Als Computer preiswert wurden

Geschrieben am 10.05.2022 von

Vor siebzig Jahren hießen Computer Denkmaschinen oder Elektronengehirne; sie waren groß, teuer und eindrucksvoll. Am 14. Mai 1952 gab es in Washington aber ein Symposium zu Digitalrechnern, die nicht so viel kosteten; die Vorträge behandelten sieben Systeme. Organisiert wurde die Tagung vom Forschungsbüro des Marineministeriums; die Abteilung für Computer leitete damals die Mathematikerin Mina Rees.

1949 beschrieb die amerikanische Zeitschrift „Popular Mechanics“ Brains that click und wagte eine Prognose über die neuen Elektronengehirne: „Während ein heutiger Rechner wie der ENIAC 18.000 Röhren enthält und 30 Tonnen wiegt, könnte ein Computer der Zukunft 1.000 Röhren haben und vielleicht nur anderthalb Tonnen wiegen.“ Die Zukunft, sprich die Schrumpfung der Denkmaschinen, kam schneller als gedacht.

Vor siebzig Jahren fand in Washington ein Symposium über „Kommerziell verfügbare Allzweck-Elektronenrechner zu moderaten Preisen“ statt; Veranstalter war das Office of Naval Research, das Forschungsbüro des amerikanischen Marineministeriums. Dieses gehörte zum Verteidigungsministerium; Tagungsort war das Pentagon vor den Toren der Stadt. Dort trafen sich am 14. Mai 1952 Referenten von sieben Firmen und Abgesandte aus der Verwaltung. Die moderaten Preise lagen damals unter 100.000 Dollar. Es folgen nun die vorgestellten Systeme; bitte auch die Bilder der Tagungsbroschüre beachten.

Das erste System hieß JAINCOMP-B1 und kam von der Firma Jacobs im US-Bundesstaat Maryland; hier sieht man Firmenchef Donald Jacobs an der kühlschrankgroßen Maschine. Die Broschüre teilte mit, dass der Computer seine Daten parallel verarbeitete und einen Kernspeicher aufwies. Konstanten wurden aber mit Schaltern eingegeben, die Programme steckten in Lochkarten. Weitere Details liefert die Datenbank des Patentamts: Einfach „Donald H Jacobs“ in das Erfinder-Fenster des Suchmenüs eintippen, dann erscheinen mehrere Patente von ihm. Das zehnte in der Liste erläutert den JAINCOMP.

Cover eines Prospekts des mittelgroßen Elecom 120 (Foto Computer History Museum)

Der nächste Computer stammte vom Rechenmaschinenhersteller Monroe im US-Staat New Jersey. Der MONROBOT III verwendete 20-stellige Dezimalzahlen; im Inneren steckten 800 Röhren und ein Trommelspeicher. Ein Befehl umfasste vier Adressen und die Operation. Eingaben geschahen per Tastatur, Ausgaben mit Schreibmaschine oder Lochstreifen. Im Mai 1952 lief ein MONROBOT in einem Forschungsinstitut der US Air Force; ein anderer half im November einem TV-Sender beim Hochrechnen der Präsidentenwahl. Die MONROBOTs wurden immer wieder verbessert und bis 1960 angeboten.

Den CADAC baute die Computer Research Corporation in Hawthorne bei Los Angeles. Er war 1,4 Meter hoch, wog 230 Kilo und enthielt 195 Röhren sowie eine Magnettrommel. 1953 kaufte der Registrierkassenriese NCR die Firma und machte sie zu seiner Abteilung für Elektronenrechner. In New York entstand der Circle-Computer. Er verfügte über 700 Röhren und ebenfalls über eine Speichertrommel. Ein Bild des Circle ist hier überliefert. Dem Prospekt zufolge wies er die gleiche Architektur wie die IAS-Maschine auf, die John von Neumann 1952 in Princeton fertigstellte.

Zu den größten der sieben preiswerten Rechner zählte der Elecom 100. Er maß drei Meter in der Breite und 1,80 Meter in der Höhe; zu ihm gehörte außerdem ein Bedienpult. Neben dem Trommelspeicher besaß er ein Magnetband-Laufwerk. Die in New York ansässige Electronic Computer Corporation konnte von ihm und dem technisch verwandten Elecom 120 einige Exemplare verkaufen. 1953 wurde sie jedoch von der Schreibmaschinenfirma Underwood geschluckt und 1957 liquidiert.

Schränke der ElectroData 205, auch Datatron 205 genannt (Foto Computer History Museum)

Erst in Planung war vor siebzig Jahren das Modell 30-201. Sein Entwickler, die Consolidated Engineering Corporation im kalifonischen Pasadena, fertigte eigentlich Messgeräte für die Erdölförderung. Clifford Berry, der Chefwissenschaftler der Firma, hatte 1940 mit John Atanasoff einen Röhrenrechner gebaut; er war die treibenden Kraft hinter dem Einstieg ins Computergeschäft. Man startete eine neue Firma namens ElectroData; 1954 lag die Datatron 203 vor. Der Preis von 125.000 Dollar war allerdings nicht moderat. 1956 wurde ElectroData zur Computerabteilung von Burroughs, was wir bereits im Blog erzählten.

Der letzte der im Pentagon diskutierten Rechner war der MINIAC der Physical Research Laboratories; sie saßen ebenfalls in Pasadena. Einige Monate nach dem Symposium wurden sie vom Rechenmaschinen-Produzenten Marchant übernommen und in Marchant Research umbenannt. Vom formschönen MINIAC erreichten nur zwei Stück einen Kunden. Von ihnen und den sechs anderen Computermarken überlebte wohl nur die ElectroData 205 in einem Museum. Unser Eingangsbild oben zeigt ein baugleiches Modell.

Soweit die Übersicht der bezahlbaren Computer vom Frühjahr 1952. Sie unterschieden sich deutlich von den riesigen UNIVACs, die den Markt beherrschten, die Maße standen aber noch nicht im Mittelpunkt. Die erste Konferenz über kleine Elektronenrechner fand 1954 in Philadelphia statt; das ist der Tagungsband. In der Folgenzeit kamen solche Maschinen in größerer Zahl heraus; im Blog schilderten wir die Burroughs E101 und die LGP-30. Eine eigene Kategorie begründeten erst die Minicomputer der 1960er-Jahre.

Mina Rees (Fotograf unbekannt Wikipedia Fair Use)

Schließen wollen wir mit der Mathematikerin Mina Rees. Sie wurde 1902 in Cleveland geboren und studierte in New York. Von 1925 bis 1945 lehrte sie an einem College der Stadt, danach leitete sie die mathematische Abteilung des erwähnten Office of Naval Research. 1952 war sie stellvertretende Direktorin; sie dürfte die Computer-Tagung vor siebzig Jahren initiiert haben. 1953 kehrte sie an ihr College zurück; 1961 wurde sie Professorin der New Yorker City University. Mina Rees starb 1997. Neben der Software-Admiralin Grace Hopper war sie die bedeutendste Computerpionierin der amerikanischen Flotte.

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