Computer für den Mittelstand – IBM System/3
Geschrieben am 29.07.2019 von HNF
Am 30. Juli 1969, zehn Tage nach der Mondlandung, stellte die Firma IBM einen kompakten Computer vor, das System/3. Die billigste Version kam für 15.200 Dollar oder 310 Dollar Monatsmiete ins Haus. Das System/3 enthielt von Anfang an integrierte Schaltungen; es benutzte außerdem eine neue kleine Lochkarte. Die Kundschaft erhielt den Rechner ab Januar 1970.
„Ab jetzt gibt es einen IBM Computer für jene 70% aller Unternehmen, die bisher glaubten, sich keinen Computer leisten zu können.“ Diese erfreuliche Meldung stand 1969 mit dem Datum 17. September 1969 in westdeutschen Zeitungen und Zeitschriften. Sie gehörte natürlich zu einer Anzeige und warb für das neueste Produkt der Firma, das System/3. In Amerika wurde es schon am 30. Juli 1969 vorgestellt; hier sind einige Berichte dazu.
Als Zielgruppe wurden vor fünfzig Jahren smaller businesses angepeilt, also kleine und mittlere Unternehmen. Schon seit 1965 bot IBM die mittelgroße IBM 1130 an; sie richtete sich an Nutzer aus Wissenschaft, Technik und dem Bildungsbereich. Das System/3 war nun für kommerzielle Anwender gedacht. Es sollte in den Markt der Minicomputer eindringen – IBM bevorzugte den Ausdruck „Midrange“ – und neue Kundenkreise erschließen. Es war nicht kompatibel zur 1964 eingeführten IBM-360-Familie.
Dafür enthielt das System/3 die populär werdenden integrierten Schaltungen. Auch hier wählte Big Blue einen eigenen Namen. Man sagte nicht IC oder Chip, sondern Monolithic Systems Technology, kurz MST. Die ersten MST-Einheiten steckten 1969 im Großrechner IBM 360/85, der allerdings auf dem Markt durchfiel. Die Taktzeit des System/3 betrug anderthalb Mikrosekunden. Die Wortlänge war variabel, ebenso der Arbeitsspeicher. Er enthielt zwischen acht und 32 Kilobyte – mehr Speicherplatz kostete eben mehr.
Eine zweite Neuerung bildete die Lochkarte. Sie hatte nur ein Drittel der Größe der alten IBM-Karte, doch 96 statt 80 Spalten. Jede Spalte fasste sechs Bit. Zur Peripherie gehörten ein eleganter Kartenlocher, ein ebenso eleganter Sortierer und eine Multifunktionseinheit zum Lesen, Lochen, Drucken und Auswählen. Programmiert wurde das System/3 mit der Sprache RPG II. Sie erledigte auch Multiplikationen und Divisionen, denn die Hardware allein konnte nur addieren und subtrahieren.
Die einfachste Zentraleinheit des System/3 kostete 15.200 Dollar im Handel oder 310 Dollar Monatsmiete. Hinzu kamen die Peripheriegeräte. Der Preis für ein komplettes System/3 lag dann zwischen 42.000 und 91.000 Dollar; die Miete schwankte von 990 bis 2.230 Dollar. Zum Zubehör zählten auch Plattenlaufwerke; jedes speicherte knapp zweieinhalb Megabyte. Auf das Grundmodell mit dem Rechenwerk IBM 5410 folgten bis 1976 fünf weitere Versionen mit stetig wachsenden Leistungen. Gemeinsam war ihnen die rund 1,60 Meter hohe CPU.
Eine kleine Statistik stand im Oktober 1974 in der ZEIT. Demnach operierten im Sommer jenes Jahres 2.440 System/3-Systeme in der Bundesrepublik; das war ein gutes Drittel aller deutschen IBM-Computer ohne die Prozessrechner. Der Kaufpreis bewegte sich von 200.000 bis zu einer Million DM. Damit rangierte das System/3 oberhalb der Mittleren Datentechnik, wie sie bei uns im Einsatz war. 1971 kostete eine Nixdorf 820 – ein typischer Vertreter – laut SPIEGEL zwischen 30.000 und 200.000 Mark.
Der letzte Computer Nr. 3 wurde 1985 verkauft. Seit 1975 brachte IBM andere Mitglieder der Midrange heraus, die Systeme 32, 34, 36 und 38. Im Jahr 1988 erschien das AS/400. Unser Eingangsbild zeigt ein System/3 der ersten Generation; es steht im Museo nazionale della scienza e della tecnologia Leonardo da Vinci in Mailand (CC BY-SA 4.0). Das Foto wurde am Rand beschnitten. Beim Zentrum für Kultur- und Wissenschaftskommunikation und dem Computermuseum der FH Kiel bedanken wir uns herzlich für das Foto. Zum Schluss noch ein Hinweis auf die umfangreiche System/3-Seite von Henk Stegeman in den Niederlanden.