Datapoint 2200: der erste Kleincomputer

Geschrieben am 05.06.2020 von

Im Oktober behandelten wir das System Datapoint 3300 der Computer Terminal Corporation. Ab 1969 löste es die Fernschreiber ab, die zur Ein- und Ausgabe von Digitalrechnern dienten. Im Juni 1970 kündigte die texanische Firma das Modell Datapoint 2200 an. Es wurde als frei programmierbares Terminal verkauft, war aber ein Meilenstein auf dem Weg zum Mikrocomputer.

Vor fünfzig Jahren gab es keine Mikroprozessoren, die als Zentraleinheit eines Computers dienten, und deshalb auch noch keine Mikrocomputer. Verfügbar waren aber integrierte Schaltungen mit einer Vielzahl von Transistoren sowie Speicherchips. Sie führten zu einer Verkleinerung von digitalen Systemen. Außerdem wurden Geräte mit mechanischen Teilen durch solche mit Elektronik ersetzt.

Ein Beispiel haben wir schon im Blog kennengelernt. Von September 1969 an lieferte die Computer Terminal Corporation CTC im texanischen San Antonio ihr erstes Produkt aus, das Terminal Datapoint 3300. Es zeigte Buchstaben und Zahlen auf einem Monitor an und wurde an Minicomputer und Mainframes angeschlossen. Dort ersetzte es den weit verbreiteten Fernschreiber Modell 33 des Herstellers Teletype. Im November 1969 startete CTC eine eigene Fertigung des Datapoint 3300.

Zur gleichen Zeit begann die Firma die Entwicklung eines Nachfolgers; er trug den Namen Datapoint 2200. Das neue Terminal war zum einen für Computer-Nutzer gedacht, die mit Lochkarten arbeiteten. Aus diesem Grunde erhielt es einen Monitor mit zwölf Zeilen und 80 Zeichen und im IBM-Lochkartenformat. Zum anderen sollte es beliebige Terminals ersetzen. Dazu dienten zwei Laufwerke für Datenkassetten; das erste nahm das Terminal-Programm auf, das zweite die Inputs. Intern konnte das System zwei bis acht Kilobyte speichern.

Frau am Terminal – Werbebild für das Datapoint 3300 (Foto Computer History Museum)

Das Datapoint 2200 hatte die Maße der IBM-Kugelkopf-Schreibmaschine. Die Verkleidung entwarf John Frassanito, der schon das Datapoint-Modell 3300 gestaltete. Die Elektronik des Systems stammte von den CTC-Ingenieuren Victor Poor und Harry Pyle. Der erste Prototyp war im April 1970 fertig und wurde auf einer Tagung für Bankmanager  gezeigt; eine weitere Präsentation erfolgte im November auf einer großen Computerkonferenz in Houston. Im Juni 1970 kündigte CTC das neue Produkt offiziell an.

Ausgeliefert wurde es ab März 1971 für 7.800 Dollar. Die Marketingabteilung von CTC warb zunächst mit den Fähigkeiten des Systems in der Datenerfassung. Ein Vertriebsmanager namens Dave Gust, der etwas von Rechnern verstand, erkannte aber, dass das Gerät viel mehr konnte. Es war eigentlich ein frei programmierbarer kleiner Computer. Gust verkaufte fünf Datapoints an den Lebensmittelkonzern Pillsbury; vier bewältigen im April 1971 die Lohnabrechnung für Hühnerfarmen. Diese standen später sogar in der Computerworld.

Ende 1972 hatte das Marketing dazugelernt. Eine große Anzeige sprach von einem leistungsstarken Computer und einem Allzweck-Computer- und Kommunikationssystem. Zum Datapoint 2200 gab es jetzt Diskettenlaufwerke und schon ein Betriebssystem mit der Abkürzung DOS. Neben der Software zur Emulation fremder Terminals wurden eine COBOL-ähnliche Programmiersprache und eine Textverarbeitung angeboten. Darüber hinaus hieß die Firma nicht mehr Computer Terminal Corporation, sondern Datapoint.

Mikroprozessor Intel 8008 (Foto Christian Bassow CC BY-SA 4.0 am Rand beschnitten)

Wie andere kleine Rechner jener Zeit galt das Datapoint 2200 als Minicomputer. Um ein Haar wäre es aber der erste Mikrocomputer geworden. Die Computer Terminal Corporation gab 1970 die Entwürfe für die Schaltkreise an zwei Chipfirmen, Texas Instruments und Intel in Kalifornien. 1971 waren zwei Acht-Bit-Prozessoren fertig, die jene Schaltkreise ersetzten. Texas Instruments wies den TMX 1795 vor, von Intel kam das Modell 1201. CTC hatte jedoch kein Interesse mehr, sondern blieb bei den bereits erprobten Logikchips.

Intel brachte den Chip dann im April 1972 mit Nummer 8008 auf den Markt; verantwortlich war der Entwickler Federico Faggin. Aus dem Intel 8008 entstand der Intel 8080, der 1974 im ersten erfolgreichen Mikrocomputer Altair 8800 steckte. Dieser Chip führte 1978 zum Intel 8086 und zur einflussreichen x86-Familie. Der Datapoint 2200 wurde bis 1979 gefertigt, die gleichnamige Firma bestand bis zur Jahrtausendwende. Hier kann man sich noch drei Filme anschauen, die die Produktpalette deutlich machen.

Unser Eingangsbild nahm Jeff Keyzer im San Antonio Museum of Science and Technology auf. Das Foto (CC BY-SA 2.0) wurde seitlich beschnitten.

Tags: , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , ,

2 Kommentare auf “Datapoint 2200: der erste Kleincomputer”

  1. Noah sagt:

    Interessanter Artikel!
    Ist schön zu lesen und führt nochmal vors Auge, wie weit fortgeschritten die Technik schon ist. Fast wie eine kleine Zeitreise.

  2. Frank sagt:

    Sehr schön geschrieben!
    Auf dem ersten Bild jedoch ist keine Datapoint 2200 abgebildet – sondern eine 6000er… Sorry!
    Ganz einfach zu erkennen – 6000er hat nämlich keine Tape Decks!
    Als die 6000er Serie rauskam wurden die 2200er Gehäuse genommen und mit einem Etikett Datapoint 6000 überklebt. Wenn man bei dem Foto genau hinsieht dann erkennt man hier noch die Kleberückstände des rechteckigen Etiketts über dem Datapoint-Logo.
    Wenn man dann auch vor dem Original steht einfach mal hinten rechts schauen – da ist eine Buchse für einen BNC-Stecker – den hatte die 2200er nicht 😉
    VG, Frank

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir stellen diese Frage, um Menschen von Robotern zu unterscheiden.