Der unbekannte Pionier: Masatoshi Shima
Geschrieben am 22.08.2023 von HNF
In Feld der Informatik verbinden wir Japan meist mit Computerspielen und mit Robotern; Ruhm erlangten Shigeru Myamoto von der Firma Nintendo und der verstorbene Robotiker Ichiro Kato. Es gibt aber noch einen weiteren japanischen Pionier, der die Computertechnik entscheidend prägte: Masatoshi Shima. Er gehört zu den Vätern des Mikroprozessors und feiert heute seinen 80. Geburtstag.
Computergeschichte wird in Kalifornien geschrieben. Das gilt im doppelten Sinn. Zum einen stammen viele Innovationen der Hard- und Software aus dem Bundesstaat, in dem wichtige Hersteller und Hochschulen beheimatet sind. Zum anderen pflegen die Werbeabteilungen kalifornischer Firmen und ein dort ansässiges Technikmuseum fleißig die Erinnerung an Computerhelden und -heldinnen.
Dabei bleiben manche – warum auch immer – im Hintergrund. Einen solchen Pionier möchten wir heute näher betrachten. Er heißt Masatoshi Shima und wurde am 22. August 1943 in Shizuoka geboren; die Stadt liegt 140 Kilometer südwestlich von Tokio. Shima studierte das Fach Chemie an der Universität Tōhoku, 1967 ging er zur Computer- und Rechenmaschinenfirma Busicom nach Osaka. Er erlernte zunächst das Programmieren, danach befasste er sich mit der Entwicklung elektronischer Tischrechner, die integrierte Schaltungen verwendeten.
ICs auf dem letzten Stand der Technik gab es damals nur in Amerika. Als Busicom ein neues Rechnermodell plante, wurden deshalb drei Mitarbeiter, darunter Masatoshi Shima, mit den Schaltkreis-Entwürfen zur Firma Intel geschickt. Das 1968 gegründete Unternehmen saß im kalifornischen Mountain View, in der Region, die später den Namen Silicon Valley erhielt. Intel sollte für Busicom die Chips liefern. Shima arbeitete dort von Juni bis Dezember 1969 und von April bis Dezember 1970; in dieser Zeit entstand der erste Mikroprozessor der Welt.
Die Geburt des Intel 4004 – er ist oben im Eingangsbild zu sehen – wurde schon oft erzählt; wir haben sie ebenfalls im Blog geschildert. Neben Masatoshi Shima wirkten daran die Intel-Ingenieure Ted Hoff, Stan Mazor und Federico Faggin mit, der wohl die Hauptarbeit leistete. Der Japaner war aber der Einzige, der die ganze Zeit im Projekt tätig war, und seine Firma gab den Anstoß dafür. Im November 1971 kamen der Intel-Prozessor und drei zu ihm gehörende Speicherchips auf den Markt; dieser Film warb für das Quartett. Außerdem lief er im elektronischen Tischrechner Busicom 141-PF.
Masatoshi Shima arbeitete 1971 noch eine Zeitlang bei Busicom in Japan; im September des Jahres wechselte er zur Bürotechnikfirma Ricoh nach Tokio. Im November 1972 kehrte er zu Intel zurück; er unterstützte nun Federico Faggin bei der Entwicklung des Acht-Bit-Prozessors Intel 8080. Er erschien 1974 und steckte in frühen Mikrocomputern wie dem Altair 8800, dem IMSAI 8080 und dem Sol-20. Nachfahren des 8080 waren die Sechzehn-Bit-Chips 8086 und 8088 – dieser operierte bekanntlich im IBM PC.
Im April 1975 schloss sich Shima der von Federico Faggin gestarteten Firma Zilog an. Hier beschäftigte er sich mit dem Prozessor Z80, einem Hit der Acht-Bit-Ära, und dem weniger erfolgreichen Z8000 für sechzehn Bit. Ab 1980 arbeitete er wieder für Intel und leitete ein Entwicklungzentrum in Japan. 1986 zählte er zu den Gründern einer neuen Chipschmiede, der VM Technology Corporation in Tokio. 1992 erwarb er den Doktortitel an der Universität von Tsukuba, im Jahr 2000 wurde er Professor der Universität von Aizu, einer japanischen Hochschule für Informatik. 2004 ging er in den wohlverdienten Ruhestand.
1997 erhielt Shima zusammen mit den drei anderen Intel-4004-Schöpfern den Kyoto-Preis, 2009 wurde er ein Fellow des Computer History Museums. Seine Erinnerungen an die Entwicklung des ersten Mikroprozessors lassen sich hier nachlesen. Das ist eine seiner wenigen Video-Aufnahmen (Minute 28:13), sie entstand 1991. Wir sehen auch Federico Faggin im verlassenen Intel-Gebäude in Mountain View. Nun bleibt uns nur noch, Masatoshi Shima alles Gute zum 80. Geburtstag zu wünschen. Otanjōbi omedetō gozaimasu!
Ich war schon bei der Errichtung des HNF in den 1990er Jahren nicht in der Lage, trotz vielfacher Versuche Kontakte zu einzelnen Mitarbeitern von japanischen Computer-unternehmen aufzunehmen. Dagegen wirkten gleich zwei Kräfte die anerzogene Haltung der Japaner als Individuum hinter das Kollektiv zurückzutreten. und die Vorsicht vor Industriespionage. In der Wall of Fame des HNF müsste eigentlich ein Denkmal für den „Unbekannten Erfinder“ errichtet werden.