Scheine aus dem Automaten
Geschrieben am 11.12.2018 von HNF
Im Mai 1968 ging in der Bundesrepublik der erste Geldautomat in Betrieb. Das Modell der Firmen Ostertag und AEG-Telefunken setzte sich aber nicht durch. 1977 boten dann die Stadtsparkasse München und die Verbraucherbank GmbH Geldspender an. Vor vierzig Jahren, am 11. Dezember 1978, wurde in der Kreissparkasse Köln ein Geldautomat der Nixdorf Computer AG aufgestellt.
Als der SPIEGEL Geldautomaten suchte, fand er sie in Amerika und Japan. Am 3. Oktober 1977 zählte der Reporter des Magazins rund 6.000 „Bankroboter“ in den USA, dazu kamen 200.000 Eingabegeräte, um an Kassen bargeldlos zu bezahlen. Zwei Hefte später ging es nach Tokio; dort warteten Hunderte von Geldspendern: „Wer die mit einem unsichtbaren, elektronisch abtastbaren Kode versehene Karte hineinsteckt, erhält in Sekundenschnelle fünf knisternde 10 000-Yen-Noten (rund 90 Mark) ausgezahlt.“
Bei uns knisterte es noch nicht so oft. Im Mai 1968 installierte die Kreissparkasse Tübingen den ersten deutschen Automaten; das Fabrikat der Firmen Ostertag und AEG-Telefunken fiel am Markt durch. Am 9. Februar 1977 startete in München ein Geldautomat neuen Typs. Das Foto zeigt Franz Kistler, den Präsidenten der Stadtsparkasse, mit Geld und Gerät; es stammte vermutlich vom Hersteller IBM. Im Herbst desselben Jahres schaffte die Verbraucherbank GmbH das Modell 770 der amerikanischen NCR Corporation an.
Der Geldautomat wurde im März 1979 vom SPIEGEL geschildert. Damals besaßen nahezu zehntausend Kunden die erforderliche Magnetkarte; nach Eintippen einer sechsstelligen PIN sahen sie sich meistens Kontoauszüge an oder tätigten Überweisungen. Die Automaten in Berlin, Bremen und Köln rückten auch Geld heraus. (Im Stammsitz der Verbraucherbank in Hamburg klappte das noch nicht.) Für die Grundversion des Modells 770 zahlte die Bank 300 DM Miete an die NCR; ein Geldspender kostete monatlich 2.800 DM.
Seit 1977 beschäftigte sich auch ein Entwicklungsteam der Nixdorf Computer AG mit Geldautomaten; der Leiter war Udo Tewes. Ein Jahr später hatte das erste Modell alle Tests absolviert, es ist oben im Eingangsbild zu sehen. Am 11. Dezember 1978 stand es in der Kreissparkasse Köln am Neumarkt, druckte Kontoauszüge und gab Scheine aus. Das „Selbstbedienungszentrum“ besaß ein vierzeiliges Display und vier Geldkassetten, in der Regel mit 10-, 20-, 50- und 100-DM-Scheinen gefüllt. Der Kunde steckte wie üblich seine Magnetkarte ein und tippte die PIN.
Der Magnetstreifen speicherte unter anderem die Kontonummer, die Bankleitzahl und die Gültigkeit der Karte. Der Geldautomat war mit dem Computer der Sparkasse verbunden, der die Identifikationsnummer des Kunden überprüfte. Die PIN befand sich nicht auf der Karte, dafür aber eine andere Zahl, die wir Referenzwert nennen möchten. Mit einem Algorithmus, der auf dem amerikanischen Data Encryption Standard basierte, wurde aus der eingetippten PIN und anderen persönlichen Daten ein Resultat berechnet.
Stimmte dieses mit dem Referenzwert der Karte überein, so war die eingegebene PIN korrekt gewesen. Der Aufbau des Algorithmus schloss eine Rückwärtsrechnung zur PIN praktisch aus. Ein Ganove hätte den Referenzwert auslesen, doch nicht daraus die PIN ermitteln können. Das sprach sich wohl auch in der Unterwelt herum. Im Dezember 1981 berichtete der SPIEGEL, wie Räuber nach Feierabend eine Kölner Bankfiliale heimsuchten; sie zwangen am Geldautomaten wartende Bürger, hohe Beträge abzuheben und ihnen zu übergeben.
Der Nixdorf-Geldautomat war 1978 nur während der Schalteröffnungszeiten zugänglich. Entsprechend gering fiel die Nachfrage aus. Das besserte sich etwas, als die Automaten vor den Türen der Geldinstitute installiert wurden. Es dauerte aber noch lange, bis sie sich durchsetzten. 1979 schlossen die Spitzenverbände der Banken, Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken sowie die Post einen Vertrag, der eine einheitliche Kartennutzung ermöglichte. Dennoch gab es im Frühjahr 1983 erst zweihundert Geräte im Lande.
Im März 1987 erhielt die DDR den ersten Geldautomaten. Im August 1989 war die Zahl auf 274 angestiegen, davon 80 in Ost-Berlin. Die BRD besaß mehrere Tausend. Heute dürften im vereinten Deutschland um die 60.000 Automaten in Betrieb sein. Sie akzeptieren keine Karten mehr, die nur über einen Magnetstreifen verfügen. Notwendig ist auch ein Chip. Weiterentwickelt hat sich ebenso die Verbrecherwelt: Der moderne Ganove bedroht keine Bankkunden mehr, sondern sprengt einfach den Automaten samt Geld in die Luft. Das Eingangsbild zeigt einen Nixdorf-Geldautomaten.
Zur Popularisierung des Geldausgabeautomaten setzten die Sparkassen von Essen und Bochum auch den allseits bekannten Ruhrpott-Kabarettisten Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeier ein. Auf einer Single-Schallplatte schildert er die Vorzüge des „Geldautomaten“ im häuslichen Alltag: „Wännich Mäuse brauch‘, drückich n‘ Knopp. Äährlich.“