70 Jahre Transistorrechner

Geschrieben am 14.11.2023 von

Ende 1947 wurde in den amerikanischen Bell-Laboratorien der erste Transistor vorgeführt. Am 16. November 1953 lief in der Universität von Manchester ein Computer damit; gebaut hatten ihn die Studenten Richard Grimsdale und Douglas Webb. 1954 arbeiteten der TRADIC der Bell-Labs und ein Rechengerät der IBM mit Transistoren. 1955 folgte der CADET im englischen Forschungszentrum Harwell.

Der Transistor, das wohl wichtigste Bauelement der Elektronik, ist eine Erfindung der drei Physiker William Shockley, Walter Brattain und John Bardeen. Am 23. Dezember 1947 wurde er in den Bell-Laboratorien im US-Bundesstaat New Jersey intern vorgeführt und am 30. Juni 1948 in New York öffentlich gemacht. Das Urmodell war der Spitzentransistor; nach wenigen Jahren verdrängte ihn der technisch verwandte Flächentransistor.

Damals erschienen in den USA und in England die ersten Elektronenrechner. Sie besaßen Vakuumröhren; die Experten wussten aber, was bald an ihre Stelle treten würde. Das galt auch für den 1921 in Earlsheaton bei Leeds geborenen Tom Kilburn; wir trafen ihn bereits in unserem Blog. Er lehrte Elektrotechnik an der Universität Manchester und beauftragte die graduierten Studenten Richard Grimsdale und Douglas Webb mit der Konstruktion eines Transistor-Computers. Am 16. November 1953 nahm dieser den Dienst auf.

Der TRADIC („TRAnsistor DIgital Computer“) der Bell-Laboratorien. Links hockt Entwicklungsleiter Jean Howard Felker.

Er umfasste eine Speichertrommel und fünf Elektronikregale; hier geht es zu Fotos. In den Regalen saßen 92 Spitzentransistoren und 550 Halbleiter-Dioden; sie machten ihn zum allerersten Transistorrechner. Die Wortlänge betrug 44 Bit. Auf der Trommel – sie gehörte zuvor dem Computer Manchester Mark 1 – bildeten 64 Worte den Arbeitsspeicher. 1955 lag ein Modell mit 200 Transistoren und 1.300 Dioden vor. 1956 fertigte die in Manchester ansässige Technikfirma Metropolitan-Vickers sechs oder sieben verbesserte Exemplare namens Metrovick 950; sie nutzten Flächentransistoren.

Der erste amerikanische Transistorrechner hieß TRADIC und lief im Januar 1954 in den Bell-Laboratorien. Er entstammte einem Projekt für einen Computer, der in ein Flugzeug passte; eine spätere Version ging tatsächlich in die Luft. Ingenieure der IBM stellten im Oktober 1954 eine Halbleiter-Ausführung der elektronischen Tabelliermaschine IBM 604 fertig. Ihre 1.250 Röhren wurden durch 2.200 Transistoren ersetzt, die weniger Platz benötigten. IBM baute nur ein Exemplar des Geräts, es führte aber zum „Transistor Calculator“ IBM 608, den Big Blue ab Dezember 1957 auslieferte.

TX-0 des Massachusetts Institute of Technology (Foto Computer History Museum)

Im Februar 1955 arbeitete der nächste englische Transistor-Computer; er ist oben in unserem Eingangsbild zu sehen. CADET stand im Atomforschungszentrum von Harwell bei Oxford, der Projektleiter war Ted Cooke-Yarborough. Der Name ergab sich aus „Transistor Electronic Digital Automatic Computer“; bitte die Anfangsbuchstaben von hinten nach vorne lesen. Der Kadett hatte 324 Spitzen- und 76 Flächentransistoren sowie einen Trommelspeicher für 64 Kilobyte. 1958 schaffte das Forschungszentrum einen leistungsfähigen Röhrenrechner an; ein Jahr später musterte es den CADET aus.

Der erste japanische Transistor-Computer, der ETL Mark III, arbeitete 1956 im staatlichen Elektrotechnischen Labor; er war der zweite Elektronenrechner des Landes. Die Entwickler hießen Shigeru Takahashi, Hiroji Nishino, Isokazu Matsuzaki und Kaoru Kondo. Ihr Computer enthielt 130 Spitzentransistoren und 1.300 Germanium-Dioden und operierte mit 16-Bit-Worten. Der Arbeitsspeicher nahm 128 Worte mit Verzögerungsleitungen auf. Der Nachfolger ETL Mark IV von 1957 bekam Flächentransistoren.

Die Multitronic-Einheit des Labors für Impulstechnik Paderborn war der erste serienmäßig gebaute Transistorrechner aus Deutschland.

1956 wurde ebenso der TX-0 im Massachusetts Institute of Technology fertig. Zu ihm gibt es ein Video – bitte zu Minute 3:40 gehen – aus dem alten Computer Museum von Boston. Der erste Transistorrechner im kontinentalen Europa war das Informatik-System Quelle, ein Entwurf von Karl Steinbuch. Er erlebte seine Realisierung Ende 1957. Das Jahr 1958 sah das Mailüfterl in Wien, die Electrologica X1 aus den Niederlanden und das Multitronic-Modul von Heinz Nixdorf. Sein Labor für Impulstechnik lieferte es an die Kölner Firma Exacta für den Buchungsautomaten Exacta Continental 6000.

Damit schließen wir die Frühzeit der Transistor-Computer ab; eine längere Auflistung findet sich hier. Ab 1959 eroberte der Rechnertyp die Welt, zunächst mit diskreten Transistoren und danach mit integrierten Schaltungen und Mikrochips. Hier sehen wir Tom Kilburn – er starb 2001 – am Nachbau des Manchester Baby von 1998. Das Original entstand 1948 und war der erste Von-Neumann-Rechner. Dieses Video zeigt ab Minute 3:50 Richard Grimsdale bei einem Vortrag im Jahr 2000; es geht um den von ihm 1953 gebauten Transistorrechner. Das ist schließlich eine Meldung über seinen damaligen Mitkonstrukteur Douglas Webb.

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