Wenn die Kasse klingelt

Geschrieben am 04.11.2019 von

Vor 140 Jahren erhielten James und John Ritty aus der amerikanischen Stadt Dayton ein Patent für ein Addiergerät. Aus dem „Geldregistrierer und –anzeiger“ der beiden Brüder ging die Registrierkasse für den Handel hervor. Der erste bedeutende Hersteller war die Firma NCR; sie saß ebenfalls in Dayton. 1957 nahm NCR auch den Bau von Computern auf.

Die alten Römer sagten capsa und meinten damit einen Kasten oder ein rundes Behältnis für Buchrollen. Im Italienischen wurde daraus die Cassa; aus ihr entstand die deutsche Kasse. Die Engländer machten aus der Cassa den Cash, sprich das Geld. Das lateinische Wort ist auch der Ursprung der Kapsel, doch die interessiert uns hier nicht.

NCR-Kasse mit Tastenhebeln; das Modell kam 1908 heraus. Die weiße Marmorplatte dient zur Münzprüfung.

Geld besitzt die Eigenschaft, dass es manchmal weniger wird oder gar ganz verschwindet. Genau das bemerkte James Ritty aus Dayton im US-Bundesstaat Ohio. 1836 geboren, hatte er Medizin studiert und ab 1861 im amerikanischen Bürgerkrieg gekämpft; er brachte es bis zum Captain. Danach arbeitete er als Zimmermann und Schindelmacher. 1868 eröffnet Ritty in Dayton seine erste Gaststätte; ein paar Jahre später handelte er außerdem mit Wein und Whisky. Sein Saloon florierte, nur erlitt er unerklärliche Verluste.

Der Grund stellte sich nach einiger Zeit heraus. Das Saloon-Personal behielt einen Teil der Einnahmen für sich. James Ritty konnte wenig dagegen tun. 1878 unternahm er eine Reise nach Europa. Auf dem Dampfer sah er ein Gerät, das die Umdrehungen der Schiffsschraube zählte; das brachte ihn auf eine Idee. Nach der Rückkehr fing er zusammen mit seinem Zwillingsbruder John zu basteln an. Anfang 1879 lag das Ergebnis vor, eine Kombination aus Addiermaschine und Anzeigevorrichtung.

Diese NCR-Kasse von 1913 erlaubt dezimale Eingaben. Damals gab es schon Modelle mit mehreren parallelen Addierwerken. (Foto CC-BY-NC-SA @ Museum der Stadt Lennestadt)

Am 26. März meldeten die Rittys eine Improvement in Cash Register and Indicator, einen verbesserten Registrierer und Anzeiger für Geldbeträge, zum Patent an. Es wurde ihnen am 4. November 1879 gewährt. Die Erfindung umfasste ein Zifferblatt ähnlich dem einer Uhr; die Zeiger gaben Dollars und Cents an. Der Verkäufer eines Geschäfts stellte auf einer Tastatur den Preis der Ware ein, die ein Kunde erworben hatte. Dadurch positionierte er die Zeiger; zugleich übertrug er den Betrag in ein Summierwerk.

Am Abend konnte der Ladeninhaber die Einnahmen des Tages ablesen und sie anhand der abgesetzten Waren überprüfen. James Ritty baute aber zunächst weitere Prototypen. Der dritte wies ausfahrbare Täfelchen auf, die nach Niederdrücken einer Taste den zugehörigen Geldbetrag anzeigten. Bei Nummer vier wurden die einzelnen Verkäufe mit Nadeln in einen Papierstreifen gestochen. Dieses Modell ging in die Produktion. 1880 gründete Ritty einen Betrieb, in dem zehn Arbeiter „Rittys Unbestechlichen Kassierer“ fertigten.

Die Anker-Kasse von 1910 nahm nur Münzen an. Der Verkäufer notierte den Betrag von Hand. Drehbare Geldfächer zeigten die letzten Zahlungen.

Anfang 1882 meldete James Ritty ein Patent für die verbesserte Maschine an, dann zog er sich aus dem Geschäft zurück. Es entstand eine neue Firma, die National Manufacturing Company. Zu den Teilhabern gehörte der 1844 geborene Unternehmer John Patterson. 1884 übernahmen er und sein Bruder Frank die Mehrheit der Anteile; sie nannten die Firma nun National Cash Register Company, kurz NCR. Die NCR-Maschinen erhielten eine wichtige Zutat, die Schublade für Münzen und Geldscheine. Beim Kassieren ertönte eine Klingel.

Aus dem Registrierer und Anzeiger wurde so die Registrierkasse, womit eine der großen Erfolgsgeschichte der amerikanischen Industrie begann. Die NCR-Kassen wurden stetig verbessert, zum Beispiel durch einen Drucker für Kassenzettel. Daneben entwickelte John Patterson das moderne, am Kunden orientierte Marketing. 1911 hatte NCR eine Million Kassen verkauft und beschäftigte 6.000 Menschen. Die Arbeitsbedingungen im NCR-Werk waren vorbildlich. Weniger schön war Pattersons Praxis, Konkurrenten mit rüden Methoden und Übernahmen aus dem Markt zu drängen.

Ein Blick ins NCR-Werk von Dayton (US-Bundesstaat Ohio).

In den 1910er-Jahren besaß NCR nahezu ein Monopol bei Registrierkassen. Das verstieß gegen das Antitrust-Gesetz; 1913 erhielten die Top-Manager Gefängnisstrafen. In den Knast mussten sie nicht, in der zweiten Instanz wurde das Urteil aufgehoben. Patterson warf auch Untergebene aus nichtigen Gründen aus der Firma. Meist stellte er sie wieder ein, ein Manager kehrte aber nicht zurück. Das war Thomas Watson. 1914 entlassen, wurde er Chef des Firmenverbunds CTR. Zehn Jahre später nahm dieser einen neuen Namen an – IBM.

NCR-Produkte verbreiteten sich nicht nur in Amerika, sie gelangten ebenso nach Europa. Neben den Kassen mit Anzeige- und Addierwerk gab es einen zweiten Typ, bei dem der Verkäufer den Betrag mit der Hand eintrug. Um eine Quittung für den Kunden zu erhalten, benutzte man Durchschlagpapier. Die deutschen Konkurrenten wie die Bielefelder Anker-Werke verdrängte NCR nicht so leicht wie die amerikanischen.

Die vertraute Form der Registrierkasse bildete sich in den 1930er-Jahren heraus. Das Foto zeigt eine Ausstellung in Kanada von 1947.

Im Zweiten Weltkrieg baute NCR sogenannte Bomben, mit deren Hilfe Enigma-codierte deutsche Funksprüche entschlüsselt wurden. 1957 kündigte die Firma den Computer NCR 304 an; ausgeliefert wurde er ab 1959. Den Hersteller CRC hatte NCR – da blieb man den Methoden John Pattersons treu – einfach aufgekauft. Der Unternehmensgründer starb 1922; James Ritty war 1918 verstorben. 1974 wirkte die Firma an der Einführung des Strichcodes mit. Die NCR gibt es immer noch, von 1991 bis 1996 war sie aber im Besitz der Telefongesellschaft AT&T.

Unser Eingangsbild zeigt vermutlich einen Nachbau des Ritty-Registrierers, den die NCR erstellte (Foto National Museum of American History, Smithsonian Institution). Hier kann man sich einen Schulungsfilm des Unternehmens von 1925 anschauen. Eine Übersicht über die Registrierkassenszene der 1890er-Jahre vermittelt Dinglers Polytechnisches Journal. Das Foto unten zeigt die historischen Kassen im HNF.

 

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