Ein Riesensprung für die Menschheit

Geschrieben am 19.07.2019 von

Am Wochenende feiern wir den fünfzigsten Jahrestag der Mondlandung. Das HNF zeigt dazu die große Sonderausstellung „Aufbruch ins All – Raumfahrt erleben“. Als Neil Armstrong und Edwin Aldrin am 20. Juli 1969 aufsetzten, geschah das mit Hilfe eines Digitalrechners. Ihr Fahrzeug enthielt den Apollo Guidance Computer. Er funktionierte gut, bescherte den Astronauten aber dramatische Momente.

Ignition. Mit dem Kommando „Zündung“ startete Astronaut Neil Armstrong am 20. Juli 1969 um 21.05 Uhr deutscher Zeit die letzte Etappe der Mondlandung. Armstrong und sein NASA-Kollegen Edwin Aldrin standen in der Landefähre Eagle, genauer gesagt, in ihrer Oberstufe. Sie flogen noch in zwölf Kilometern Höhe und mit 6.100 Stundenkilometern über den Mond. In der Unterstufe brannte das Triebwerk, das die Fähre abbremsen und ein sanftes Niedergehen ermöglichen sollte.

Der Dritte im Bunde, Michael Collins, saß in der Kommandokapsel Columbia und umkreiste weiter den Erdtrabanten. Begonnen hatte die Mission Apollo 11 in Cape Kennedy – heute heißt es wieder Cape Canaveral – in Florida. Dort hob am 16. Juli 1969 die gigantische Saturn-V-Rakete mit den drei Astronauten ab. Dreieinhalb Tage später erreichten Columbia und Eagle die Mondumlaufbahn; die Konfiguration ist im Eingangsbild dargestellt. Neil Armstrong und Edwin Aldrin stiegen dann in ihre Fähre um, schlossen die Luke und lösten sich von der Kapsel.

Der Apollo Guidance Computer und die Input-Output-Einheit, auf NASA-Englisch DSKY.

Beide Männer waren exzellente Piloten, die Hauptarbeit bei der Landung leistete aber der Bordrechner. Der Apollo Guidance Computer AGC maß zwei mal einen mal einen halben Fuß – ein Fuß entspricht 30,48 Zentimetern – und saß an der Rückseite des Cockpits. In dem Schaltbrett vor den Astronauten steckte die Ein- und Ausgabeeinheit. Befehle wurden dem Computer durch Zahlenpaare erteilt, die ein „Verb“ und ein „Substantiv“ umfassten. Der AGC erhielt auch die Daten vom Kreiselsystem der Landefähre; durch Betätigen der Steuerdüsen hielt er sie in der korrekten Lage.

Der Apollo Guidance Computer kam von der Firma Raytheon; entwickelt wurde er im Massachusetts Institute of Technology. Er enthielt 2.800 integrierte Schaltungen; jede von ihnen enthielt zwei NOR-Gatter, das aussagenlogische Weder-Noch. Der Speicher war in 16-Bit-Worte und zwei Bereiche unterteilt. Umgerechnet 72 Kilobyte nahm ein Fädelspeicher für Festwerte auf, vier Kilobyte entfielen auf den Kernspeicher. Er diente als Arbeitsspeicher. Die Zykluszeit betrug 11,7 Mikrosekunden; eine Addition benötigte zwei Zyklen. Ein zweiter AGC mit einem anderem Programm operierte in der Kommandokapsel.

Das AGC-Terminal zeigte Zahlen mit Leuchtziffern im Fenster rechts oben an.

Vom Zünden des Bremstriebwerks bis zum Aufsetzen der Mondfähre vergingen zwölfeinhalb Minuten. In dieser Zeit liefen im Bordcomputer nacheinander drei Programme ab – P63, P64 und P66. Die ersten beiden regelten den automatischen Landeanflug. Zehn Minuten nach Triebwerksstart hielt sich Eagle aufrecht und ging mit leichter Vorwärtsfahrt immer tiefer; die Fähre ritt dabei auf dem Abgasstrahl. Neil Armstrong sah jedoch aus zweihundert Metern Höhe, dass sie sich einer mit Felsbrocken übersäten Fläche näherte.

Armstrong schaltete deshalb Programm P66 und die Handsteuerung ein. Die Landefähre bewegte sich weiter voran, blieb aber auf konstantem Niveau über dem Boden. Nach zwölf Sekunden aktivierte der Astronaut die Triebwerkssteuerung des Computers. Die Fähre strebte nun wieder nach unten, Armstrong kontrollierte jedoch den Vorwärtsflug und die Sinkrate. Der rechts neben ihm stehende Edwin Aldrin gab laufend die betreffenden Werte an. Man sieht und hört es im Video. Nach gut zwei Minuten setzte Eagle butterweich auf.

Edwin Aldrin in der Mondlandefähre. Hinten erkennt man etwas unscharf den Computer.

Neil Armstrong befahl Shutdown, worauf Aldrin das Ausschalten des Triebwerks bestätigte. Fünfzehn Sekunden später sprach Armstrongs die bekannten Worte „Der Adler ist gelandet“. Wer die Ohren spitzt, vernimmt sie bei Minute 1:00:35 der deutschen Fernsehübertragung: The Eagle has landed. Sechseinhalb Stunden später kletterte Armstrong aus der Kabine und hinab zur Mondoberfläche. Dort sagte er den noch bekannteren Satz: „Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein Riesensprung für die Menschheit.“

Wie die Experten wissen, verlief der Landeanflug nicht völlig problemlos. Fünfmal zeigte der Computer Warnungen an. Die Bodenstation wies Armstrong und Aldrin an, die Meldungen zu ignorieren. Ihre Ursachen wurden erst mit Verspätung bekannt. Der AGC registrierte eine Überlastung durch das Radar der Fähre, das die um den Mond kreisende Kommandokapseln anpeilte und ständig Daten schickte. Zum Glück war der Computer so programmiert, dass er lebenswichtige Aufgaben vorrangig behandelte; die Radardaten gehörten nicht dazu.

Die Mondfähre des HNF. Im Zentrum sitzt unten die Luke nach draußen.

Am Ende ging aber alles gut. Am Abend des 21. Juli 1969 flogen Neil Armstrong und Edwin Aldrin von der Mondoberfläche zurück zur Apollo-Kapsel. Am 24. Juli landete diese mit den drei Astronauten auf der Erde; die Landefähre blieb in der Mondumlaufbahn. Zu einem unbekannten Zeitpunkt senkte sich diese so weit ab, dass Eagle auf der Oberfläche des Erdtrabanten einschlug. Da die Fähre nicht verglühte, dürften sich die Trümmer über das Gelände verteilt haben. Irgendwo auf dem Mond liegen also noch die ICs des AGC.

Das Cockpit einer lebensgroßen Mondfähre zeigt das HNF seit dem 5. Juli 2019 in der Sonderausstellung Aufbruch ins All – Raumfahrt erleben. Es ist unten im Bild zu sehen, und wir freuen uns auf Ihren Besuch. Wer schon etwas am Apollo Guidance Computer trainieren möchte, findet hier den passenden Simulator.

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