Von Hannover in die Welt

Geschrieben am 18.04.2017 von

In jedem Frühjahr startet die Hannover Messe. In diesem Jahr feiert sie wieder ein Jubiläum. Die erste „Export-Messe“ wurde am 18. August 1947 eröffnet. Sie richtete sich zunächst an Käufer aus dem Ausland. Aus ihr entstand die größte Schau der Welt für Konsum- und Investitionsgüter. Jahrzehntelang war sie ein wichtiges Schaufenster der Büro- und Computertechnik.

„Der neue Stern am deutschen Messehimmel wird in den letzten Stunden auf Hochglanz poliert. Das hannoversche Messegelände ist ein kreischendes, farbenklecksendes Durcheinander, in dem es nur eine friedliche Oase gibt, den Fischbrötchen-Stand. Hier entschädigen sich die Messearbeiter gegen 50 Gramm Brotmarken für die Plackereien der letzten Wochen.“

Das schrieb der SPIEGEL am Samstag, dem 16. August 1947. Zwei Tage später wurde der Stern eröffnet, und die Neugierigen stürmten das Gelände, siehe die Wochenschau ab Minute 7:00. Bis zum 7. September besuchten 736.000 Menschen die Exportmesse Hannover, schauten sich die Stände an und kosteten die Fischbrötchen. Die gab es gratis und ohne Lebensmittelkarten. Waren kaufen durften nur die ausländischen Gäste, doch am Ende meldeten die rund 1.300 Aussteller 1.934 Exportverträge über 31,5 Millionen Dollar.

Stand der Büromaschinenfirma Triumph in den 1950er-Jahren  (Foto Deutsche Messe AG)

Zu den fünf Hallen von 1947 kamen im Laufe der Jahre noch 21 hinzu. Die Exportmesse wurde zur Hannover-Messe – heute Hannover Messe ohne Bindestrich – und zu einer Erfolgsgeschichte der Nachkriegszeit. Die Schau symbolisierte den Wiederaufbau und das Wirtschaftswunder, war ein globales Schaufenster für Konsum- und Investitionsgüter und sprach Normalverbraucher ebenso an wie Manager und Politiker. Und wer nicht nach Hannover fahren konnte, erlebte die Messe in Presse, Funk und Wochenschau.

Aufmerksamkeit erregten vor allem die Großgeräte im Freigelände, doch nach und nach drangen Bürotechnik, Rechenmaschinen und Computer vor. 1947 war der Kleinaddierer Addiator zu sehen. Für die Firma Brunsviga aus dem nahen Braunschweig war die Messe ein Heimspiel. In den 1950er-Jahren bot aber auch die Nürnberger Diehl GmbH ihre Vier-Spezies-Maschinen an. 1951 zeigte sich die IBM Deutschland. Verkauft wurden hauptsächlich Lochkarten- und Schreibmaschinen sowie Geräte zur Zeiterfassung.

Heinz Nixdorf 1956 in Hannover; rechts steht sein Elektronensaldierer ES24

Der erste Elektronenrechner in Hannover könnte 1954 die UNIVAC gewesen sein, die ab Minute 3:13 der Wochenschau erscheint. Sie war nicht frei programmierbar, sondern steuerte die Auswertung von Lochkarten. 1957 stellte die Zuse KG den Computer Z 22 vor; ein Jahr später wurde er ausgeliefert. 1958 brummte auf dem IBM-Stand die IBM 305 RAMAC. Sie lief wie die Z 22 mit Röhren, besaß aber tonnenschwere Magnetplatten. Siemens enthüllte 1959 die transistorbestückte Siemens 2002, die sogar schon über einen Monitor verfügte.

Ab 1957 teilten sich die Digitalrechner mit der übrigen Bürotechnik die Halle 17. Computer und Lochkartenmaschinen standen im Erdgeschoss, die kleineren Rechen-, Buchungs- und Schreibmaschinen im 2. Stock. Die lautstarken Locher und Drucker führten zur inoffiziellen Hallenbezeichnung „Hölle 17“. In den späten 1950er-Jahren nahm die Bürowirtschaft unter den ausstellenden Branchen schon den dritten Rang ein. Vorne lagen der Maschinenbau und die klassische Elektrotechnik.

Der Siemens-Messestand 1959 mit dem System Siemens 2002  (Foto Siemens AG)

Über den Messebetrieb anno 1965 haben wir bereits in unserem Blog berichtet. Ab 1969 war auch die Nixdorf Computer AG mit einem eigenen Stand vertreten. 1970 konnten sich die Firmen aus der EDV über die Riesenhalle 1 freuen. Sie lag im Norden des Geländes und umfasste 52.000 Quadratmeter. Der neue Messebereich hieß „Centrum für Büro- und Informations-Technik“, abgekürzt CeBIT. Schon Ende der 1970er-Jahre war die Halle 1 zu klein. Das CeBIT wurde um die Halle 2 ergänzt; in den 1980ern okkupierte sie die Hallen 3, 4 und 18.

Lange dominierten die mittleren und großen Systeme; das beweist auch der Bericht der Computerwoche von 1981. 1978 erschien der Commodore PET. 1981 gesellte sich der Apple II hinzu. 1982 zeigte Commodore – seit 1981 fertigte man in Braunschweig – den C64. 1983 zählte der SPIEGEL in Hannover „rund 200 Personalcomputer“. Hier war das CeBIT aber nicht das Maß aller Dinge. Auf der Kölner Messe Orgatechnik mietete Apple 1984 eine komplette Halle, in der sich an die hundert Händler, Softwarehäuser und Verlage tummelten.

Heinz Nixdorf 1982 im CeBIT mit Bundespräsident Karl Carstens

Die Hannover-Messe 1985 zählte 1.300 Informatik-Aussteller auf insgesamt 130.000 Quadratmetern Fläche. Ein Jahr später sah alles ganz anders aus. Denn am 12. März 1986 öffnete die CeBIT – jetzt weiblich dekliniert. Die neue, auf IT-Technik konzentrierte Messe lockte 2.142 Aussteller an, die mehr als 200.000 Quadratmeter belegten. An acht Tagen kamen 334.400 Besucher. Der Eintritt betrug nur 8 DM. Ein Star der Ausstellung war der Commodore Amiga mit nie gekannten Grafikfähigkeiten.

Überschattet wurde der Messetrubel durch den Tod von Heinz Nixdorf am 17. März 1986 auf einer Veranstaltung seiner Firma. In der folgenden Zeit erlebte die CeBIT einen rasanten Aufstieg. Im Rekordjahr 2001 erschienen 8.015 Firmen und 830.000 Besucher. Danach sanken die Zahlen wieder, woran steigende Eintrittspreise und verkürzte Laufzeiten nicht unschuldig waren. Auch der Technikwandel wirkte sich aus. Wer neue Smarthphones sucht, fährt nicht nach Hannover, sondern fliegt zum Mobile World Congress nach Barcelona.

Hannover Messe 2008; inzwischen gibt es die Halle 1 (vorne) nicht mehr (Foto www.ballon-sz.de , CC BY-SA 2.0 DE)

Eingangsbild: Deutsche Messe AG

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