100 Jahre BBC
Geschrieben am 18.10.2022 von HNF
Die British Broadcasting Corporation ist die älteste nationale Rundfunkanstalt. Sie begann am 18. Oktober 1922 als private British Broadcasting Company; ihre heutige Form erhielt sie 1927. Ab 1932 produzierte die BBC auch Fernsehprogramme. Schon früh widmete sie sich modernster Technik; bekannt wurde in den 1980er-Jahren der BBC-Mikrocomputer. 1966 strahlte die BBC eine klassische Internet-Utopie aus.
Selbst wer kein Englisch spricht, kennt den Ausdruck „Bi-bi-ssie“ mit langem I. Als die BBC vor hundert Jahren anfing, standen die drei Buchstaben für British Broadcasting Company. Am 18. Oktober 1922 wurde sie als Unternehmen von sechs Radioherstellern gegründet; am 14. November nahm sie im Londoner Marconi-Haus ihre Sendungen auf. Das ist ein kurzer Rückblick auf die Anfänge des Betriebs.
Am 1. Januar 1927 entstand aus der privatwirtschaftlichen Company die British Broadcasting Corporation als königlich abgesegnete Körperschaft. Das führte zu der auch hierzulande bekannten Organisationsform nach öffentlichem Recht und mit Rundfunk-Gebühren. 1929 erzeugte der Erfinder John Logie Baird für die BBC die ersten Fernsehbilder, 1932 startete die Anstalt ein selbstgemachtes TV-Programm. Ab dem 2. November 1936 sendete die BBC im Raum London mit einem elektronischen 405-Zeilen-System. Das parallel dazu getestete Baird-Verfahren mit 240 Zeilen wurde schnell wieder eingestellt.
Das sind Impressionen von damals und vom ersten Sendeturm auf dem Alexandra Palace. Nach kriegsbedingter Pause nahm die BBC 1946 das Fernsehen wieder auf; in der Mitte der 1950er-Jahre war das Vereinigte Königreich abgedeckt. 1955 stellte sich in Gestalt des TV-Netzwerks ITV eine kommerzielle Konkurrenz ein. 1964 eröffnete die BBC einen zweiten Kanal BBC2. Er strahlte Bilder mit 625 Zeilen aus und ab dem 1. Juli 1967 solche in Farbe; benutzt wurde die deutsche PAL-Norm. 1974 führte die BBC den Videotext Ceefax ein. Im 21. Jahrhundert begannen Sendungen von Fernsehsatelliten und über das Internet.
Dort installierte die BBC ebenso eine Seite zum Jubiläum. Uns interessiert, was sie in ihren hundert Jahren zur Hochtechnologie und ihren Folgen brachte. Im Blog wiesen wir schon auf die TV-Fassungen von Karel Čapeks Roboter-Drama R.U.R. hin, die die BBC 1938 und 1948 schuf. Im Dezember 1954 lief an zwei Abenden „1984“ nach dem Roman von George Orwell. Es handelte sich um Live-Sendungen. Die erhaltene Fassung wurde wohl bei einer der beiden Ausstrahlungen vom Bildschirm abgefilmt.
Nigel Kneale, Autor des „1984“-Drehbuchs, bescherte dem Publikum in den 1950er-Jahren auch die Science-Fiction-Stücke der Quatermass-Serie und 1968 eine bissige Satire zum Fernsehen der Zukunft. Schon 1961 erschien in der Serie A for Andromeda ein Großrechner. Die wichtigste Utopie der BBC dürften die Abenteuer von Doctor Who sein. Keine fiktionale, sondern eine reale Sendung war am 25. Juni 1967 Our World, die vierzehn Länder über TV-Satelliten verband. Hier geht es zum deutsche Teil. 1982 kam The Computer Programme mit zehn Folgen, zu denen die BBC außerdem den passenden Computer lieferte.
Zum BBC-Centennial möchten wir eine Produktion hervorheben, die am 6. Oktober 1966 auf BBC2 ausgestrahlt wurde. The Machine Stops basierte auf der gleichnamigen Erzählung des englischen Literaten Edward Morgan Forster; er schrieb sie im Jahr 1909. Sie schildert eine vollautomatische und vollvernetzte Welt, die Menschen leben in unterirdischen Zellen, die sie fast nie verlassen. Vashtis Zelle befindet sich vermutlich in Australien, ihr Sohn Kuno wohnt in England. Kuno bittet seine Mutter per Bildtelefon um einen Besuch; widerwillig besteigt sie das Luftschiff nach Europa.
Beim Treffen in England erzählt Kuno von einem kurzen Besuch der Erdoberfläche. Er sah dort eine junge Frau, ehe ihn große mechanische Würmer, die Helfer der allmächtigen Maschine, in seine Zelle zurückholten. Zwei Jahre später wohnt Kuno in unmittelbarer Nähe zu seiner Mutter. Die Maschine fällt immer öfter aus, am Ende stellt sie den Betrieb völlig ein. Vashti und Kuno kommen noch einmal zusammen und sterben so wie alle, die an die Maschine glaubten. Als Trost dient ihnen die Erkenntnis, dass oben auf der Erde andere Menschen in Freiheit weiterleben.
So pessimistisch betrachtete E. M. Forster – er starb 1970 – die Hochtechnologie. Seine mittlerweile klassische Utopie kann man hier im Original lesen; dieser Link führt zur BBC-Produktion und dieser zur deutschen Ausgabe. Unser Eingangsbild zeigt George Orwell, der von 1941 bis 1943 für die BBC arbeitete; leider überlebte keine Tonaufnahme von ihm. Wir schließen mit einer BBC-Serie von 1991 zur Computergeschichte (bei der die ersten zwei Minuten verloren gingen) und einem Ausschnitt aus dem ersten Blockbuster der BBC, der Krönung von Königin Elisabeth am 2. Juni 1953. Die Reklame bitten wir zu entschuldigen.
Der Rundfunkstart eines Landes. Was für ein Ereignis! Und aus heutiger Sicht: Was für ein Meilenstein in der Geschichte eines Landes! Ganz wichtig: Die bestmögliche museale Aufarbeitung sowohl des gesellschaftlichen Aspekts wie auch dem Technischen. Es ist ein Mekka für den technisch Interessierten, historische Sendetechnik vor Ort zu erleben. Hier setzt auch ein gewisser Bildungsauftrag des Staates an. Wie will man die Technik von Morgen planen und meistern, wenn man nicht die alte Technik kennt. Da reicht es nicht, sich so etwas auf irgendeiner Web-Seite anzusehen; Lernen durch Erleben ist da angesagt. Es würde mich interessieren, wie der Britische Staat es unterstützt, alte vorhandene Technik zu erhalten. Deutschland hatte auch einen fulminanten Rundfunkstart. Die Wiege des deutschen Rundfunks ist auf dem Funkerberg in Königswusterhausen bei Berlin. Im Museum dort wird Geschichte und historische Technik vermittelt. Es ist bewundernswert, mit wieviel Engagement die Mitarbeiter tätig sind. Ich persönlich hatte den Eindruck, sie kämpfen darum, unwiderbringliche Dinge vor dem Verfall zu retten, die Unterstützung von Bund und Land ist minimal.
Zu den Anfängen des deutschen Radios in Königs Wusterhausen haben wir hier etwas im Blog: https://blog.hnf.de/weihnachten-mit-radio/