Wie zwei Dänen beinahe die Enigma erfanden
Geschrieben am 01.02.2022 von HNF
Am 7. Mai 1921 erhielten Peter Georg Grove Beyer und Alfred Julius Theodor Carlsen ein deutsches Patent für eine „Geheimschriftschreibmaschine“. Sie verschlüsselte Klartexte durch ein geheimes Alphabet, das durch Drähte auf einem Schieber festgelegt wurde. Die Erfindung der beiden Dänen war eines der ersten elektrischen Chiffriergeräte und erinnert in manchen Punkten an die legendäre Enigma.
Vor gut einem Jahrhundert kamen Erfinder in mehreren Ländern auf Chiffriergeräte, die mit elektrischem Strom arbeiteten. Die holländischen Marineoffiziere Theo van Hengel und Rudolf Spengler bauten 1915 die erste Rotor-Maschine; entsprechende Patente meldeten Arvid Damm in Schweden, Edward Hebern in Amerika, Hugo Koch in Holland und Arthur Scherbius in Deutschland an. Sein Entwurf führte zur allseits bekannten Enigma, die in unserem Eingangsbild zu sehen ist.
Zwei andere Namen aus der Kryptographie-Technik gerieten in Vergessenheit: Peter Georg Grove Beyer und Alfred Julius Theodor Carlsen. Sie standen auf einer Patentanmeldung, die am 26. August 1919 in Kopenhagen eingereicht und am 27. September 1920 gewährt wurde. Das Patent trug Nummer 26.710 und betraf – wir übersetzen den Titel ins Deutsche – eine Chiffren-Schreibmaschine zum gleichzeitigen Schreiben von Depeschen oder ähnlichem mit gewöhnlichem und geheimem Text und zur Entschlüsselung solcher Depeschen.
Schon am 10. März 1920 meldeten die Erfinder ihre Idee beim Reichspatentamt in Berlin an; am 7. Mai 1921 wurde sie patentiert. Ehe wir die „Geheimschriftschreibmaschine“ genauer behandeln, einige Worte zu Peter Beyer und Alfred Carlsen. Ersterer lebte von 1881 bis 1961, war Offizier und später bei der Eisenbahn. Sein Mit-Erfinder wurde 1871 geboren, diente bei den Königlichen Pionieren – das geht aus einem englischen Patent von 1910 hervor – und starb 1929.
Ihr Patent Nr. 336.669 beschrieb eine Kombination aus zwei Schreibmaschinen und einer Chiffriervorrichtung. Ein Bediener tippt auf der ersten Maschinen den Klartext ein; dabei wird jeder Buchstabe mit einer elektrischen Verwürfelung in einen anderen überführt. Den bringt die zweite Maschine zu Papier. Der so veränderte Text gelangt an den Adressaten. Er besitzt die gleichen Maschinen und gibt die erhaltene Nachricht ein. Die Vermischung des Alphabets wird umgekehrt und liefert genau den ursprünglichen Klartext.
Von der Enigma kennen wir die Rotoren mit einer internen Verdrahtung: sie bewegen sich automatisch weiter und erzeugen bei jeder Eingabe ein anderes Chiffrieralphabet. Das System von Peter Beyer und Alfred Carlsen besitzt statt der Rotoren einen Schieber; durch ihn laufen die elektrischen Verbindungen. Nach dem Eintippen eines Buchstabens rückt er in eine neue Position. Die Positionsänderung erfolgt rein mechanisch. Der Schieber tastet eine unregelmäßige Scheibe ab, die sich neben ihm dreht. Die Ver- und Entschlüsselung ist aber durchaus mit der deutschen Maschine vergleichbar.
Die Nachteile der dänischen Chiffriergeräts sind die geringe Zahl der Permutationen und die Einprägung der Verschiebungen in der Hardware. Würde ein Spion ein Exemplar erbeuten, wären mit einem Schlag alle Geheimnisse offenbar geworden. Das hielt Peter Beyer nicht davon ab, nach dem deutschen auch noch ein amerikanisches Patent zu beantragen. Er erhielt es 1922 mit Nummer 1.414.496 und für einen Cryptographic Typewriter. 1920 erfand er außerdem eine Rechenmaschine; das französische Patent dazu von 1925 ist online.
1923 kam das erste Modell der Enigma heraus; einige Jahre lang war es frei erhältlich. Beyer erfuhr sicherlich, wie es funktionierte, und erdachte ebenfalls ein Chiffriergerät nach dem Rotor-Prinzip. 1934 erhielt er ein deutsches und ein amerikanisches Patent. Wie die Grafik oben zeigt, saßen die Rotoren ringförmig ineinander, was eine recht kompakte Bauweise ermöglicht hätte. Tatsächlich realisiert wurde wohl keiner der Geistesblitze von Peter Georg Grove Beyer und Alfred Julius Theodor Carlsen, aber das ist eben Erfinderschicksal.
Der „Urkryptografen“ ist ein dänisches Gerät. Es basiert auf einem Substitutions-Chiffrierverfahren und ähnelt dem „Cryptograph“ von Wheatstone aus dem Jahr 1866.
Die Verschlüsselung erfolgt durch Verschiebung von austauschbaren Alphabet-Ringen aus Papier.
ein anderes dänisches (Taschen-)Chiffriergerät: Der Urkryptografen wurde 1936 durch das Kriegsministerium für die dänische Armee freigegeben, aber schon seit mindestens 1934 tatsächlich benutzt.
Das Gerät wurde in großer Stückzahl hergestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Urkryptografen auf höheren Kommandoebenen durch eine Hagelin-Maschine ersetzt. Ab 1947/48 wurde das Gerät gegen leichter bedien- und zu produzierbare Maschinen ausgetauscht.