In vier Jahren beginnt die Zukunft

Geschrieben am 06.09.2024 von

Am 7. September 2028 setzt die Handlung des Romans „Signale vom Jupitermond“ ein; der Physiker Robert Brenner schrieb ihn 1968. Er umfasste 200 Seiten und spielte auf der Erde und im All. Das Buch malte im Detail und mit viel Optimismus das Leben in der Zukunft aus. Es schilderte auch die künftige Computer- und Robotertechnik.

Nach einem alten Spruch sind Prognosen schwierig, besonders solche über die Zukunft. Das hielt Autoren nicht davon ab, die Entwicklung von Technik und Gesellschaft vorherzusagen, in Form von Science-Fiction, als wissenschaftliche Studie oder als Mischung von beiden. Im Blog behandelten wir dazu Romane von H. G. Wells, Arthur C. Clarke und Isaac Asimov sowie visionäre Bücher von Ludwig Dexheimer und Egon Larsen, die 1930 und 1957 erschienen.

Vermutlich im Herbst 1968 brachte der schwäbische Ehapa-Verlag eine weitere Prophetie heraus. „Signale vom Jupitermond“ entsprang der hobby-Bücherei, einer Serie, die mit dem gleichnamigen Technikmagazin zusammenhing. Der Verfasser Robert Brenner wurde am 8. Januar 1931 in Salzburg geboren. In Wien studierte er Physik bis zur Promotion; danach ging er zu Siemens nach Deutschland. Ab 1964 arbeitete er als freier Schriftsteller und wohnte in der Nähe von Stuttgart. 1967 wirkte er am „Großen hobby Lexikon“ mit drei Bänden mit.

„Signale von Jupitermond“ ist ein Zukunftsroman. Er beginnt gegen 20 Uhr am 7. September 2028 in Rom. Dort findet ein Viertelfinale der jährlichen Roboter-Weltmeisterschaft statt, es kämpfen Mungo von der Universität Melbourne gegen Bileam der Technischen Hochschule Casablanca. Wir lernen auch drei menschliche Protagonisten kennen, den Australier Vic Curtis – er betreut Mungo – und seine Frau Terry sowie den Showmaster Phil Wonderland. An den 3D-Bildschirmen der Welt verfolgen zweieinhalb Milliarden Zuschauer die Konkurrenz, die Bileam gewinnt.

Das Cover des Romans zeigt einen Roboter draußen im Weltraum.

Die Helden unseres Buches sind der 23-jährige Urs Meyer aus Zürich und die 21 Jahre alte Ping-kai-hui aus Shanghai. (Den Namen übernehmen wir ohne Gewähr der Richtigkeit.) Urs ist von Beruf Instruktor, eine Art Online-Lehrer, Ping studiert Raumfahrtgeschichte. Die beiden lernen sich über eine Fernsehsatelliten-Verbindung kennen, und Urs erfährt von einer Entdeckung der Chinesin: Auf dem großen Jupitermond Ganymed steht ein Sender unbekannter Herkunft, der alle sechs Minuten ein Signal von 242 Zeichen abstrahlt.

Es kommt nun zu einem Flug ins Weltall, und am 19. Dezember 2028 landet ein Team aus Robotern und Menschen auf Ganymed. Zu letzteren gehören Vic Curtis, Urs Meyer und Ping-kai-hui, die das Unternehmen leitet. Bevor man den Sender untersuchen kann, zerstört er sich selbst. Alles deutet darauf hin, dass ihn außerirdische Lebewesen installierten – Robert Brenner nennt sie die „Anderen“. Unterm Strich brachte die Expedition wenig ein, doch die Signale vom Jupitermond führten einen Mann und eine Frau in Liebe zusammen.

Das wäre in kurzen Worten die Handlung des Romans. Im Text verteilt und in drei eigenen Kapiteln finden wir tiefer gehende Erläuterungen der Zukunftswelt. Anfang 2028 leben auf der Erde 6,442 Milliarden Menschen – in der Realität sind es gut acht Milliarden. Seit 2003 gibt es eine Weltregierung mit Sitz in Kalkutta und einen Weltpräsidenten. Ihn unterstützt der Weltcomputer ELIAS. Er befindet sich im Ganges-Delta unter der Erde und belegt zwölf Quadratkilometer. Ökonomisch herrscht eine vollautomatisierte Planwirtschaft.

Neben dem Superrechner ELIAS arbeiten noch 80.000 kleinere Computer für die irdische Verwaltung. Daneben treffen wir Schul-, Hochschul-, Medizin- und Gerichtscomputer sowie CUPIDO, der Ehen schließt. Die Menschen benutzen keine PCs und weder Handys noch Smartphones, man verständigt sich im Festnetz per Bildtelefon. Auch Computerfachleute sind im Jahr 2028 entbehrlich. Auf der ganzen Welt leben nur 75 Millionen Spezialisten für Kommunikationstechnik und eine unbekannte Zahl an Mathematikern.

Ganymed ist mit einem Durchmesser von 5.262 Kilometern der größte Jupitermond.

Zugute halten müssen wir Robert Brenner eine Innovation: die universelle Magnetkarte. Sie misst drei mal acht Zentimeter und speichert „in elektrostatischer Mikroschrift“ die Daten des Trägers oder der Trägerin, außerdem den detaillierten Lebenslauf, Informationen zur Gesundheit, Fingerabdrücke, Stimmproben  und aktuelle Porträtfotos. Die Karte dient auch für Finanzgeschäfte, denn Bargeld wurde 2008 abgeschafft. Im gleichen Jahr erhielt jeder Mensch eine eindeutige Personen- oder Identitätsnummer. Alle drei Monate findet ein globaler Zensus statt, die persönlichen Resultate bleiben aber geheim.

In seinem Buch schildert Robert Brenner ein hochtechnisiertes Paradies, doch manchmal bricht ein bizarrer Humor durch. So ist Frankfurt am Main die Welthauptstadt der Affen; von überall reisen Kauflustige an, um im „Ape Center“ intelligente Schimpansen, Gorillas und Meerkatzen zu erwerben. Zum TV-Programm der Zukunft erfahren wir, dass die Zuschauer neben Roboterwettkämpfen die Serie „Die Scherze des Doktor Rigoletto“ schätzen, die einen blutrünstigen Unhold – wir verzichten auf Details – des 18. Jahrhundert zeigt.

Nach seinem Erstling verfasste Brenner weitere Zukunftsromane und mehrere Sachbücher, hier geht es zu einer Übersicht. In dem Band „So leben wir morgen“ von 1972 waren kurze Science-Fiction-Erzählungen eingestreut. 1978 verarbeitete der österreichische Rundfunk „Signale vom Jupitermond“ zu einem Hörspiel, das auf Kassette vorliegt; das Buch ist nur noch antiquarisch erhältlich. Online sind die Illustrationen, die der vielbeschäftigte Zeichner Helmuth Ellgaard schuf. Robert Brenner starb am 9. August 2013 in Ostfildern.

Mit „Signale vom Jupitermond“ endet nach den Romanen Das Automatenzeitalter und  Du wirst die Zukunft noch erleben unsere kleine Serie zu Technik-Utopien deutscher Autoren. Die Ära der optimistischen Visionen mit oft unglaublichen Vorhersagen endete spätestens am 5. Januar 1970, als der SPIEGEL die Frage stellte: Planlos in die Zukunft? Die Welt von morgen fasziniert uns aber immer noch, und vielleicht empfängt eines Tages eine Station Signale aus dem All, die die Begeisterung an Wissenschaft und Technik zurückbringen.

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Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.