Herzlichen Glückwunsch, Frieder Nake
Geschrieben am 17.12.2018 von HNF
Unser drittes Geburtstagskind in kurzer Folge ist Frieder Nake, Informatik-Professor an der Universität Bremen. Dort leitet er die Arbeitsgruppe für grafische Datenverarbeitung und interaktive Systeme. Er kam vor achtzig Jahren, am 16. Dezember 1938, in Stuttgart zur Welt. Nake gehört zu der kleinen Schar von Pionieren, die ab 1962 einen Computer für künstlerische Zwecke einsetzten.
In der Frühzeit der Computerkultur begegnen wir den drei großen N – Noll, Nees, Nake. Der Ingenieur Michael Noll, Jahrgang 1939, war 1962 in den amerikanischen Bell-Laboratorien beschäftigt. Hier schrieb er die wohl ersten Programme, die mathematisch-künstlerische Grafiken schufen. 1965 programmierter er auch Zeichentrickfilme.
Der dreizehn Jahre ältere Georg Nees arbeitete damals bei den Siemens-Schuckertwerken in Erlangen. Er war Mathematiker und kannte sich mit Computern aus. 1964 setzte er sein Studium beim Philosophen Max Bense in der TH Stuttgart fort. Bense hatte eine formale Ästhetik entwickelt und sprach von der „Programmierung des Schönen“. Was er theoretisch meinte, brachte Georg Nees zu Papier. Am 5. Februar 1965 zeigte er mit Software erstellte Zeichnungen in der Galerie der Technischen Hochschule.
Das war die weltweit erste Ausstellung von digitaler Kunst. Sie schockierte die örtlichen Gelehrten und inspirierte einen jungen Besucher. Frieder Nake wurde am 16. Dezember 1938 in Stuttgart geboren. Nach dem Abitur studierte er dort Mathematik. 1958 erlernte er bei der IBM Deutschland in Böblingen den Umgang mit dem Röhrenrechner IBM 650. In den frühen 1960er-Jahren wechselte er an den Transistorcomputer ER 56 des schwäbischen Herstellers SEL. Ein solches Gerät lief im Recheninstitut der TH Stuttgart.
1963 gesellte sich zum Computer ein Plotter der Zuse KG. Die wissenschaftliche Hilfskraft Frieder Nake sollte ihn mit der ER 56 verbinden. Das Ziel war, die Zeichenmaschine mit Befehlen der neuen Programmiersprache ALGOL zu steuern. Nake erstellte mit Erfolg die nötige Systemsoftware; um sie zu testen, schrieb er kleine Programme für Grafiken, die er mit Zufallswerten variierte. Nun war es nur ein kleiner Schritt zur Computerkunst. Zusammen mit Georg Nees und Max Bense stand Frieder Nake im April 1965 im SPIEGEL.
Aus jener Zeit ist ein in Stuttgart gedrehter Film erhalten. Bei Minute 1:45 des YouTube-Videos sehen wir Nake, leicht am Bart zu erkennen. Gegen Ende zeichnet der Plotter ein Hauptwerk von ihm oder seines Programms, Hommage à Paul Klee. Es ist eine digitale Verneigung vor Klees Gemälde Hauptweg und Nebenwege. Vom 5. bis zum 26. November 1965 bot die Stuttgarter Galerie Wendelin Niedlich dann Grafiken von Nake an, außerdem die schon erwähnten Bilder von Georg Nees.
Anfang 1966 waren Nake-Werke im Deutschen Rechenzentrum in Darmstadt zu sehen; im Sommer 1968 gehörten sie zu den Exponaten der Londoner Schau Cybernetic Serendipity und 1970 zu denen der Biennale in Venedig. 1972 beendete Nake die Produktion direkt am Rechner und stellte auch weniger aus. Im 21. Jahrhundert sah man seine Werke wieder öfter, zuletzt in diesem Jahr in der Kunsthalle Bremen. Heute zählt er zu den Gründervätern der Computerkunst.
1967 schloss Frieder Nake seine Promotion über Wahrscheinlichkeitstheorie ab. Danach forschte und lehrte er an kanadischen Universitäten. 1972 wurde er Professor für Informatik in Bremen. Seine Arbeitsgebiete sind interaktive Systeme und natürlich die grafische Datenverarbeitung. Immer wieder übernahm er Lehraufträge und Gastprofessuren. In den 1970er-Jahren war er auch politisch tätig. Sein Versuch, 1979 für den linksextremen KBW in die Bremer Bürgerschaft einzuziehen, scheiterte allerdings.
2004 wurde Frieder Nake emeritiert, er ist aber noch akademisch aktiv. Im September 2018 erhielte er die erste Klaus-Tschira-Medaille der gleichnamigen Stiftung und der Gesellschaft für Informatik. Am Sonntag feierte Frieder Nake den 80. Geburtstag, zu dem wir ihm herzlich gratulieren. Unser Eingangsbild wurde 2005 von Malte Diedrich (CC BY-SA 2.0) geknipst; den unteren Teil des Fotos haben wir abgeschnitten.
Das Foto oben entstand im Computermuseum von Hoyerswerda und zeigt einen Plotter der Zuse KG. Er gleicht dem Gerät, das Frieder Nake 1965 in Stuttgart benutzte. Es hatte noch nicht das klare Design, das man vom Graphomaten Z64 kennt, sondern erinnerte an den Zuse-Koordinatentisch Z60 von 1956. Dieser stach kleine Löcher in eine Karte. Vermutlich erwarb die TH Stuttgart in den frühen Sechzigern eine Anlage mit Graphomat-Getriebe, aber noch mit einem alten Z60-Tisch wie dem im Foto.
Welch guter Rückblick auf ein erstaunliches Leben voller Energie und Schöpfungskraft!
Herzlichen Glückwunsch zum 80., Frieder Nake!
Die ersten Grafiken für das ER-56/Z64-Setup programmierte Frieder Nake in Maschinensprache (nicht Assembler und nicht ALGOL) im Zuge der Entwicklung seines „COMPART ER 56“-Paketes. (Vgl. Nake, F.: Ästhetik als Informationsverarbeitung. Wien/New York: Springer, S. 191f.)