NCF1 – der Mikroprozessor von Nixdorf
Geschrieben am 28.09.2021 von HNF
Man liest gelegentlich, dass Heinz Nixdorf kleine Computer nicht mochte. Er besuchte aber schon in den 1960er-Jahren die kalifornische Firma Autonetics, einen Pionier der Mikrochip-Technik. 1974 konzipierte Nixdorfs Entwickler Lorenz Hanewinkel einen Mikroprozessor für acht Bit, den NCF1. Er wurde dann in den USA gefertigt; da das Marketing fehlte, hielten sich die Verkaufszahlen in Grenzen.
2021 feiert der Mikroprozessor seinen 50. Geburtstag. Der Computer auf dem Chip war eine Erfindung, die die Welt veränderte. Den Stand der Technik legten meist amerikanische und japanische Firmen fest; den Europäern blieb in der Regel nur der Lizenzbau. Die Nixdorf Computer AG schuf aber einen der ersten deutschen Acht-Bit-Prozessoren.
Schon in den späten 1960er-Jahren sah Heinz Nixdorf eine Produktionsstätte für Mikrochips. Anaheim liegt in der Nähe von Los Angeles und ist als Heimat des Disneylands bekannt. Der Ort beherbergt außerdem die Firma Autonetics, die damals zum North-American-Rockwell-Konzern gehörte. Sie fertigte elektronische Systeme für Schiffe, Flugzeuge und Raketen, dazu Chips und Computer. Der RECOMP II von 1958 war ein Bürorechner mit Transistoren; die Zentraleinheit hatte die Ausmaße eines Fernsehempfängers und wog 89 Kilogramm.
1967 brachte Autonetics den nur ein paar Kilo schweren Computer D200 heraus. Er arbeitete in Bombern und in U-Boot-Raketen; in seinem Inneren saßen 24 Mikrochips. Einige Zeit später besuchte Heinz Nixdorf die kalifornische Firma, begleitet von seinem Chefentwickler Lorenz Hanewinkel. Ab 1969 lieferte Autonetics Chips für die Rechnerfamilie Nixdorf 820. Sie enthielten PMOS-Transistoren, die 1971 auch im Intel 4004 steckten. Der war, wie man weiß, der erste serienmäßig hergestellte Mikroprozessor.
In den 1970er-Jahren entstand im Raum San Francisco das Silicon Valley; dort wurden immer bessere Prozessoren geboren. Doch auch im Tal der Pader, die hinter der Zentrale der Nixdorf Computer AG floss, gab es Experten für Mikroelektronik. Am 20. Januar 1975 meldete Lorenz Hanewinkel eine „Schaltungsanordnung zur Zuordnung von Adressen zu Operationen zwecks Ausführung von Befehlen in einer Datenverarbeitungseinrichtung“ zum Patent an. In seinem Buch „Computerevolution“ sprach er von einem 8-Bit Einchip-Mikrocomputer.
Das Münchner Amt erteilte das Patent im Jahr 1982 unter der Nummer 2.502.005. Es enthielt weder das Wort „Chip“ noch den Ausdruck „Computer“, dient aber als Bauplan für einen Mikroprozessor. Produziert wurde er im Auftrag von Nixdorf von der amerikanischen Firma Nitron. Sie hieß bei ihrer Gründung 1972 Varadyne. 1976 gehörte sie dem Flugzeughersteller McDonnell Douglas. 1977 ging sie in den Besitz der Nanon Electronics in Cupertino über – dort saß auch Apple. Aus den frühen Achtzigern ist ein Nitron-Katalog überliefert.
Der Nixdorf-Chip trug den Namen NCF1; wir sehen ihn im Eingangsbild. Er kam 1975 oder 1976 in den Handel. 1977 finden wir ihn in einer Sonderausgabe der Zeitschrift Elektronik – Achtung, dicke Datei! Er steht in der Liste auf PDF-Seite 14. Neben dem CP 3-F von AEG-Telefunken war der NCF1 damals der einzige Acht-Bit-Prozessor deutschen Ursprungs. In der Vier-Bit-Welt gab es den SAB 4080 von Siemens. Die schlechte Nachricht ist, dass weder Nixdorf noch Nitron größere Anstrengungen zur Vermarktung unternahmen. Entsprechend gering fiel die Nachfrage aus.
Lorenz Hanewinkel kannte aber den Forschungsleiter der Hamburger Hochbahn AG gut, den Ingenieur Arnold Mies. Die Busse des Unternehmens fuhren mit NCF1-Chips. Wir zitieren aus Hanewinkels Buch: „Alle Busse standen per Funk mit einer zentralen Leitstelle in Verbindung und meldeten die von der Erfassungselektronik bereitgestellten Daten, wie Fahrernummer, Fahrzeugidentität, Standort, Tourennummer, Zeitplandifferenzen, Besetzungsgrad und Stausituationen, so dass die Zentrale Umwege anordnen oder Ersatzbusse bereitstellen konnte.“ Oder in einem Satz ausgedrückt: Vom Paderstrand an die Waterkant.
Im Volksmund auch „Heinz 1“ 😀