Sirius gegen IBM
Geschrieben am 19.10.2021 von HNF
Im August 1981 präsentierte IBM den PC. In Europa war er aber lange nicht erhältlich. Wer hier einen guten 16-Bit-Rechner benötigte, kaufte den Sirius 1; in Amerika hieß er Victor 9000. Sein Urheber war der amerikanische Ingenieur Chuck Peddle. Seine Premiere erlebte der Sirius vor genau vierzig Jahren auf der Computermesse Systems in München.
Vor vier Jahren nannten wir ihn im Blog einen der ganz Großen in der Welt der kleinen Computer. Gemeint war der Ingenieur Chuck Peddle, geboren 1937 in Neuengland und 2019 in Kalifornien verstorben. Wir verdanken ihm unter anderem den Mikroprozessor MOS 6502, den Einplatinenrechner KIM-1 und den Commodore-Computer PET 2001.
1980 gründeten Chuck Peddle und der Finanzier Chris Fish die Firma Sirius Systems Technology; Hauptinvestor war der Mischkonzern Kidde. Sirius saß in Scotts Valley im Bergland zwischen dem Silicon Valley und der Pazifikküste. Im Ort befand sich auch der Festplatten-Hersteller Seagate. Am Dezember 1980 stellte Peddle ein kleines Team von Entwicklern zusammen, im Januar 1981 begann es mit der Arbeit. Schon im April legte das Unternehmen den Prototypen eines Personal Computers vor – Sirius 1.
Er enthielt den 16-Bit-Prozessor Intel 8088; der Chip steckte ebenso im PC, den IBM im August 1981 vorstellte. Der Sirius-Hauptspeicher fasste 128 Kilobyte und ließ sich bis zu 896 Kilobyte erweitern. Der Speicher des IBM PC reichte nur von 16 bis 256 Kilobyte. Der Sirius brachte zwei Plätze für Fünfeinviertel-Zoll-Disketten mit; der Monitor zeigte 800 mal 400 Pixel an, eine exzellente Leistung für einen Mikrocomputer. Der Computer gab zudem Töne von sich. Das Betriebssystem kam von Microsoft; 1982 stand CP/M-86 zu Verfügung.
Eine besondere Eigenschaft der Sirius-Diskettenlaufwerke waren die einprogrammierte Datenkompression und die fünfzehn Geschwindigkeiten. Beim Beschreiben und Lesen der äußeren Spuren rotierte die Diskette langsamer als bei den inneren; auf diese Weise wurde eine größere Zahl von Bits gespeichert. Eine Sirius-Scheibe fasste mehr als dreimal so viele Daten als die des Apple II oder des IBM PC. Der Nachteil war natürlich, dass man Apple- oder IBM-Floppys nicht im Sirius benutzen konnte und umgekehrt.
Seine Premiere erlebte Chuck Peddles Computer in Bayern. Er wurde vom 19. bis 23. Oktober 1981 auf der Münchner Systems gezeigt. Im November war er auf der Comdex-Messe in Las Vegas zu sehen. Dort hieß er nicht Sirius, sondern Victor 9000; der Vertrieb oblag der Firma Victor Business Products. Wir lernten sie im Blog als Kunde von Heinz Nixdorf kennen: ab 1968 nahm sie den vom Labor für Impulstechnik entwickelten Tischrechner Conti ab. 1972 wurde die Computerabteilung von Victor zur amerikanischen Nixdorf-Filiale.
Der Victor 9000 kam 1982 in den Handel; die Grundversion kostete 4.995 Dollar. Angeboten wurde eine ganze Palette von Büroprogrammen und Programmiersprachen. Deutsche Käufer zahlten für das Schwestermodell Sirius 19.995 DM einschließlich Mehrwertsteuer. Das war eine Menge Geld, doch musste der Rechner kaum Konkurrenz fürchten; die IBM lieferte noch keine PCs in die Bundesrepublik. Das Magazin CHIP kürte den Sirius infolgedessen zum Computer des Jahres in der Kategorie Personal Computer.
Während der Sirius in Europa Erfolge feierte, hatte der Victor in Amerika einen schweren Stand. Hier wurde er rasch vom IBM PC überflügelt. Ende 1982 übernahm Chuck Peddles Firma ihren Distributor und nannte sich fortan Victor Technologies. Im Frühjahr 1983 brachte Big Blue den Personal Computer nach Deutschland, und der Abschwung ging weiter. 1983 setzte der deutsche Victor-Zweig angeblich 50 bis 60 Millionen DM um. Im Februar 1984 meldete die Mutterfirma aber Konkurs an; ein Jahr später landete sie beim schwedischen IT-Unternehmen Datatronic.
Nach weiteren Besitzer- und Produktwechseln gibt es den Kern der Firma noch; das ist die Homepage. Sirius-Computer überlebten in historischen Sammlungen und auf YouTube, unser Eingangsbild zeigt den Rechner des HNF. Ein technischer Nachfahre des Sirius war in den 1980er-Jahren der englische Apricot. Eine gute Einführung ins System vermittelt das Heft des Computermagazins BYTE vom November 1982; hier ist der Artikel über den Victor 9000 und hier ein Interview mit Chuck Peddle.