Das Jahr des „Computers“
Geschrieben am 15.06.2015 von HNF
Die ersten Computer, groß wie Schränke und mit Röhren, Speichertrommeln und Lochstreifen versehen, liefen bei uns in den 1950er Jahren. Man nannte sie damals noch Elektronenrechner, Denkmaschinen oder Robotergehirne, der Name „Computer“ bürgerte sich erst Mitte der 1960er Jahre ein. Belegen lässt sich das mit dem Online-Archiv des SPIEGEL und dem Ngram-Viewer der Suchmaschine Google.
Elektronische Computer gibt es in größerer Zahl seit den 1950er Jahren, doch sie hießen damals etwas anders: elektronische Rechenanlagen, Elektronenrechner, Elektronen- und Robotergehirne, Elektronenroboter, Datenverarbeitungsmaschinen, gelegentlich auch Denkmaschinen. Die Verbreitung der Computer – zu Deutsch „Rechner“ – setzte erst später ein, sie begann vor ziemlich genau fünfzig Jahren.
Das ergibt sich aus dem Online-Archiv des SPIEGEL, in dem man das Auftreten einzelner Worte in den Seiten der Zeitschrift ermitteln kann. Eine Beschränkung der Suche auf die Zeit von 1947 bis 1963 zeigt, dass in den siebzehn Jahren nach der SPIEGEL-Gründung der Computer nur in vier Artikeln erschien, 1954, 1955, 1962 und 1963. Im Jahrgang 1964 finden wir ihn ebenfalls viermal, neben der elektronischen Rechenmaschine und dem altbekannten Elektronengehirn.
Der große Sprung nach vorn kam anno 1965: Computer tauchten in 34 Heften auf. Die Ausgabe 22/1965 widmete ihnen eine Coverstory, allerdings noch unter dem Titel „Elektronen-Roboter in Deutschland“. Aber es war ein Fortschritt gegenüber einer Titelgeschichte von 1964 zur Automation, die das C-Wort kein einziges Mal verwendete. Ab 1966 gehörte dieses zur Umgangssprache, und 1968 besang Schlagersternchen France Gall den „Computer Nr. 3“, der für sie den richtigen Boy sucht.
Die Daten des SPIEGEL werden gestützt durch den Ngram-Viewer von Google. Dieses System basiert auf den Büchern und Zeitschriften, die für die Google-Books-Website digitalisiert wurden. Bei dem Ausdruck Computer sehen wir, dass er in deutschen Texten ab 1964 deutlich häufiger auftritt als zuvor – und mit steigender Tendenz. Woraus folgt, dass das englische Wort für Elektronenrechner und Denkmaschinen in der Mitte der 1960er Jahre auch zu einem deutschen wurde.
Nachzutragen ist noch, dass zehn Jahre vorher die Franzosen ihren „ordinateur“ bekamen – so heißt dort der Computer. Das Wort geht auf den Altphilologen Jacques Perret zurück, bei dem sich die französische IBM-Tochter nach einer passende Bezeichnung für ihre Produkte erkundigt hatte. In einem Brief vom 16. April 1955 schlug Perret den „Ordinierer“ vor, der sich rasch verbreitete und als „ordenador“ auch in Spanien heimisch wurde.
Das Eingangsbild zeigt den Computer der NASA-Raumkapsel Gemini 2, die am 19. Januar 1965 einen erfolgreichen Flug absolvierte, allerdings ohne Astronauten an Bord. (Foto: Jan Braun, HNF).