Herman Hollerith – der Vater der Datenverarbeitung

Geschrieben am 29.02.2016 von

In jedem Schaltjahr können wir den Geburtstag von Herman Hollerith feiern. Der deutsch-amerikanische Ingenieur kam nämlich am 29. Februar 1860 in Buffalo/New York zur Welt. Später erfand er die Lochkarte und damit auch die technische Datenverarbeitung. Aus seiner im Jahr 1896 gegründeten Tabulating Machine Company entwickelte sich die große Computerfirma IBM.

Ältere Leser unseres Blogs haben den Namen der Stadt, in der Herman Hollerith am Schalttag des Jahres 1860 geboren wurde, schon in der Schule gehört. Er taucht in der Ballade John Maynard auf, die der Dichter und Schriftsteller Theodor Fontane 1886 veröffentlichte. Sie schildert das heldenhafte Verhalten eines Steuermanns, der einen brennenden Dampfer zum rettenden Ufer lenkt, und selbst wer das Gedicht vergaß, erinnert sich an „noch zwanzig (- fünfzehn – zehn -) Minuten bis Buffalo“.

Buffalo liegt im US-Bundesstaat New York am Ostufer des Eriesees und zählte 1860 gut 80.000 Einwohner. Die Hälfte von ihnen besaß deutsche oder elsässische Wurzeln. Hermans Vater Johann Georg kam aus der Pfalz und war vor seiner Emigration in die USA Gymnasiallehrer in Speyer gewesen. Mit 15 Jahren begann Herman das Studium am New Yorker City College, das er in der Ingenieurschule der Columbia University fortsetzte. 1879 verließ er diese als ausgebildeter Bergwerksingenieur.

HollerithJung

Danach wirkte er als „special agent“ bei der amerikanischen Volkszählung von 1880 mit und fertigte einen Bericht über Kraftwerke in der Schwerindustrie an. 1882 lehrte Hollerith ein Jahr lang am Massachusetts Institute of Technology in Boston, 1883 wechselte er ans Patentamt in Washington, ab 1884 war er dann freiberuflich tätig. Im gleichen Jahr reichte er in obigem Amt eine Erfindung zur „Art of Compiling Statistics“ ein, die 1889 zu den US-Patenten Nr. 395.781 und 395.782 führte.

Die Kunst der Statistik-Sammlung besteht aus beliebig vielen normierten Pappkarten und einem Maschinenpark, mit dem Informationen in eine Karte eingeprägt und aus ihr entnommen werden. Die Karten fungieren also als digitaler Datenträger, das patentierte System ist die erste Datenverarbeitung der Technikgeschichte. Unser Eingangsbild stammt aus dem Hauptpatent 395.781 und nimmt die tatsächlich realisierte Anlage vorweg, von der das HNF einen originalgetreuen Nachbau zeigt.

Das Hollerithsystem umfasst insgesamt vier Elemente, den Locher, den Leser mit Tabellierer und den Sortierer. Der Locher stanzt der Karte die Daten ein, der Leser gibt bei Abtastung der Karte durch elektrische Kontakte Impulse an den Tabellierer, die die Zählwerke weiterschalten. Der Sortierer bildet schließlich durch Auswertung der gelesenen Daten nach bestimmten Kriterien Kartenstapel. 1889 stellte Hollerith einen Prototypen auf der Weltausstellung in Paris vor und ließ ihn in Frankreich zurück. Dort kann die Anlage inzwischen im Museum CNAM besichtigt werden.

Den Durchbruch für Herman Hollerith brachte die amerikanische Volkszählung von 1890, die wir bereits in einem früheren Blogbeitrag beschrieben. Seine Maschinen und das fleißige Bedienpersonal legten schon nach drei Monaten die Einwohnerzahl vor und nach einem halben Jahr die restlichen Daten. Im Dezember halfen Hollerith-Maschinen bei der Volkszählung in Österreich-Ungarn, und auch privat brachte ihm das Jahr Glück: Am 15. September heiratete er die Ingenieurstochter Lucia Beverly Talcott. Aus der Ehe gingen drei Söhne und drei Töchter hervor.

Russland

In den 1890er-Jahren werteten Hollerith-Maschinen Volkszählungen in Kanada, Italien und Russland aus. Hier wurde auch das Foto des winterlich eingepackten Erfinders geknipst. 1896 gründete er in Washington die Tabulating Machine Company, die seine Maschinen baute und vermietete. Das Fabrikgebäude ist noch erhalten. 1902 entstand eine englische Partnerfirma und 1910 die Deutsche Hollerith-Maschinen Gesellschaft mbH, kurz DEHOMAG, die eigenständig die Lochkarten-Lizenzen nutzte. Es folgten die ersten deutschen Zählungen in den Königreichen Württemberg und Sachsen.

1911 fusionierte der Finanzmann Charles Flint die Tabulating Machine Company und drei andere Firmen zur Computing Tabulating Recording Company CTR. Hollerith verkaufte seinen Anteil für 1,2 Millionen Dollar – was etwa 30 Millionen heutiger Dollars entspricht – und zog sich ins Privatleben zurück. 1924 nannte sich die CTR in IBM um, eine Firma, die es immer noch gibt. Schon 1922 hatte die CTR die DEHOMAG fast komplett übernommen, die später zur IBM Deutschland wurde. Die deutsche Tochter ist also ein Jahr älter ist als die erst 1911 geschaffene amerikanische Mutter.

Herman Hollerith starb am 17. November 1929 und fand seine letzte Ruhestätte auf dem Oak-Hill-Friedhof im Washingtoner Stadtteil Georgetown. 2024 können wir seinen runden Geburtstag feiern: Dann wäre er 40. (Nein, nicht in 2020, denn 1900 war kein Schaltjahr.) Mehr zu seinen deutschen Vorfahren und Verwandten erzählt ein informativer Artikel aus dem Jahr 1965 – bitte pdf-Seite 13 aufsuchen.

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Ein Kommentar auf “Herman Hollerith – der Vater der Datenverarbeitung”

  1. Als der Kurator des Air and Space Museums in Washington, Paul Ceruzzi, vom HNF eine Flasche Hollerith-Wein, weiß, trocken mit Lochkartenetikett geschenkt bekam, wusste er nicht, ob er die Flasche zuhause verkosten oder zu einem Exponat erklären sollte. Immerhin ist der Winzer Peter Hollerith ein Ururgroßneffe des Pioniers. Was ihn allerdings nicht davon abhält, auf Nachfrage sein Desinteresse an jeglichem Computergedöns zu bekunden.

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