CSIRAC – ein Computer „down under“

Geschrieben am 06.08.2021 von

Die ersten elektronischen Computer liefen in England und den USA. Was war aber das dritte Land, das einen Röhrenrechner besaß? Das war Australien. 1949 führte der „CSIR Mk 1“ in Sydney die ersten Programme aus. Im August 1951 wurde er der Öffentlichkeit vorgestellt. Von 1956 bis 1964 rechnete der nun CSIRAC genannte Computer in Melbourne.   

1945 fing ein junger englischer Wissenschaftler ein neues Leben an. Trevor Pearcey wurde am 5. März 1919 in London geboren und studierte dort Mathematik und Physik. Ab 1940 arbeitete er in der Radarforschung; dabei lernte er den Mathematiker Douglas Hartree und seinen Analogrechner in Manchester kennen. Er traf zudem den Astronomen Leslie Comrie, der ein Rechenbüro mit Lochkarten-Maschinen betrieb. Im Oktober 1945 erhielt Pearcey eine Stelle in Australien und bestieg das Schiff zur Überfahrt.

Die Reise führte nicht durchs Mittelmeer und den Indischen Ozean zum Fünften Kontinent, sondern anders um den Globus herum nach Amerika. Dort besuchte Trevor Pearcey die Harvard-Universität und sah den Relaiscomputer Mark I von Howard Aiken. Vielleicht war er auch bei der Rechner-Tagung im MIT Ende Oktober. Die Teilnehmerliste führt ihn nicht auf, doch er mag im Hörsaal gewesen sein. Er durchquerte dann wohl die USA und dampfte über den Pazifik gen Australien. Anfang 1946 bezog er sein Büro in Sydney.

Das „National Standards Laboratory“, Geburtsort des ersten australischen Computers

Trevor Pearcey saß im staatlichen Council of Scientific and Industrial Research CSIR. Die Organisation für wissenschaftlich-technische Forschung hatte nach Kriegsende eine neue Abteilung Radiophysik eingerichtet, wo Pearcey tätig war. 1946 befasste er sich mit der Nutzung von Relais für mathematische Operationen, er kam aber nicht weit. 1947 startete er die Konstruktion eines elektronischen Rechengeräts. Hilfe leisteten der Ingenieur Maston Beard und der Student Geoffrey Hill; der Physiker Reginald Ryan baute quecksilbergefüllte Rohre für einen akustischen Laufzeitspeicher.

Im Laufe des Jahres erhielt Pearcey Informationen zum amerikanischen Elektronengehirn ENIAC. Ende 1947 stellte er den Schaltplan seines eigenen Computers fertig und ging an die praktische Umsetzung. Im November und Dezember 1948 schaute er sich drei Projekte in England näher an, den EDSAC in Cambridge, das Manchester Baby und die Pilot ACE in London. Es ist anzunehmen, dass er jetzt das Flugzeug nahm. Die Propellermaschinen der Gesellschaft Qantas schafften die Strecke Australien-Europa in vier Tagen.

Trevor Pearcey 1951 bei der Ein- und Ausgabe des Elektronengehirns

Im November 1949 absolvierte der „CSIR Mk 1“ – das Kürzel steht für „Mark 1“ – die ersten Tests. Ein Jahr später führte er längere Berechnungen aus; Trevor Pearcey bot außerdem Programmierkurse an. Vom 7. bis 9. August 1951 fand in der Universität von Sydney eine Konferenz über Automatic Computing Machinery statt; dabei wurde der Computer der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist möglich, dass er auch Musik machte. Die allgemeine Technik schilderten wir schon im Blog; hier steht mehr über den australischen Rechner.

Im Juli 1952 erschien in einer Fachzeitschrift ein von Trevor Pearcey erstellter Artikel zum C.S.I.R.O. Mk I. Der Computer trug einen leicht geänderten Namen, da aus dem CSIR die Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization geworden war. Dem Text können wir entnehmen, dass er gut 1.500 Röhren besaß und seine Laufzeitspeicher 1.024 Worte zu zwanzig Bit aufnahmen – das entspricht zweieinhalb Kilobyte. Daneben besaß er eine Magnettrommel für weitere 1.024 Worte, die später auf 4.096 Worte erweitert wurde.

Programmierer Geoffey Hill in Aktion. Er schrieb auch den Code zur Tonerzeugung.

Der erste Elektronenrechner Australiens lief bis Juni 1955 in Sydney; danach wurde er abgebaut und ins 700 Kilometer entfernte Melbourne gebracht. Wieder zusammengesetzt und unter der Bezeichnung CSIRAC (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization Automatic Computer) arbeitete er ab dem 14. Juni 1956 weiter. Nutzer war die Universität der Stadt. Der CSIRAC operierte insgesamt 30.000 Stunden bis zum Juni 1964. Im November 1964 wurde er demontiert, ab 1980 dann in Ausstellungen gezeigt.

Seit 2018 steht er im Melbourner Wissenschaftsmuseum Scienceworks. Neben dem Röhren- und Relaisrechner WITCH ist der CSIRAC der älteste elektronische Computer, der noch in der Urform vorliegt. Sein Schöpfer Trevor Pearcey machte sich auf vielfältige Weise um die Informatik „down under“ verdient, unter anderem durch die Schaffung des Computernetzes CSIRONET. Nach seiner Promotion im Jahr 1971 schlug er eine akademische Karriere ein; er starb am 27. Januar 1998 in der Nähe von Melbourne.

CSIRAC mit dem später eingeführten Schaltpult und sechs Oszilloskopen (Foto John O’Neill CC BY-SA 3.0 seitlich beschnitten)

Viele Informationen zum CSIRAC und seiner Geschichte finden sich in diesem Online-Buch. Hier kann man den Rechner und Trevor Pearcey – den Herrn mit Brille und britischem Akzent – in einem wohl 1964 gedrehten Film sehen. Auf YouTube ist ein Interview mit ihm von 1996 erhalten; auf Vimeo liegt ein TV-Bericht zum CSIRAC von 1999 vor. Die Schwarzweiß-Fotos unseres Beitrags stammen alle aus dem Archiv der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization CSIRO (CC BY 3.0 stets seitlich beschnitten). Das Eingangsbild zeigt Trevor Pearcey im November 1952.

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