Das Internet im Aktenkoffer

Geschrieben am 13.11.2018 von

In den 1980er-Jahren gab es kein World Wide Web, aber man ging schon mit Telefon und Akustikkoppler online. Es existierten auch tragbare Computer. Warum also nicht beides kombinieren? In der Tat kamen ab 1981 einige Rechner auf den Markt, mit denen man außerhalb des Büros das Internet betreten konnte. Ein Vorläufer war bereits 1972 fertig.

„Ein wirklicher Aktenkoffer-Computer. Der PDC CLIPPER ist nicht nur der erste, sondern auch der einzige Computer mit allen professionellen Komponenten für Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe und Datenfernübertragung in einem Aktenkoffer. Damit steht der kompletten Datenverarbeitung im Außeneinsatz nichts mehr im Weg.“

Diese Anzeige erschien vermutlich 1983. Im Oktober des Jahres erlebte der beschriebene Rechner seine Premiere auf der Münchner IT-Messe Systems. Anbieter war die in Hannover sitzende Professional Data GmbH, kurz PDC. Der Clipper gehörte zu der kleinen Gruppe von tragbaren Computern, mit denen man damals schon ins Internet gehen konnte. Nötig war natürlich ein Telefon, an das der Clipper angeschlossen wurde. Der Preis betrug 18.000 DM.

Model 209 TeleComputer von Digi-Log (Foto Computer History Museum)

Dafür erhielt der Käufer ein 8-Bit-System mit Bildschirm, Diskettenlaufwerk und Drucker. Die wichtigste Zutat war der Akustikkoppler für den Telefonhörer. Zur Software gehörte auch eine Textverarbeitung. Das Magazin „bild der wissenschaft“ stellte den Computer vor und zitierte den PDC-Verkaufsleiter Peter Ohrt: „Wir haben zum Beispiel an Auslandskorrespondenten gedacht, die mit dem ‚Clipper‘ einen längeren Text niederschreiben und ihn satzfertig korrigieren können. Von jedem Telefon in der Welt kann ihn dann die Maschine unmittelbar an die Heimatredaktion durchgeben – wenn’s sein muß, direkt in die Setzmaschine.“

Viel gekauft wurde der Clipper aber nicht, und er verschwand bald wieder. Ein Exemplar fand den Weg ins HNF – es ist im Eingangsbild zu sehen. Den PDC-Slogan mit den Innovationen aus Deutschland darf man nicht allzu wörtlich nehmen. Der Clipper wurde in einer Siemens-Fabrik in Belgien gebaut. Das Innenleben basierte auf dem amerikanischen Commodore C64. Am innovativsten war vielleicht der Flachbildschirm: Die 25 Zeilen leuchteten mit Elektrolumineszenz. Wer Geld übrig hatte, konnte noch ein Bildschirmtext-Modul erwerben.

Der PC-8300 von NEC war ein Nachbau der Kyotronic 85 (Foto McCormick CC BY-SA 3.0)

Die Grundidee des mobilen Netzzugangs entstand nicht 1983, sondern ein gutes Jahrzehnt früher. 1972 erfand die Digi-Log Systems Inc. aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania den TeleComputer. Er ersetzte einen Fernschreiber oder ein Terminal in einem Time-Sharing-System. Diese Art des Rechnerzugangs war in den Siebzigern verbreitet: Ein Zentralcomputer versorgte eine Anzahl von Endgeräten, an denen die User saßen. Der TeleComputer war also nur ein interaktives Datensichtgerät. 1975 erschien der Nachfolger TeleComputer II.

1981 kam in den USA der 8-Bit-Computer Osborne 1 heraus. Er wog elf Kilogramm, konnte aber im Prinzip von einem Ort zum anderen getragen werden. Der Osborne war ein Erfolg, und es dauerte nicht lange, bis ein IT-Zulieferer ein Modem fürs Internet anbot. Es wurde in einen der Diskettenschlitze gesteckt. Die Kyotronic 85 der japanischen Firma Kyocera brachte 1983 das Modem schon mit. Sie wurde in Japan, Italien und den USA in Lizenz gebaut und war ein weltweit erfolgreicher Netzcomputer. Reporter nutzten ihn gern.

Freund des Hackers: der kantige Ericsson-PC aus dem Jahr 1985.

Den Clipper von 1983 erwähnten wir schon. Zwei Jahre später präsentierte die Münchner Firma Jansen EDV – viel mehr als den Namen kennen wir nicht von ihr – ein ganz ähnliches Koffergerät. Es trug den Namen Attaché. Der Attaché basierte wie der PDC-Rechner auf dem Commodore C64, verfügte aber über einen richtigen Monitor. Einen eigenen Akustikkoppler hatte er nicht, aber immerhin eine Schnittstelle dafür. Der Kaufpreis lag bei 3.200 DM.

Netzfähig war ebenso der Ericsson Portable PC. Der schwedische Rechner aus dem Jahr 1985 sah von weitem wie ein Laptop aus, wog aber acht Kilo; im Inneren steckte ein Intel-8088-Chip. Ruhm erwarb der EPPC im Film 23; dort versucht ein Hacker, in der Telefonzelle damit online zu gehen. Ein echter Internet-Laptop war der Nixdorf 8810 M15 aus den späten Achtzigern. Vom Nachfolger M16 hat sogar ein komplettes System überlebt. Es war wohl das Letzte seiner Art und soll – siehe Bild unten – unsere Aktenkoffer-Parade beschließen.

 

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

5 Kommentare auf “Das Internet im Aktenkoffer”

  1. horniger sagt:

    Und nicht zu vergessen die zahlreichen Nixdorf (Service?) Koffer die mit NEC PC-8300 oder Olivetti M10 (beides wie oben bereits geschrieben Kyotronic 85 Clones), Epson P-80 Druckern und Epson CX 21 Modems bestückt waren.
    Oft waren die Komponenten mit Nixdorf Schildchen versehen (manche bereits Siemens-Nixdorf), welche die eigentliche Herkunft aber nur bei kurzem Hinsehen verstecken konnten…

  2. Jos Dreesen sagt:

    Besitze einen PDC Clipper und bin auf der Suche nach ein Scans des Manual….

    In Siemens Lanklaar, wo die Maschine gefertigt wurde, machte ich zu der Zeit grade eine Schnupperlehre. Das EL-Display hat mich damals umgehauen…

    1. Philip Zvar sagt:

      Hast du schon einen gefunden? Ich suche auch eine Reparaturwerkstatt für meinen Clipper – startet nicht mehr …

      1. Jos Dreesen sagt:

        Es gibt in der Powersupply des Clippers ein einfach zu beheben Schwachstelle, und zwar der Optocoupler samt Socket.
        Kannst mich privat kontaktieren.

    2. Jan sagt:

      Ich hab das Handbuch als Original und als Scan. Kannst dich gerne über meine Webseite http://www.c-64.org bei mir melden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.