicksale in Erinnerung zu rufen. Davon gibt es sehr viele, auch und gerade in Deutschland. Hier liegen einige der Gründe, warum Deutschland und Europa auf manchen Gebieten in den letzten 50 Jahren technologisch abgehängt wurde. Durch eine systematische Aufarbeitung solcher Beispiele könnte man einiges für die Zukunft lernen…

    1. Reinhard Becker sagt:

      Europa ist dank der Nazis abgehängt worden. Vormals technisch führend, ist vor, im und nach dem Kriege alles ausgewandert oder vertrieben worden, was Rang und Namen hat.

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