Der letzte Vorläufer – Mark-8
Geschrieben am 12.07.2019 von HNF
Ab 1971 kamen als Bausatz oder komplett die ersten Kleincomputer heraus. In den USA erschienen der Kenbak-1 und der Scelbi-8H, in Frankreich wurde der Micral verkauft. Im Juli 1974 konnten amerikanische Bastler den Mark-8 erwerben. Er enthielt einen Acht-Bit-Prozessor und galt als „Minicomputer“. Ein halbes Jahr später begann die Revolution der kleinen Rechner dann richtig.
Die erste Nummer erschien in New York vor genau neunzig Jahren, im Juli 1929. Damals hieß die Zeitschrift „Radio-Craft“; Herausgeber war Hugo Gernsback, ein gebürtiger Luxemburger. Er hatte einige Jahre zuvor das Magazin Amazing Stories und damit die moderne Science-Fiction geschaffen. Im Oktober 1948 wurde „Radio-Craft“ in „Radio-Electronics“ umbenannt. So hieß die Zeitschrift auch im Juli 1974, in dem unsere Geschichte beginnt.
Das Juli-Heft zeigte auf dem Cover einen Kasten und sein Innenleben, dazu Lochstreifen und Lochkarten. Darüber prangten teils in Groß-, teils in Normalbuchstaben die Zeilen „Bau den Mark-8 / Deinen persönlichen Minicomputer“. Das Wort schmückte ebenso den genannten Kasten. Wer das Heft öffnete, fand auf Seit 29 einen Artikel „Computer!“. Der Verfasser war Jon Titus; er hatte den Mark-8 entwickelt. Für 47,50 Dollar konnte jeder Leser die sechs Leiterplatten des Computers erwerben; die nötigen Chips musste er selbst besorgen.
Minicomputer waren 1974 nicht neu. Die Gattung der mittelgroßen Elektronenrechner hatte sich in den 1960er-Jahren herausgebildet; Tausende von ihnen liefen in Firmen, Ämtern und Hochschulen. Ihr Preis lag weit unter denen der großen Mainframes, ein populäres Modell wie der Wang 2200 kostete 1973 jedoch über siebentausend Dollar. Und für die Platinen des Naked Mini – der Hersteller Computer Automation Inc. saß im sonnigen Kalifornien – musste man noch immer tausend Dollar bezahlen.
„Mini-Computer“ wurde auch der Scelbi-8H genannt. Er war ein Bastelrechner so wie der Mark-8 und kam Anfang 1974 auf den amerikanischen Markt. Der Scelbi enthielt einen Mikroprozessor Intel 8008 und operierte mit acht Bit. Er kostete alles in allem fünfhundert Dollar. Der kleine Computer verkaufte sich schlecht, und Ende 1974 endete die Produktion. Vom Nachfolger Scelbi-8B wurden noch zweihundert Stück gebaut. Heute zählen der 8H wie der 8B natürlich zur Kategorie der Mikrocomputer, und das gilt ebenso für den Mark-8.
Der Rechner von Jon Titus benutzte wie die Scelbis den 8-Bit-Prozessor Intel 8008. Als Speicherbausteine dienten die 1101-Chips derselben Firma. Die minimale Speichergröße betrug 256 Byte; insgesamt ließen sich Chips mit vier Kilobyte aufstecken. Die Ein- und Ausgabe erfolgte im Grundmodell durch Kippschalter und Lämpchen. Der Mark-8-Benutzer konnte auch eine Tastatur anschließen. Als Ausgabeeinheit empfahl „Radio-Electronics“ den TV Typewriter, den das Magazin im September 1973 vorgestellt hatte.
Über den Entwickler des Mark-8 wissen wir nicht sehr viel. Jonathan „Jon“ Titus wurde wahrscheinlich Mitte der 1940er-Jahre in Neuengland geboren; 1967 erwarb er im Worcester Polytechnic Institute in Massachusetts den Bachelor in Chemie. Seinen Computer erfand er als Chemie-Doktorand im Virginia Polytechnic Institute; hier ist sein persönlicher Bericht. Nach der Promotion 1978 wurde Titus ein fleißiger Wissenschaftsredakteur und –journalist in den Gebieten Elektronik und Informatik; er schrieb auch mehrere Fachbücher.
Von 1974 an wurden rund vierhundert Leiterplatten-Sätze des Mark-8 verkauft. Der Rechner veränderte nicht die Welt, es entstand aber eine Benutzergruppe. Außerdem wirkte er sich in der New Yorker Elektronikpresse aus. Schärfster Konkurrent der „Radio-Electronics“ war die Zeitschrift „Popular Electronics“; sie musste auf den Mark-8 reagieren. Im Dezember 1974 präsentierte sie den Altair 8800. Er war als Bausatz erhältlich und ebenso fertig montiert; er löste dann die Mikrocomputer-Revolution aus. Mehr gibt es im Blog zu Weihnachten.