IBM entdeckt den Transistor
Geschrieben am 04.10.2019 von HNF
In den späten 1950er-Jahren baute auch IBM Computer mit Transistoren. Am 5. Oktober 1959 stellte die Firma einen solchen Rechner in einer internen Fernsehsendung vor; sie erreichte Mitarbeiter und Kunden in rund hundert Orten in Nordamerika. Die IBM 1401 wog zwei Tonnen, galt aber als kleiner Computer. Insgesamt wurden 12.000 Systeme vermietet oder verkauft.
„Willkommen zur zweitwichtigsten Fernsehsendung von heute.” So begrüßte IBM-Manager Gilbert Jones Zuschauer in 102 Orten in den USA und Kanada. Sie hatten sich am 5. Oktober 1959 in Kinos, Hotels oder IBM-Filialen versammelt, um eine TV-Übertragung des Herstellers anzusehen. Sie lief nicht im normalen Fernsehen, sondern war ein Firmenprogramm; an den einzelnen Plätzen beamten Projektoren die Bilder an die Wand. Wen es interessiert: Die wichtigste Sendung des Tages war damals das vierte Baseballspiel der World Series.
Das IBM-Programm trug den Titel „Balanced Data Processing“ und dauerte knapp eine Stunde; sechzig Jahre später können wir es in voller Länge nacherleben. Die ausgewogene Datenverarbeitung lieferte der Computer IBM 1401, den Jones und seine Kollegen vorstellten. Die Sendung zeigte die Zentraleinheit sowie die Peripheriegeräte und führte auch in die Produktionsstätte in Endicott im US-Staat New York. Am Schluss erschien IBM-Präsident Thomas Watson junior, der Sohn des 1956 verstorbenen langjährigen Firmenchefs.
Mit der IBM 1401 trat Big Blue endgültig in den Markt der Transistorcomputer ein. Das erste IBM-Produkt mit Halbleitern war 1957 das Modell 608; es basierte auf dem Röhren-Tabulator IBM 604 und wurde noch mit Stecktafeln programmiert. Transistoren enthielten ebenso die Großrechner IBM 7070 und IBM 7090. Die Firma kündigte sie 1958 an; ab November 1959 erreichten sie die Kunden. Eine 7090 der NASA ist im Eingangsbild (Foto IBM News Room) zu sehen. Am Tisch sitzt der NASA-Manager und Analogrechnerpionier Helmut Hölzer. Mehr zu seinen Mondflügen erzählt die Raumfahrt-Ausstellung des HNF.
Die IBM 1401 war nicht für die Wissenschaft und Technik gedacht, sondern eher für den Einsatz in Wirtschaft und Verwaltung. Sie sollte die 1959 weit verbreitete Lochkartentechnik modernisieren. Neben dem zentralen Prozessor bot IBM einen schnellen Kartenleser und -locher sowie einen leistungsfähigen Drucker an. Die Miete für ein 1401-System begann bei 2.500 Dollar im Monat; das war nicht billig, ermöglichte aber auch kleineren Firmen die Anschaffung. Außerdem war der Computer relativ leicht zu programmieren.
Die IBM-1401-Zentraleinheit wog je nach Version zwei bis vier Tonnen; das galt aber vor sechzig Jahren als ein kleiner Rechner. Sie enthielt zwischen 4.000 und 10.000 Germanium-Transistoren und Tausende von Dioden. Der Kernspeicher fasste in der Regel 4.000 Zeichen. Der Computer hatte eine variable Wortlänge; zwei zehnstellige Zahlen wurden in 460 Mikrosekunden addiert, bei zwanzig Stellen dauert es 800 Mikrosekunden. Die IBM 1401 war sehr zuverlässig; bei manchen Nutzern rechnete sie rund um die Uhr.
Nach der Präsentation und den anschließenden Presseberichten liefen in fünf Wochen 5.200 Bestellungen für die IBM 1401 ein. Das war mehr, als die Firma für den gesamten Produktionszeitraum erwartet hatte. Im Oktober 1959 besaß sie aber nur einen Prototyp; dieser wurde im Januar 1960 in Paris und im April auf der Hannover-Messe vorgeführt. Den ersten Kunden erreichte der Computer im September 1960. Zuvor tourte das IBM-Datamobil durch Europa und warb für das neue Modell, auch beim Papst in Rom.
Bis 1971 stellte Big Blue 12.000 Systeme der 1401-Familie her; in der Mitte der 1960er-Jahre machten sie die Hälfte aller Computer auf der Welt aus. Rund 900 Anlagen arbeiteten in der Bundesrepublik. Von ihnen haben mindestens drei überlebt: eine steht in der Sammlung der IBM Deutschland in Böblingen, zwei gelangten in das Computer History Museum im kalifonischen Mountain View. Eine der beiden lief einst in Dortmund und in Hamm, die andere gehörte dem nicht mehr existierenden Computermuseum der RWTH Aachen.
Im Transistorbereich enthüllte die IBM am 21. Oktober 1959 noch einen weiteren Rechner. Die IBM 1620 war das Schwestermodell der 1401 für wissenschaftliche Zwecke; von ihr entstanden bis 1970 zweitausend Stück. Hier geht es zu der informativen 1401-Seite des Computer History Museums, das Foto oben zeigt das IBM-Datamobil im Juni 1960 in Rom. Den IBM Corporate Archives danken wir herzlich für die Nutzungserlaubnis.
Laster im Vatikan.
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