Die Entdeckung des kleinen Computers

Geschrieben am 10.12.2024 von

Den Beginn der Computer-Ära verbinden wir in der Regel mit großen Geräten wie ENIAC, UNIVAC oder John von Neumanns IAS-Maschine. Doch schon vor siebzig Jahren befasste sich eine Konferenz in der amerikanischen Stadt Philadelphia mit der Technik und den Anwendungen von kleinen Digitalrechnern. Wir haben uns einmal angeschaut, was damals zu dieser Kategorie gezählt wurde.

2022 schrieben wir über ein Symposium in Washington im Mai 1952; es galt Computern mit moderaten Preisen. Das waren zu jener Zeit Beträge von 100.000 Dollar oder weniger. Vom 8. bis zum 10. Dezember 1954 fand in Philadelphia die Eastern Joint Computer Conference statt. Sie wurde von drei Ingenieurverbänden ausgerichtet und widmete sich einem ganz ähnlichen Thema, der Technik („Design“) und der Anwendung kleiner Digitalrechner.

Was war vor siebzig Jahren ein kleiner Computer? Hier hilft der Vortragsband der Tagung – Achtung, lange Ladezeit! – und auf PDF-Seite 17 das Referat des Mathematikers Alan Perlis; er gewann 1966 den ersten Turing-Preis. Demnach hatte ein solcher Rechner einen Preis unter 150.000 Dollar, einen Speicher von mindestens tausend Datenworten und den Zugriff auf Rechenprogramme. Perlis nannte auch konkrete Hardware; sie deckte sich zum Teil mit den Maschinen, die 1952 das Symposium in Washington behandelte.

Ein Neuzugang auf Perlis‘ Liste war der Axel L. Wenner-Gren Automatic Computer ALWAC – der schwedische Industrielle wurde bei uns als Förderer der Alweg-Bahn bekannt. Wenner-Gren interessierte sich außerdem für die Datenverarbeitung und startete in Kalifornien die Logistics Research Inc., die er schnell umbenannte. Der ALWAC lief 1953; es handelte sich um einen Rechner mit einer Magnettrommel, die 2.048 Worten zu 32 Bit fasste. In heutiger Sprechweise wären das acht Kilobyte. Das Unternehmen existierte bis 1958.

Klein oder nicht klein? Der ALWAC III aus den späten 1950er-Jahren war etwa drei Meter breit.

Der Referent von der National Cash Register Company NCR schilderte in Philadelphia den CRC 102-D, siehe PDF-Seite 46 des Tagungsbands. Seine Magnettrommel speicherte 1.024 zehnstellige Dezimalzahlen, anschließbar war ein Laufwerk für Magnetbänder. Der Rechner kam von der kalifornischen Computer Research Corporation, die die NCR erworben hatte. Er war 1,80 Meter hoch und fast ebenso lang. Ein Exemplar des mit Dualzahlen operierenden Schwestermodells CRC 102-A gelangte nach Italien.

Auch die Rechenmaschinenfirma Marchant fand ihre IT-Abteilung in Kalifornien und zwar in Gestalt der Physical Research Laboratories. Ihr früherer Chef George Greene stellte in Philadelphia den MINIAC vor. Er war einer der ersten Magnetkontenrechner und nahm zudem Kassetten mit Magnetbändern auf. Die kubische Zentraleinheit maß 1,20 Meter. Marchant fertigte aber nur zwei Systeme und schloss 1958 seine Computerabteilung. Im gleichen Jahr wurde die Firma vom Schreibmaschinen-Hersteller Smith Corona geschluckt.

Weitere Vorträge betrafen den Transistorrechner TRADIC aus den Bell-Laboratorien und den schreibtischgroßen E101 der Firma Burroughs. In Philadelphia galt auch die IBM 650 als ein kleiner Computer. Zufällig erfolgte am ersten Konferenztag die erste Auslieferung an einen Kunden, unser Eingangsbild zeigt ein Exemplar in Schweden. Wenn man bei der Zuordnung zu den „small digital computers“ bliebe, dann wäre sie ein recht erfolgreicher Kleinrechner gewesen, denn es entstanden von ihr zweitausend Stück.

Kleinrechner Bendix G-15: hier muss ein Mann ran, und zwei schauen zu.

Den Titel hätten auch zwei Geräte von 1956 verdient, die Bendix G-15 und die Librascope LGP-30. Von beiden wurden 400 bis 500 Exemplare gebaut. Die G-15 entwarf der Computerpionier Harry Huskey, der an Alan Turings Projekt ACE mitwirkte. Die „kleinen“ Röhrenrechner der 1950er-Jahre könnte man die Riesenbabys des Computerzeitalters nennen, ihr Absatz war eher gering. Sie wiesen aber den Weg zu den transistorbasierten Minicomputern der folgenden Jahrzehnte.

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3 Kommentare auf “Die Entdeckung des kleinen Computers”

  1. Die LGP-30 war dann sogar schon „mobil“ — das Gefriertruhen-große Gehäuse war mit Rollen versehen. Die Werbung wies auf die kompakten Maße hin („smaller than a desk!“) und betonte, dass eine normale Steckdose mit 1,5 kW Anschlussleistung genügte, um den Computer zu versorgen — und dass er die Abwärme auch durch eingebaute Lüfter selbst wieder loswerden konnte.

    Mit etwa 500 verkauften Geräten war die LGP-30 kommerziell durchaus erfolgreich. Nur IBM hatte in dieser Zeit einen besser verkauften Computer, das etwas größere Modell 650. Für Europa wurde die LGP-30 in Lizenz in Deutschland gefertigt, bei Schoppe & Faeser in Minden.

    1. Karl Jaeger sagt:

      Aus meiner unmaßgeblichen Sicht sollte hier auch die Z11 erwähnt werden die zwar erst 1955 ausgeliefert wurde aber zur Zeit der Konferenz in Philadelphia bereits in Entwicklung war. Mit 100.000 DM erfüllt sie zumindest ein Kriterium der Definition für „small digital computers“ auch wenn 100.000 $ damals ungleich mehr Kaufkraft hatte. Sehr gute Beschreibung hier von 2021. Generell fällt mir auf das die Entwicklung in USA und D sehr unabhängig voneinander verliefen, zumindest entsteht der Eindruck. Die im Konferenzband genannten Beispiele stammen alle 10 von amerikanischen Herstellern . Welche Hersteller wurden zu dieser Zeit , abgesehen von IBM, auf deutschen Computer Tagungen diskutiert? Wer hat eventuell Unterlagen aus dieser Zeit mit Beiträgen hierzu?

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