Computerszene DDR
Geschrieben am 18.08.2017 von HNF
In der Nachkriegszeit wurden auch in der DDR Computer gebaut. 1955 arbeitete bei Zeiss in Jena der Relaisrechner Oprema. 1956 entstanden in der TU Dresden zwei Exemplare des Röhrencomputers D 1. Im August 1957 fand in Ilmenau eine Tagung über Maschinelle Rechenanlagen statt. Im Folgenden geben wir einen Überblick über das erste Jahrzehnt der DDR-Informatik.
In der Bundesrepublik Deutschland begann das Computerzeitalter im Jahr 1952. Im Juni ging in Göttingen der Elektronenrechner G1 in Betrieb. Im Juli gab es in Aachen – wir haben im Blog darüber berichtet – die erste deutsche Informatik-Tagung. Ein Jahr später lieferte die Zuse KG ihren ersten Großrechner aus, die relaisbestückte Z5. Empfänger war die Optikfirma Leitz im hessischen Wetzlar.
Auch in der DDR wurden Überlegungen über neuartige Rechenanlagen angestellt. Seit der Kaiserzeit bauten Fabriken in Mitteldeutschland Rechen- und Buchungsmaschinen, und in Jena saß die weltberühmte Firma Zeiss. Sie war inzwischen unter dem Namen VEB Carl Zeiss Jena sozialistisch – VEB steht für einen Volkseigenen Betrieb. In der Technischen Universität Dresden konzipierte der Mathematiker Nikolaus Lehmann schon 1949 einen Digitalrechner mit Magnettrommel. Mit der Realisierung dauerte es noch einige Jahre.
Der erste DDR-Computer arbeitete im Mai 1955. Die Optikrechenmaschine Oprema stand bei Zeiss; Urheber waren Wilhelm Kämmerer und Herbert Kortum. Sie enthielt 16.626 Relais und wurde mit Stecktafeln programmiert. Die Oprema umfasste zwei voneinander unabhängige Systeme und belegte im Gebäude 240 Quadratmeter. 1956 konstruierten Nikolaus Lehmann und sein Team zwei Modelle des Rechners D1. Er enthielt 760 Röhren und 100 Relais. Der größere und schnellere Nachfolger D2 wurde 1959 fertig.
1960 erschien der Programmierbare Rechner für Lochkarten PRL, einer der letzten Rechner mit Röhren. Hersteller war der VEB Elektronische Rechenmaschinen in Chemnitz, das damals Karl-Marx-Stadt hieß. Carl Zeiss Jena präsentierte den Computer ZRA1; er besaß Röhren und viele Halbleiter-Dioden. Der Chemnitzer Volkseigene Betrieb entwickelte aus dem PRL dann den Transistorcomputer R 100. Er wurde ab 1964 am Zeiss-Standort Saalfeld produziert.
Zu den frühen DDR-Computern zählten auch etwas kleinere Systeme. Der VEB Elektronische Rechenmaschinen entwickelte Anfang der 1960er-Jahre die SER-2-Serie. Gefertigt wurden die Mitglieder der Serie – bekannt sind SER 2a bis SER 2d – vom VEB Rechenelektronik Zella-Mehlis. 1965 brachte Nikolaus Lehmann den Kleinrechner D4a heraus; ein Exemplar befindet sich im HNF. Aus dem D4a entstand der Cellatron C8205, von dem der VEB Rechenelektronik rund 3.000 Stück fertigte.
Damit wollen wir unseren Überblick über die ersten zehn Jahre DDR-Informatik abschließen. Ein Datum müssen wir noch nachtragen: vor sechzig Jahren, am 19. August 1957, trafen sich in der Hochschule für Elektrotechnik in Ilmenau 32 Experten aus Universitäten, der Industrie und der Regierung. Sie referierten und diskutieren über maschinelle Rechenanlagen; eine Folge war die Arbeitsgemeinschaft für elektronische Rechen- und Buchungsmaschinen. Sie war das erste Forum in der DDR für die Entwicklung von Computern.
Die Fotos unten zeigen frühe sozialistische Computer und ihre Bestandteile sowie einen kapitalistischen Rechner. Im Eingangsbild oben sehen wir Nikolaus Lehmann 1957 bei der Jahrestagung der Deutschen Mathematiker-Vereinigung in Dresden. Die Vereinigung war damals noch nicht nach Ost und West getrennt. Das Bild stammt von Richard Peter jun. und liegt in der Deutschen Fotothek (CC BY-SA 4.0).