Niklaus Wirth – Ingenieur und Informatiker

Geschrieben am 15.02.2019 von

Der Schweizer Computerpionier Niklaus Wirth begann 1954 das Ingenieurstudium an der ETH Zürich; damals rechnete dort die Z4 von Konrad Zuse. Als Wirth in den 1970er-Jahren in Zürich Informatik lehrte, baute er den ersten Kleincomputer der Schweiz. 1984 erhielt er den Turing-Preis für Verdienste im Gebiet der Programmiersprachen. Niklaus Wirth starb am 1. Januar 2024.

Kaum etwas beeindruckt einen kleinen Jungen so sehr wie Lokomotiven. Die Schweiz ist ein Bahnland, und an dem Haus, in dem Niklaus Wirth aufwuchs, führten gleich vier Strecken vorbei. Als Jugendlicher entdeckte er dann die Luftfahrt; mit dreizehn Jahren baute er Modellflugzeuge. Diese ließen sich per Funk fernsteuern, was ihn wiederum zur Elektronik führte. Und es kam, wie es kommen musste.

Niklaus Wirth, geboren am 15. Februar 1934 in Winterthur, nahm 1954 ein Studium an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich auf. Sein Fach war die Elektrotechnik. Computer gab es schon, von denen die ETH zwei hatte: die relaisbestückte Z4 von Konrad Zuse und den im Aufbau begriffenen Röhrenrechner ERMETH. Sie standen im Institut für Angewandte Mathematik. Wirth wusste sicher von ihnen, doch andere Themen interessierten ihn mehr. Immerhin hörte er eine Vorlesung beim ERMETH-Entwickler Ambros Speiser.

Workstation Lilith von Niklaus Wirth mit roter Maus (Foto tomislav medak CC BY 2.0)

Mit dem Ingenieur-Diplom im Gepäck suchte Niklaus Wirth 1959 sein Glück in Kanada. Er fand einen Studienplatz an der Universität Laval in Quebec; hier erwarb er 1960 den Master in Elektrotechnik mit einer Arbeit zum Analogrechnen. Danach bewarb er sich erfolgreich um ein Stipendium für die USA. 1963 promovierte Wirth im kalifornischen Berkeley; seine Dissertation beschrieb die Programmiersprache Euler, benannt nach dem großen Schweizer Mathematiker. Anschließend lehrte er als Assistenzprofessor an der Stanford-Universität.

Im Herbst 1967 kehrte Nikolaus Wirth nach Zürich zurück. Nach einem Jahr Tätigkeit für die lokale Universität erhielt er eine Professur für Computerwissenschaften an seiner Alma Mater. Mit zwei Kollegen gehörte er zur Computer-Fachgruppe im ETH-Fachbereich Mathematik. 1974 rückte die Gruppe zu einem Institut für Informatik auf; den Studiengang schuf die ETH  aber erst 1981. Die geringe Belastung durch Verwaltungsaufgaben ließ Nikolaus Wirth Zeit zum Forschen. In den frühen 1970er-Jahren lag seine bekannteste Programmiersprache vor – Pascal.

1976 und 1977 verbrachte Nikolaus Wirth ein Jahr in Kalifornien. Im Forschungszentrum PARC lernte er den Minicomputer Alto kennen und schätzen. Im heimischen Zürich entwickelte er danach die vergleichbare Workstation Lilith. Der Computer wurde in einer Kleinserie gebaut und sowohl im Informatik-Unterricht als auch in ETH-Büros eingesetzt. Der Name geht auf eine altorientalische Dämonin zurück, die es der Sage nach auf junge Männer abgesehen hat. In den 1980er-Jahren entstand als Nachfolger von Lilith der 32-bit-Computer Ceres.

T-Shirt zum Lob von Niklaus Wirths Programmiersprache Modula-2. Englisch gelesen ergibt sich „is worth it“.  (Foto Computer History Museum)

Eine Übersicht über die Arbeiten von Nikolaus Wirth findet sich auf dieser Seite der ETH Zürich. Im Laufe seiner Karriere erhielt er zahlreiche Auszeichnungen; so zählt er zu den Trägern des deutschen Ordens Pour le Mérite. 1984 widerfuhr ihm die höchste Ehrung, die in der Informatik möglich ist: Er gewann den Turing-Preis. Den Ausschlag gaben dabei die von ihm entwickelten Programmiersprachen und Compiler. 1999 wurde Wirth emeritiert.

Neben Hard- und Software schuf der Schweizer noch ein nach ihm benanntes Gesetz. Demnach hält die schneller werdende Hardware nie mit der langsamer werdenden Software mit. Im Original: Software is getting slower more rapidly than hardware becomes faster. Damit kritisierte er immer weiter ausufernden Programme und schlechte Programmierer. Eine andere Weisheit von ihm lautet: Alles ist Informatik, aber Informatik ist nicht alles. Wenige Wochen vor seinem 90. Geburtstag starb Niklaus Wirth am Neujahrstag 2024. Das Foto unten zeigt ihn bei einem Besuch des HNF; er trägt sich in die „Wall of Fame“ ein.

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4 Kommentare auf “Niklaus Wirth – Ingenieur und Informatiker”

  1. Jos Dreesen sagt:

    Für die Lilith habe ich einen Emulator ¨Emulith¨ geschrieben : damit lasst sich das Arbeiten mit der Lilith sehr passabel rekonstruieren.

  2. Werdegang Da die weitaus meisten Turing-Preisträger aus der angelsächsischen Welt stamm(t)en, war Niklaus Wirth als Schweizer, also Europäer eine seltene Ausnahme. Als ich versuchte, in meinen letzten Dienstjahren auch einmal einen „Turing Award“ ins HNF zu holen – nur physikalisch – versteht sich, da sprach ich als ersten meinen Freund Donald Knuth an. Der faxte mir zwei Seiten: auf der einen eine Art Scan von einem undefinierbaren Objekt, auf der anderen eine Bleistiftnotiz, die das Rätsel löste. Als Knuth 1974 den Award bekam, gab es weder eine Trophäe noch Geld! Er bekam immerhin eine Silberschale von Tiffanys‘, die die Knuths seit 1974 als Obstschale einsetzen. In der Notiz stand auch, dass ich die Schale für das HNF bekäme; ich müsste nur den Hin- und Her-Transport so organisieren, dass er davon nichts mitbekäme. Irgendwie blieb die Schale (bisher) in Stanford. Meine diesbezügliche Anfrage an Niklaus Wirth muss ich noch finden (Norbert Ryska)

  3. Wenn ich gerade Don Knuth erwähnt habe, der hat am 10. Januar Geburtstag

  4. Herbert Bruderer sagt:

    Niklaus Wirth ist am 1. Januar 2024 kurz vor seinem 90. Geburtstag gestorben.

    https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2024/01/der-computerpionier-niklaus-wirth-ist-gestorben.html

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