Herr Leibniz und seine Chiffriermaschine
Geschrieben am 12.04.2016 von HNF
2016 ist das Leibnizjahr, gewidmet dem großen Denker, dem wir eine Rechenmaschine und das Dualsystem verdanken. Im Januar schrieben wir bereits über seine Idee eines mechanischen Analogrechners. Heute geht es um das Konzept einer Chiffriermaschine, das Gottfried Wilhelm Leibniz 1688 dem Kaiser in Wien vorlegte. Vor einigen Jahren wurde die „machina deciphratoria“ auch endlich gebaut.
Seit Jahrtausenden verschlüsseln Menschen ihre Post, und ebenso lange gibt es dafür Hilfsmittel. Die alten Griechen verwendeten die Skytale, zu Deutsch Stock oder Stab. Der Absender umwickelt ihn mit einem Lederstreifen, auf den er über die Ränder hinweg eine Nachricht schreibt. Der Empfänger des Streifens wickelt ihn um einen Stab gleicher Dicke und kann anschließend den Text lesen.
Im 15. Jahrhundert erfand der Italiener Leon Battista Alberti die Chiffrierscheibe. Sie umfasst zwei gegeneinander verdrehbare Ringe: Der äußere enthält das normale ABC, der innere ein verwürfeltes Alphabet. Der Absender stellt den Innenring auf eine bestimmte Position ein und sucht die Buchstaben des Klartextes im Außenring. Der innere Buchstabenkranz liefert die Lettern der Geheimbotschaft. Der Empfänger muss die Scheibe analog einstellen und die Buchstaben von innen nach außen lesen.
Die erste Chiffriermaschine geht auf Gottfried Wilhelm Leibniz zurück, den 1646 geborenen und 1716 verstorbenen Universalgelehrten. In den späten 1670er-Jahren erfand er die „machina deciphratoria“. Genauer beschrieben hat er sie erst 1688. Damals bereitete er sich auf einen Besuch bei Kaiser Leopold in Wien vor, der im Oktober 1688 stattfand. Seine Majestät hatte aber andere Sorgen, etwa den Einmarsch der Franzosen in der Pfalz. Die Maschine blieb Papier und geriet in Vergessenheit.
Wiederentdeckt wurde sie um 2010 vom deutsch-amerikanischen Philosophen Nicholas Rescher, der an der Universität Pittsburgh tätig ist. In seiner Rekonstruktion (docx-Datei) hat die Maschine eine ABC-Tastatur und eine quer liegende Walze, die mehrere Leisten mit veränderten Alphabeten trägt. Zum Verschlüsseln tippt man ganz normal den Klartext ein. Bei jedem Tastendruck wird auf der Walze der Buchstabe angezeigt, der im chiffrierten Text erscheinen soll.
Nach einigen Eingaben – die genaue Zahl wird an der Maschine mit einem Schieber eingestellt – dreht sich die Walze um einen kleinen Winkel weiter. Nun steht dem Benutzer das nächste Chiffrieralphabet zur Verfügung, und er setzt seine Arbeit fort. Das Weiterdrehen der Walze wiederholt sich in periodischen Abständen. Für diesen Teil der Konstruktion übernahm Leibniz Elemente, die er schon bei der Rechenmaschine für die vier Grundrechenarten benutzte, vor allem eine Art Staffelwalze.
Schließlich wird die geheime Nachricht abgeschickt. Der Empfänger muss eine baugleiche „machina deciphratoria“ vor sich haben und den erwähnten Schieber in gleicher Weise voreinstellen. Darüber hinaus muss er die Maschine vom Chiffrier- in den Dechiffriermodus umschalten. In diesem werden auf der Walze Buchstaben eines Alphabets angezeigt, das die Umkehrung der beim Verschlüsseln benutzten Buchstabenleiste bildet. Für seine Rekonstruktion nahm Nicholas Rescher sechs Alphabete zum Schreiben und sechs zum Lesen an.
Nach den Vorgaben von Rescher baute die Firma Rottstedt in Garbsen bei Hannover zwei Modelle der Chiffriermaschine. Eines befindet sich seit 2012 in Pittsburgh, das andere steht seit Ende 2014 in der Leibniz-Ausstellung der Universität Hannover. Im Eingangsbild wie im obigen Ausschnitt sind auf der Walze zwei korrespondierende Alphabete zu erkennen. Die schwarzen Buchstaben dienen zum Verschlüsseln (A > M, B > N, C > O usw.), die roten zum Entschlüsseln (A > O, B > P, C > Q usw.). Die übrigen Alphabete sind im Foto nicht zu sehen.
Da Gottfried Wilhelm Leibniz die Funktionsweise der „machina deciphratoria“ leider nicht veröffentlichte, nahm er keinen Einfluss auf die spätere Entwicklung der Chiffriertechnik. Wer hierzu mehr erfahren möchte, dem empfehlen wir die Krypto-Abteilung im ersten Obergeschoss des HNF. Bei der Firma Rottstedt bedanken wir uns für die Fotos und die Erlaubnis, sie im Blog zu verwenden.