Konrad Zuses Kleincomputer
Geschrieben am 07.03.2017 von HNF
Konrad Zuse erfand den programmgesteuerten Digitalrechner, doch er weigerte sich zeitlebens, mit einem Mikrocomputer zu arbeiten. Aus dem Sommer 1948 ist aber ein Entwurf für eine mechanische Klein-Rechenmaschine überliefert. Sie sollte im Büro eingesetzt werden. Die Maschine konnte durch Lochkarten programmiert und durch Module erweitert werden. Leider hat Zuse seinen Buchungsautomaten nie gebaut.
Im ersten Obergeschoss des HNF gibt es auch einen Bereich für Buchungsmaschinen. Das sind Kreuzungen aus Rechen- und Schreibmaschinen für den Einsatz in der Buchhaltung. Sie kamen nach dem 1. Weltkrieg auf. Die wichtigsten deutschen Hersteller – zu nennen sind etwa Mercedes, Astra, Wanderer oder Rheinmetall – saßen in Sachsen und Thüringen. In gewissem Sinne waren jene Maschinen die geistigen Vorläufer der modernen Bürocomputer.
Auch Konrad Zuse befasste sich in den späten 1940er-Jahren mit Buchungsmaschinen. Der Erfinder des Computers lebte damals mit der Familie im Allgäu, in der Gemeinde Hopferau. 1947 gründete er hier seine zweite Firma, das Zuse-Ingenieurbüro. Seine erste, die Zuse Apparatebau in Berlin, fiel 1945 dem Bombenkrieg zum Opfer. Ihr letztes Produkt, den Relaisrechner Z4, konnte Zuse aber in das Allgäu retten. Die Z4 wurde ab 1950 in der ETH Zürich eingesetzt. Sie bildete die Basis für die dritte und erfolgreiche Firma, die Zuse KG.
In seiner Hopferauer Zeit erstellte Konrad Zuse eine Fülle von Texten über den künftigen Einsatz programmgesteuerter Digitalrechner. Sie liegen im Archiv des Deutschen Museums in München, das den wissenschaftlichen Nachlass des Computerpioniers verwahrt. Dort findet sich ebenso der Entwurf eine buchenden Rechenmaschine vom 1. August 1948. Er umfasst mit Bildern neun Seiten und beschreibt eine Klein-Rechenmaschine, wie es im Text heißt. Sie arbeitet nicht mit elektromagnetischen Relais wie die Z4, sondern mit den mechanischen Schaltgliedern, die Zuse 1936 für seinen ersten Computer Z1 erfand.
Unser Eingangsbild zeigt das Grundmodell der Buchungsmaschine. Es vereinigt die fünf kanonischen Elemente eines Computers, Eingabe, Ausgabe, Rechenwerk, Steuerwerk und Speicher. Die Eingabe geschieht über eine ergonomische Tastatur für die Ziffern 0 bis 9; dazu kommen Tasten für Operationen. An die Tastatur schließt sich eine Vorrichtung zum Abtasten der Lochkarten an, die die Buchungsvorgänge steuern. Die gerade eingeführte Karte ist in einem Fenster sichtbar. Unter dem Fenster befinden sich Tasten für Leseanweisungen.
Hinter dem Lochkartenleser beginnt das Rechen- und Speicherwerk. Zuse Maschine arbeitet intern mit 32-stelligen Dualzahlen. Der Speicher umfasst demnach 50 Plätze zu je 32 bit. Das Rechenergebnis wird in dem Fenster mit dem A durch Leuchtziffern angezeigt. Es erscheint dezimal, die Maschine enthält also ein System, das Dual- in Dezimalzahlen übersetzt und ebenso Dezimal- in Dualzahlen – man denke an die zehn Eingabetasten. Der Hebel mit dem L löscht das Resultat. Im hinteren Teil der Maschine werden die Buchungen ausgedruckt.
In seinem Entwurf von 1948 stellte Konrad Zuse – siehe oben – eine erweiterte Version der Buchungsmaschine vor. Sie verfügt über eine Schreibmaschine, über Speicherwerke mit Tausenden von Zellen und über ein Ein- und Ausgabesystem mit Lochstreifen. Eingegeben werden sowohl Daten als auch Rechenprogramme. Zitat: „Umfangreiche Rechenpläne, die sich nicht auf einer einzelnen Karte unterbringen lassen, können über Lochstreifen und Abtaster in die Maschine gegeben werden.“ Hinzudenken muss man sich vermutlich den einen oder anderen Elektromotor, der mechanische Elemente in Bewegung setzt.
1949 oder etwas später verfasste Konrad Zuse Vorschläge für ein Entwicklungsprogramm von Buchungs- und Rechenmaschinen. In seinem Aufsatz unterschied er einen Typ A, einen textschreibenden Buchungsautomaten, und einen Typ B, einen programmgesteuerten und schreibenden Rechenautomaten. Realisiert wurde keiner der beiden, vielleicht, weil sich die Zuse KG um einen richtigen Computer kümmern musste. Von 1950 bis 1953 baute sie im hessischen Neukirchen für die Optikfirma Leitz den großen Relaisrechner Z5.
1960 entwickelte Zuses Firma einen kleinen Computer, das elektronische Planimeter Z 80. Mit Buchhaltung hatte es aber herzlich wenig zu tun. Der transistorbestückte Spezialrechner digitalisierte analoge Flächenmessungen. Ein Exemplar ist im zweiten Obergeschoss des HNF ausgestellt. 1985 schenkte die Siemens AG Konrad Zuse zum 75. Geburtstag einen ihrer Personal Computer. Benutzt hat er ihn höchstens beim Fototermin. Umso schöner sind aber seine Entwürfe für kleine Rechner, die er unter den Gipfeln des Allgäus zu Papier brachte.
Alle Zeichnungen: Konrad Zuse Internet Archiv CC BY-NC-SA 3.0